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EZB senkt die ZinsenDieser Schritt war überfällig

Simon Poelchau
Kommentar von Simon Poelchau

Mit der Zinswende senkt die EZB die Kosten für Schulden. Damit nimmt sie Finanzminister Lindner ein Argument in der Debatte um die Schuldenbremse.

Christine Lagarde gibt auf einer Pressekonferenz die Verringerung der Zinsen für Geschäftsbanken bekannt Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

E ndlich: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinswende eingeleitet. Ihr Rat beschloss, den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 Prozent zu senken. Dieser Schritt war nicht nur erwartbar – die No­ten­banke­r*in­nen ließen unlängst keine Möglichkeit aus, um ihn mal mehr und mal weniger offen anzukündigen. Dieser Zinsschritt war längst überfällig.

Skep­ti­ke­r*in­nen mahnen zwar, dass die Inflation noch nicht besiegt sei. Mit zuletzt 2,6 Prozent hat sich die Teuerung in der Eurozone aber schon erheblich normalisiert. Wer dies nicht sieht, ist vermutlich die niedrigen Raten aus den 2010er Jahren gewohnt. Damals warnten Öko­no­m*in­nen aber auch eher vor der Deflation, also sinkenden Preisen. Deswegen hat die EZB auch eine Inflation von 2 Prozent als Ziel. Und mit 4,25 Prozent ist der Leitzins weiterhin extrem hoch.

Dabei ist der Effekt der Zinserhöhungen auf die Inflation seit dem Sommer 2022 umstritten. Schließlich empfehlen sich hohe Zinsen als Mittel gegen die Inflation vornehmlich, wenn die Preise wegen einer heißgelaufenen Konjunktur angehoben werden. Doch die jetzige Inflationskrise hatte eine ganz andere Ursache: Putins Angriff auf die Ukraine. Dies trieb vor allem die Energie- und Nahrungsmittelpreise in die Höhe.

Maßnahmen wie das 9-Euro-Ticket oder die Gaspreisbremse werden deswegen einen deutlich direkteren Effekt auf die Inflation gehabt haben als die Zinserhöhungen. Dafür kann man den negativen Effekt der hohen Zinsen auf die Konjunktur jetzt an jeder brachliegenden Baustelle sehen.

Einer Person indes wird die Zinssenkung insgeheim nicht so ganz in den Kram passen: Mit dem Argument klammer Kassen kann Finanzminister Christian Lindner jetzt den Kürzungshammer schwingen und seinen Traum vom schlanken Staat Wirklichkeit werden lassen. Doch bedeuten niedrigere Zinsen, dass der Staat weniger Geld für seine Schulden ausgeben muss. Die EZB nimmt Lindner also gerade ein Argument, mit dem er sich gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse wehrt.

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Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
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8 Kommentare

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  • Der Autor schreibt selbst, die Zinsen seien weiter extrem hoch. Für Herrn Lindner änder sich damit nichts.

    Im Übrigen wäre es ein Fehler, nur wegen angeblich geringer Zinsen Schulden zu machen, den niemand kennt die Zinsentwicklung der Zukunft.

  • Schulden sind keine gute Sache.

    • @Gorres:

      Allerdings. Eine zerfallende Infrastruktur, eine dysfunktionale Staatlichkeit, zusammenbrechende Märkte - das ist viiiiiiel besser! Da braucht man am Ende nur noch den Kehrbesen - über Schulden muss man sich dann keine Gedanken mehr machen. Hauptsache die Pseudo-Partei FDP kommt bei den Wahlen 2024/25 nicht ganz so schlecht weg, gell?

      • @Perkele:

        Jede Generation muss mit dem auskommen, was sie erwirtschaftet.



        Im besten Fall verschieben Kredite das Geld nur von hier nach dort; es fehlt dann an anderer Stelle.



        Im weniger guten Fall erzeugt Geldschöpfung unmittelbar Inflation.

        • @sollndas:

          Das ist eine Milchmädchenrechnung. Es gibt durchaus Projekte, die generationenüberschreitend sind. Bleiben wir z.B. bei der Straßeninfrastruktur: die ist für Jahrzehnte angelegt. Wenn es Schäden daran gibt, ist es sinnvoll, die zu beheben. Das zu unterlassen generiert zwingend sehr erhebliche Mehrkosten auf verschiedenen Ebenen. Solche Beispiele gibt es sehr, sehr viele. Es kommt IMMER darauf an, in was man geliehenes Geld steckt: in einen schönen Urlaub oder in die Reparatur des Daches. Einfach gar nix zu tun ist sowohl betriebs- als auch volkswirtschaftlich ein Harakiri.

          • @Perkele:

            "Einfach gar nix zu tun..."



            Das ist, mit Verlaub, Ihre Interpretation. Habe ich irgendwo etwas von "gar nix tun" geschrieben???



            Bitte noch mal genau lesen: Wir (und der Staat) müssen im Wesentlichen mit dem Geld auskommen, das wir haben.



            Daraus könnte man folgern, dass man Prioritäten setzen muss. Und nicht Geld für irgendwelchen Quatsch aus dem Fenster werfen sollte; Beispiele erspare ich mir hier.

            • @sollndas:

              Diese Vorgehensweise ergibt klar und deutlich: NIX TUN!!

    • @Gorres:

      Zinsen sind keine gute Sache.