piwik no script img

Rechte Ausschreitungen in Chemnitz 2018Landgericht lehnt weiteren Prozess ab

Über fünf Jahre nach dem Angriff von Rechtsextremen in Chemnitz wurde ein erstes Verfahren eingestellt. Das nächste soll nun gar nicht eröffnet werden.

Prozesseröffnung am Landgericht Chemnitz im Dezember 2023 Foto: Jan Woitas/dpa

Chemnitz afp | Mehr als fünfeinhalb Jahre nach Ausschreitungen am Rande einer rechten Demonstration in Chemnitz wird es zunächst keinen weiteren Prozess geben. Das Landgericht Chemnitz lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen neun Beschuldigte ab. Zur Begründung erklärte das Gericht am Freitag, es sehe einen erforderlichen hinreichenden Tatverdacht nicht als gegeben an.

Den Angeklagten wurde vorgeworfen, am 1. September 2018 nach einem sogenannten Trauermarsch von AfD, Pegida und der rechtsextremen Vereinigung Pro Chemnitz Teilnehmer einer Gegendemonstration angegriffen und elf Menschen verletzt zu haben.

Bei der zur Last gelegten gefährlichen Körperverletzung in elf Fällen setzt dem Gericht zufolge eine Strafbarkeit voraus, dass die Beschuldigten an den Taten selbst als Täter oder Teilnehmer beteiligt waren. Dies könne die Kammer aber nicht erkennen. Vielmehr erschöpfe sich ihre Beteiligung den Ermittlungen zufolge „in der bloßen Anwesenheit und dem Mitlaufen in einer Menschenmenge am Ort der Gewalttätigkeiten“, erklärte das Gericht.

Gegen den Beschluss können Staatsanwaltschaft und Nebenklage Beschwerde einlegen, die Generalstaatsanwaltschaft tat dies bereits. Darüber entscheidet dann das Oberlandesgericht Dresden.

Rechte Hetze und Gegenprotest

Am 1. September 2018 hatten sich in Chemnitz rund 8.000 Anhänger einem von AfD, Pegida und Pro Chemnitz organisierten Demonstrationszug angeschlossen. Unter anderem liefen damals auch mehrere führende AfD-Politiker mit, darunter die Landesvorsitzenden von Thüringen und Sachsen, Björn Höcke und Jörg Urban.

Die Gegenveranstaltung unter dem Motto „Herz statt Hetze“ mit rund 3.000 Teilnehmern richtete sich gegen die rassistischen Ausschreitungen, zu denen es in Chemnitz nach dem gewaltsamen Tod eines Manns am Rande des Stadtfests gekommen war. Rund ein Jahr nach der Tat verurteilte das Landgericht Chemnitz einen Syrer wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu neuneinhalb Jahren Haft.

In einem ersten Prozess wegen des damaligen Geschehens stellte das Landgericht im Januar das Verfahren gegen drei verbliebene von ursprünglich neun Angeklagten ein. Sie mussten jeweils 1.000 Euro an soziale Einrichtungen zahlen. Zuvor hatte sich die Zahl der Angeklagten bereits dezimiert, unter anderem wegen Verfahrenseinstellungen oder weil ein Angeklagter untergetaucht und ein anderer in der Psychiatrie war.

Es war der erste von ursprünglich drei geplanten Prozessen im Zusammenhang mit den Ausschreitungen von 2018. Die Entscheidung über die Eröffnung eines dritten Hauptverfahrens stand noch aus.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • was ich hier nicht verstehe, heute wird doch jedes Fingerschnippen irgendwo als Bild und Ton festgehalten. Es gibt keine Aufnahmen dieser Schlägerei?

  • "Vielmehr erschöpfe sich ihre Beteiligung den Ermittlungen zufolge „in der bloßen Anwesenheit und dem Mitlaufen in einer Menschenmenge am Ort der Gewalttätigkeiten“, erklärte das Gericht."



    Dann aber ganz, ganz schnell entschuldigen bei den braven Mitläufern.



    Die Staatsanwaltschaft scheint dies anders zu sehen. Stellen sich mir die Fragen:i st der Richter eingeschüchtert? Oder kann er nur den Staatsanwalt nicht leiden?