Unternehmen gegen Rechtsruck: „Wir ticken international“

Der sächsische Uhrenhersteller Nomos Glashütte will sich einem drohenden Rechtsruck nicht hilflos ausliefern. Der würde Jobs und Umsatz kosten.

Ein Man inspiziert mit einer Lupe ein Uhrenteil in der Firma Nomos Glashütte.

Bangen um Kunden, Geld und Jobs: Firmen in der EU stellen sich gegen rechts Foto: Jens Schlueter/reuters

BERLIN taz | Judith Borowski treibt der Rechtsruck um. „Was wir an Europa schätzen, wird es nicht mehr geben, wenn AfD und Co. an die Macht kommen“, warnt die Geschäftsführerin von Nomos Glashütte. Überall in Europa würden Rechtspopulisten antreten, um die gesellschaftliche Solidarität zu zerstören. Borowskis Unternehmen stellt im sächsischen Glashütte Armbanduhren her.

Dort steht dieses Jahr nicht nur die Europawahl an. Am 1. September wählt Sachsen auch einen neuen Landtag. In Umfragen stärkste Kraft ist die AfD. Das macht sich Borowski zufolge auch an der Stimmung im Osterzgebirge bemerkbar. „Die ist deutlich schlechter geworden“, sagt sie. Viele Menschen würden aussprechen, was sie früher vielleicht nur gedacht hätten.

Gegen diesen Rechtsdrall stemmt sich Nomos Glashütte schon länger. Als es 2015 zu Protesten gegen ein nahe gelegenes Heim für Geflüchtete kam, wollte das Unternehmen ein Zeichen setzen. Es brachte an seinem Hauptgebäude ein großes Transparent an. Darauf stand: „Wir ticken international. Nein zu rechtem Gedankengut.“

Zwar hat die Uhrenmanufaktur laut eigenen Angaben unter den Firmen der sächsischen Kleinstadt keine Mitstreiter. Dafür mehren sich im Rest der Republik die Stimmen aus der Wirtschaft, die vor einem Rechtsruck warnen. Besonders viele Wortmeldungen gibt es, seitdem das Recherchenetzwerk Correctiv im Januar ein Treffen von Rechtsextremen in Potsdam öffentlich machte, auf dem über Deportationspläne diskutiert wurde.

AfD schadet der Wirtschaft

„Die AfD schürt Misstrauen gegen jedermann. Es gibt Anzeichen, dass die Werte des Grundgesetzes unterwandert werden“, sagte unlängst der Milliardär und Schraubenhersteller Reinhold Würth dem Handelsblatt. Und die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) warnen in einem Positionspapier: „Die Programmatik der AfD schadet der Wirtschaft in der Hauptstadtregion. Sie grenzt Menschen aus und setzt auf Abschottung und Nationalismus.“

Auch die großen Konzerne machen mobil. Rund 30 von ihnen haben sich im Bündnis „Wir stehen für Werte“ zusammengeschlossen, darunter Siemens, Allianz, RWE und Mercedes. Die Initiative, die eigenen Angaben zufolge für insgesamt 1,7 Millionen Arbeitsplätze steht, will neben Vielfalt, Offenheit und Toleranz auch für ein geeintes Europa eintreten. Denn dieses ist durch einen Wahlerfolg der AfD gefährdet. Immer wieder bringen Po­li­ti­ke­r*in­nen der rechtsextremen Partei einen Dexit, einen Austritt Deutschlands aus der EU, ins Spiel. „Wir halten die EU für nicht reformierbar und sehen sie als gescheitertes Projekt“, schreibt die AfD in der Präambel ihres Europawahlprogramms. Den Euro will sie abschaffen.

Solche Pläne würden verheerende Folgen haben, warnen Ökonom*innen. Auch mit Verweis auf Erfahrungen mit dem Brexit. Der Austritt Großbritanniens aus der EU Ende Januar 2020 habe dem Land „erheblichen wirtschaftlichen Schaden“ zugefügt, heißt es in einem Paper des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Die von den Befürwortern des Brexits gehegten Hoffnungen hätten sich offensichtlich nicht erfüllt. „Das ist nicht verwunderlich, denn der Brexit bringt eine wirtschaftliche Desintegration mit der EU als dem größten Handelspartner des UK mit sich.“

Dexit würde Millionen Arbeitsplätze kosten

Das IW hat auch berechnet, welche Folgen ein Dexit für die deutsche Wirtschaft hätte. Seine Prognose: Durch einen Austritt Deutschlands aus der EU würden innerhalb der ersten fünf Jahre 690 Milliarden Euro an Wertschöpfung verloren gehen. Dadurch würde das Bruttoinlandsprodukt um 5,6 Prozent schrumpfen, 2,5 Millionen Arbeitsplätze würden vernichtet. „Weil Deutschland als Exportnation stark vom Handel mit anderen Staaten abhängig ist, insbesondere anderer EU-Mitglieder, bekämen Unternehmen und Verbraucher die Folgen hierzulande deutlich zu spüren“, so das IW.

Gleichzeitig haben Unternehmen im Kampf gegen rechts laut Managerin Borowski als Arbeitsplätze eine ganz besondere Bedeutung: „Sie sind mittlerweile für viele die einzigen Orte, an denen sie ihre Bubble verlassen. In Unternehmen kommen Menschen unterschiedlicher Ansicht, Herkunft und Generationen zusammen, hier kann man Toleranz üben und im Kleinen eben auch Demokratie.“

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, macht Nomos Glashütte beim Programm Business Council for Democracy (BC4D) mit. Dieses wurde vor einigen Jahren von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung zusammen mit dem Institute for Strategic Dialogue (ISD) und der Robert Bosch Stiftung ins Leben gerufen und bietet Unternehmen Schulungen für ihre Angestellten an. Diese können dort lernen, wie man Verschwörungstheorien und Fake News erkennen oder Hass und Hetze begegnen kann.

Laut Borowski trägt das jahrelange Engagement von Nomos Glashütte auch innerhalb des Betriebs Früchte. „Wir haben eine Mitarbeiterschaft, die es größtenteils gut und richtig findet, was wir tun“, sagt die Managerin. Zwar glaube auch sie nicht, dass keiner in ihrem Betrieb die AfD wählt. Doch sei die Zustimmung „mit Sicherheit deutlich geringer als auf der Straße“. Die Haltung von Nomos habe sich herumgesprochen, AfD-Anhänger würden eher anderswo Arbeit und Anstellung suchen als bei dem Uhrenhersteller.

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