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Verteidigung der KunstfreiheitHaben wir nicht schon alles versucht?

Der Fonds Darstellende Künste geht mit einem Programm aus Kultur, Aktion und Debatte auf Tour. In Leipzig übte man sich in der Kunst des Streitens.

Vielleicht trägt auch das zur polarisierten Lage bei: der moralische Zeigefinger und die unsichtbaren Mauern zwischen dem Selbst und dem generalisierten Anderen Foto: getty images

Die Liste der Einschüchterungen, Bedrohungen und Angriffe auf Kunstschaffende ist lang: ob Anfragen zur Herkunft von Mitarbeitern am Theater Ulm, Morddrohungen gegen einzelne Künstler wie Igor Levit oder die körperlichen Angriffe auf die Künstler eines Queer-Festivals vergangene Woche im Performance Theater Heidelberg.

Was ist zu tun? Wie kann eine Gesellschaft gestärkt werden, in der vielfältige Perspektiven und Identitäten wahrgenommen und geschützt werden? Um diese aktuellen Herausforderungen auszuloten, tourt der Fonds Darstellende Künste unter dem Titel „Die Kunst, viele zu bleiben“ durch Deutschland. Nach dem Auftakt in Berlin fand am Wochenende im LOFFT Leipzig und in der Residenz vom Schauspiel Leipzig das zweite von neun „Foren für Kunst, Freiheit und Demokratie“ statt.

Allzu viele strömen an diesem Wochenende allerdings nicht in das Haus am Rande der Stadt – trotz des umfangreichen Programms von Impulsen über Workshops bis zu Performances. Einige bekannte Akteure der Leipziger Theaterszene sind da, aber längst nicht alle, die es interessieren dürfte.

Gut ein Drittel der Ränge bleibt leer. Dabei dreht sich das Forum um ein Thema, das angesichts verhärteter gesellschaftlicher Positionen so wichtig ist: Die Kunst des Streitens, der Resilienz und der Verteidigung der Kunstfreiheit.

Theaterkritiker Peter Laudenbach

Wie wichtig es ist, sich zu wehren, betonte der Journalist und Theaterkritiker Peter Laudenbach in der Diskussion über sein neues Buch „Volkstheater – Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit“. Insgesamt 100 Fälle hat er in den vergangenen fünf Jahren dokumentiert, in denen die Freiheit der Kunst bedroht oder angegriffen wurde.

Sein Fazit: Die AfD bildet häufig eine Legitimationsbrücke zu rechten Akteuren. Durch Hetzreden und die Überflutung mit parlamentarischen Anfragen verschiebt sie den Diskurs und schafft den Nährboden für die gefühlte Legitimation von Angriffen auf Kunstinstitutionen. Was also tun, ist die Frage in das resignierte Schweigen im Saal hinein. Vielleicht ist sie ein allgemeiner Ausdruck der Szene: Haben wir nicht schon alles versucht?

Gegenrede halten, sich in den örtlichen Vereinen organisieren, die kleinen Theater unterstützten, das vielleicht. Laudenbach hat allerdings noch eine andere Botschaft: Theater müssen sich stärker als Teil der Stadtgesellschaft verstehen. Damit einher geht, die Menschen nicht zu belehren, sondern sie zu beteiligen. „Wenn wir verlangen, Diversität auszuhalten, müssen wir selbst auch Diversität aushalten.“

Vielleicht, so könnte man an diesem Wochenende denken, trägt auch das zur polarisierten Lage bei: der moralische Zeigefinger und die unsichtbaren Mauern zwischen dem Selbst und dem generalisierten Anderen.

Jüdische Form der Streitbarkeit

Für die jüdische Autorin und Kolumnistin Mirna Funk führen manichäische Weltbilder, die unsere Welt in rein Gutes und rein Böses einteilen, geradewegs in die Katastrophe. Sie stellt der vorherrschenden Vorstellung das Prinzip der Machloket, der jüdischen Form der Streitbarkeit, gegenüber.

Die Reihe

„Die Kunst, viele zu bleiben“, bis 28. August. Programm unter www.fonds-daku.de

Diese sei entgegen der landläufigen Interpretationen des deutschen Wortes Streit aber nicht als Kampf zu verstehen, aus dem man als Gewinner und Verlierer hervorgeht. Vielmehr gehe es gerade darum, zwei gegensätzliche Meinungen auszuhalten, sie stehen und bestehen zu lassen. Dabei ist wichtig zu betonen, dass Machloket nicht nur für den äußeren Streit zwischen Personen steht, sondern auch für den inneren Streit, den Dialog mit sich selbst.

Auf dem Podium kommt es zwischen Mirna Funk und der Künstlerin Tanja Krone dann auch fast zu einem richtigen Streit. Wenn Krone ihren Sitznachbarn bittet, die Kopfhörer leiser zu stellen, ist das dann wirklich der Beginn eines Streits oder nicht doch eher eine typisch deutsche Maßregelung?

Streit mit Humor begegnen

Bitte nicht, schreit die Zuschauerin innerlich. Kaum auszuhalten so ein Streit. Dabei geht es doch nur darum, andere Meinungen zu hören und zu akzeptieren, oder? Leichter gesagt als getan. Funks Rat: Wir müssten lernen, den Streit weniger persönlich zu nehmen und uns mehr mit Humor zu begegnen.

Der Streit um Freiheit und Demokratie in der Kunstszene, „Die Kunst, viele zu bleiben“, geht jedenfalls weiter. Mit Ausnahme von Düsseldorf allerdings nur im Osten Deutschlands. Denn auch wenn die Angriffe auf die Freiheit der Kunst bundesweit stattfinden, scheint die Auseinandersetzung vor den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen hier dringlicher.

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1 Kommentar

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  • Uns fehlt die gemeinsame Basis!



    In den 70ern konnte man über alles streiten weil vieles unstreitig war. Es war unstreitig niemals Nazi-Symbole zu verwenden und es war undenkbar sie gegen Juden zu benutzen. Es war auch unstreitig das kleine Kinder aus dem Meer gezogen werden müssen(!) bevor sie ertrinken. Die Seenotrettung hätte niemand auch nur im Traum versucht einzuschränken. Es gab schlicht eine gemeinsame Auffassung von Menschlichkeit die zwar an Stammtischen bei drölfzich Promille von den üblichen Besoffenen nicht eingehalten wurden, aber sie wurde nie ernsthaft propagiert.



    Tja, und dann kam das Internet und plötzlich bricht jene Eiterbeule, die übrigens damals schonvon Ekel Alfred so treffend dargestellt wurde, auf und kontaminiert jede vernünftige Diskussion mit ihren Hassparolen, welche dann je nach Identität irgendwo zwischen Trump, Putin,AfD und Hamas schwanken ( was zur Zeit in Israel los ist KANN ich mangels Wissen nicht werten ).



    Ich denke, wir müssen uns unsere Selbstverständlichkeiten zurück holen, bevor wir weiter diskutieren können.