Streit um Gesetz in Spanien: „Diktatur“ kommt als Wort nicht vor

Spaniens Rechte laufen Sturm gegen Gesetze zur Demokratischen Erinnerung, die den Umgang mit Opfern des Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur regeln.

Eine Statue des Diktators Franco wird mit einem Kran entfernt

Eine Statue des Diktators Franco wird entfernt: Santander 2008 Foto: El Mundo/imago

„Eintracht statt ideologischer Spaltung.“ Das propagieren Spaniens Rechte und Ultrarechte, die in den Regionen Aragonien, Kastilien, León sowie in Valencia sogenannte „Gesetze der Eintracht“ vorbereiten. Diese sollen die bisherigen „Gesetze zur Demokratischen Erinnerung“ ablösen. Es geht dabei um den Umgang mit den Opfern im Bürgerkrieg und der anschließenden Diktatur unter General Francisco Franco, die 1975 nach fast 40 Jahren zu Ende ging. Im Mittelpunkt steht die Bewertung der spanischen Vergangenheit als solcher.

Die neuen Gesetzentwürfe, die sich in den drei Regionen an wichtigen Stellen fast aufs Wort gleichen, sollen den Umgang mit denjenigen regeln, die „aus ideologischen, religiösen und sozialen Gründen von 1931 bis 1978 Verfolgung und Gewalt ausgesetzt waren“. Dieser Zeitraum umfasst die gesamte zweite Spanische Republik, die Franco-Diktatur und den Zeitraum der Transición, des Übergangs zur parlamentarischen Demokratie.

Das Gesetz zur Demokratischen Erinnerung und die regionalen Ableger hingegen thematisieren die Zeit der Diktatur; ein Wort, das in den neuen Gesetzen nicht einmal vorkommt. Begründung: Es gehe um „eine ausgewogene Sichtweise“ anstatt eines „fortschrittlichen Konsenses“ und „ideologische Ansichten“, so Vertreter von Regionalregierungen aus den Reihen der neofranquistischen Partei Vox. Mit dem neuen Gesetz sollen Fördergelder zur Aufarbeitung gestrichen und der Geschichtsunterricht an den Oberschulen soll dahingehend reformiert werden.

„Abgestandener Nationalismus“

„Abgestandener Nationalismus“, sei das, was die konservative Partido Popular (PP) und Vox vorbereiten, beschwert sich eine Gruppe von Historikern der Mittelmeerregion Valencia in einem Manifest. Der Gesetzentwurf, der die demokratische Republik und die Franco-Diktatur in einen Topf schmeißt, weise „schwerwiegende wissenschaftliche Fehler aufgrund mangelnder Kenntnis der grundlegenden Tatsachen“ auf.

Bei der Aufarbeitung der Vergangenheit könne es nicht darum gehen, „die Geschichte Spaniens zu schützen und zu ehren, sondern darum, einen rigorosen geschichtlichen Diskurs auszuarbeiten und solide Kenntnisse über die Vergangenheit zu bieten“. Geschichte sei schließlich „kein Dogma und kein Glaubensbekenntnis“.

Die Vereinigung der Opfer der Diktatur schließen sich der Kritik an. „Warum ist es so schwierig, die Dinge beim Namen zu nennen?“, fragt sich Emilio Silva, Vorsitzender und Gründer der Vereinigung zur Wiedererlangung der historischen Erinnerung (ARMH). Und er gibt zugleich die Antwort. „Sie wollen der Diktatur eine andere Bedeutung geben“, sagt Silva und erinnert daran, dass die PP von Franquisten gegründet wurde. Und Vox erklärt ganz offen, die Söhne derer zu sein, die den Bürgerkrieg gegen die Republik gewannen und das Franco-Regime aufbauten.

Silva ist in Spanien als derjenige bekannt, der vor über 20 Jahren die Suche nach seinem im Bürgerkrieg von Faschisten ermordeten Großvater selbst in die Hand nahm und schließlich die sterblichen Überreste fand, verscharrt irgendwo außerhalb seines Heimatortes. Seither wurden 13.669 Leichen von Demokraten, Linken und Gewerkschaftern exhumiert. 7.318 alleine seit 2019, dem Jahr, als unter der derzeitigen Linksregierung unter Ministerpräsident Pedro Sánchez das staatliche Gesetz zur Demokratischen Erinnerung erlassen und Gelder für die Suche bereitgestellt wurden.

Zehntausende in Massengräbern

Die regionalen Gesetze wiederum erleichterten den Zugang zu diesen Fonds und stockten sie aus den jeweiligen Haushalten auf. Das soll jetzt dort, wo PP und Vox regieren, ein Ende haben. Noch immer liegen Zehntausende in Massengräbern überall im Land. Sie wurden nie geehrt, anders als die im Bürgerkrieg Gefallenen aus den Reihen der Faschisten.

Das Vorhaben von PP und Vox ruft selbst die Vereinten Nationen auf den Plan. Dort kam man zu dem Schluss, dass jene Gesetzentwürfe „die Verpflichtung des spanischen Staates, die Bewahrung des historischen Gedächtnisses zu gewährleisten, verletzen könnten“. Für die UN können diese Initia­tiven „zu Einschränkungen bei der Suche nach der Wahrheit über das Schicksal oder den Aufenthaltsort der Opfer“ von Bürgerkrieg und Franco-Diktatur führen.

„Sie behindern oder unterdrücken die Subventionierung von Projekten“ und „können die schweren Menschenrechtsverletzungen, die während des diktatorischen Franco-Regimes begangen wurden“, unsichtbar machen, warnen mit der Thematik betraute UN-Experten.

Die Rechte ist weit davon entfernt einzulenken. Für Vox-Chef Santiago Abascal sind die UN-Berichterstatter „bestochen“, „links“ und wollten Spaniens sozialistischem „Premier Pedro Sánchez gefallen“. Carlos Mazón, Regierungschef der Region Valencia, wirft den UN-Experten vor, die Gesetzestexte nicht gelesen zu haben und Fake News aufgesessen zu sein. Und die Sprecherin der PP-Fraktion im spanischen Parlament, Cuca Gamarra, geht so weit, der Linksregierung „Geschichtsrevisionismus“ vorzuwerfen.

Weißwaschen der Diktatur

Ein scharfer Angriff auf die PP kommt hingegen vom sozialistischen Minister für Territorialpolitik und Demokratisches Erinnern, Ángel Víctor Torres Pérez. „Schluss jetzt mit dem Weißwaschen der Diktatur, in dem sie mit einer demokratischen Epoche wie der Zweiten Republik gleichgesetzt wird“, sagte er anlässlich des 79. Jahrestages der Befreiung des österreichischen Konzentrationslagers Mauthausen.

Rund 15.000 sogenannte Rotspanier, die im Spanischen Bürgerkrieg gegen Franco gekämpft hatten, waren in NS-Konzentrationslagern interniert, ein Großteil in Mauthausen. Seit diesem Jahr gedenkt die Regierung Aragoniens ihrer nicht mehr.

Für Torres Pérez ist die PP in der „Logik von Vox gefangen“, die ihr seit den vergangenen Kommunal- und Regionalwahlen 2023 ermöglicht, in über 100 Städten und Gemeinden sowie in fünf Regionen zu regieren. Torres Pérez kündigt an, vors Verfassungsgericht zu ziehen, sobald die „Gesetze der Eintracht“ in Kraft treten. Er kann dabei auf breite Unterstützung in der Bevölkerung zählen. Bei eine Hörerbefragung des Nachrichtenmagazins „24 horas“ im öffentlichen RNE lehnten 82,1 Prozent die „Gesetze der Eintracht“ ab.

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