CDU-Minister Reul unter Druck: Schleuser bringen Reul in Erklärnot

Der mutmaßliche Chef einer Schleuserbande hat der NRW-CDU fast 50.000 Euro gespendet. Hauptbegünstigter war Innenminister Herbert Reul.

Herbert Reul gestikuliert beim Sprechen

Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, während einer Pressekonferenz am 14. Mai Foto: Federico Gambarini/dpa

BOCHUM taz | Wegen seiner Kontakte zum mutmaßlichen Chef einer kriminellen Schleuserbande wächst der Druck auf Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). In einer von der SPD am Donnerstag beantragten Sondersitzung des Landtags-Innenausschusses soll Reul begründen, warum er sich mindestens acht Mal mit dem Rechtsanwalt Claus B. aus Frechen bei Köln getroffen hat, der in einem Großverfahren gegen Organisierte Schleuserkriminalität als einer der beiden Hauptverdächtigen gilt.

Erklärungsbedürftig sei auch, warum Claus B. „den Landtagswahlkampf von Minister Reul im Jahr 2022 mit knapp 30.000 Euro unterstützt“ habe, heißt es in dem Antrag, der der taz vorliegt. Die FDP hat sich der Forderung nach einer Sondersitzung angeschlossen.

Gegen die Schleuserbande, zu der Ermittlungen bereits seit 2020 laufen, war die Staatsanwaltschaft Düsseldorf Mitte April mit einer Großrazzia vorgegangen. Dabei durchsuchten mehr als 1.000 Be­am­t:in­nen von Bundespolizei und Ermittlungsbehörden über 200 Wohn- und Geschäftsräume, beschlagnahmten mehr als 1,2 Millionen Euro Bargeld und vollstreckten 10 Haftbefehle. Verhaftet wurde auch ein Referatsleiter des Kreises Düren, der mit 300.000 Euro bestochen worden sein soll. Die beiden Hauptbeschuldigten, Claus B. und der Kölner Wirtschafts-Fachanwalt Johannes D., wanderten ebenfalls erst einmal in Untersuchungshaft.

350.000 Euro für einen Aufenthaltstitel

Beiden wird vorgeworfen, mindestens 147 reichen Menschen vor allem aus China und dem arabischen Raum widerrechtlich Aufenthaltsgenehmigungen für die Bundesrepublik verschafft zu haben. Dazu seien „Scheinfirmen gegründet, angebliche Wohnsitze finanziert und vermeintliche Lohnzahlungen fingiert worden“, so die Staatsanwaltschaft. Die so als dringend benötigte Fachkräfte ausgegebenen Reichen sollen dafür bis zu 350.000 Euro pro Person gezahlt haben.

Zumindest der Frechener Anwalt Claus B. hat sich außerdem um gute Kontakte vor allem zu einflussreichen Christdemokraten bemüht. Wie aus der Partei zu hören ist, war der Jurist bis Ende des vergangenen Jahres selbst CDU-Mitglied – und hat seine ehemalige Partei zwischen 2020 und 2023 großzügig mit Geld gefördert. Wie ein Sprecher der taz bestätigte, bedachte der mutmaßliche Schleuser-Chef seine ehemalige Partei in „acht Einzelspenden an Gliederungen oder Vereinigungen der CDU in Nordrhein-Westfalen“ mit insgesamt 49.970 Euro.

An den Landesverband der CDU direkt sei dagegen kein Geld geflossen. Stattdessen habe sich die Partei „proaktiv an die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gewandt und alle bislang vorliegenden Informationen geteilt“.

Zweck: Unterstützung für Reuls Wahlkampf

Der Bundesverband der Jungen Union dagegen durfte sich über 5.000 Euro freuen. Auch in NRW gingen 5.000 Euro an den Landesverband der Jungen Union. In Solingen erhielt die CDU 2.500, im Rhein-Erft-Kreis 12.500 Euro. Hauptempfänger aber war mit 29.970 Euro die CDU im Rheinisch-Bergischen Kreis – und damit die politische Heimat von Innenminister Herbert Reul.

Gestückelt waren die Zahlungen, die einmal von Claus B. direkt und zweimal von Firmen, bei denen er Geschäftsführer war, überwiesen wurden, in drei Tranchen von jeweils 9.990 Euro. Im Rechenschaftsbericht der Partei tauchten sie deshalb nicht auf – vorgeschrieben ist das erst bei Beträgen von 10.000 Euro und mehr.

Für Innenminister Reul, der sich in NRW über Jahre ein Image als „Saubermann“ geschaffen und sich auch in der amtierenden schwarz-grünen Koalition von CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst als harter Kämpfer gegen jede Art von Kriminalität inszeniert hat, ist das äußerst unangenehm. Sein rheinisch-bergischer Heimatverband hat sogar eingeräumt, „der Spender“ habe „im Verwendungszweck der Überweisung angegeben, dass er den Landtagswahlkampf des örtlichen Landtagskandidaten Herbert Reul unterstützen wolle“.

Mindestens acht Treffen mit dem Minister

Und tatsächlich dürften sich aus Sicht des mutmaßlichen Schleuser-Chefs Claus B. seine acht Einzelspenden zunächst gelohnt haben. Mindestens acht Mal konnte er Reul, auch oberster Dienstherr der nordrhein-westfälischen Polizei, treffen, davon vier Mal im Innenministerium selbst. Ein erstes „Kennenlerngespräch“ gab es dort am 18. Februar 2022. Zuletzt sei der Rechtsanwalt bei einem Gespräch „zu parteipolitischen Themen“ im Ministerium gewesen, räumt dessen Pressestelle ein.

Als letztes nachvollziehbares Treffen gilt ein „Gespräch im Format ‚Herrensalon‘ in Köln zum Thema Innere Sicherheit“ am 18. April 2023. Allerdings könnten sich Reul und Claus B. durchaus auch öfter gesehen haben: „Zufällige Begegnungen am Rande von Veranstaltungen sind naturgemäß nicht dokumentiert“, so das Ministerium.

Reul selbst betont, Claus B. sei ihm als „untadelig“ beschrieben worden – in die Termine mit dem mutmaßlichen Schleuser-Chef sei er deshalb ohne Argwohn gegangen. „Herr B. ist 2022 auf mich zugekommen“, sagt er. „Er wollte sich mit mir treffen, weil er die Partei und mich im Landtagswahlkampf unterstützen wollte.“

Den demokratischen Parteien der Landtagsopposition, SPD und FDP, reicht das nicht: Sie fordern Aufklärung, spätestens bei der von ihnen geforderten Innenausschuss-Sondersitzung. Geklärt werden müsse eine zentrale Frage: „Was hat sich der Minister von diesen Kontakten erhofft?“

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