Angebot für Geflüchtete in Berlin: Sprachkurs, Praktikum – Job?
In einem Spezialkurs in Spandau lernen junge Geflüchtete Deutsch – und alles für den Berufseinstieg. Sorgen und Probleme bremsen aber einige aus.
Die Schüler aus der Ukraine, Syrien, Afghanistan und Somalia lernen seit Oktober bei der Gesellschaft für Interkulturelles Zusammenleben (GIZ) in der Spandauer Altstadt gemeinsam Deutsch. Das Niveau A2 haben sie schon erreicht, bis zum Spätsommer sollen sie B1 erreichen und ein vierwöchiges Praktikum absolvieren.
Das dient dazu, die erworbene Sprache im Berufsalltag erstmals anzuwenden. Zugleich sollen sie die deutsche Arbeitswelt kennenlernen. Nicht wenige Schüler, die hier in Spandau Deutsch gelernt haben, bekamen von ihren Praktikumsbetrieben auch Arbeitsangebote, sagt Biljana Zec, die bei der GIZ die Deutschkurse koordiniert.
600 Stunden Deutschunterricht bezahlt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) normalerweise für einen anerkannten Flüchtling. Doch es gibt Spezialkurse wie diesen Jugendintegrationskurs, bei denen es 900 Stunden sind. Die Überlegung dahinter: Wer zwischen 17 und 26 Jahre alt ist, hat noch ein langes Arbeitsleben vor sich und soll von Anfang an mit dem nötigen sprachlichen Rüstzeug ausgestattet werden.
An Motivation mangelt es den Geflüchteten nicht
Der Jugendintegrationskurs beinhaltet zudem als einziger Deutschkurs ein Praktikum. Und es wird im Kurs geübt, wie man einen Lebenslauf und eine Bewerbung schreibt. Dinge also, die für den Arbeitsmarkt wichtig sind.
Als Nächstes ist Partnerarbeit angesagt. Die Schüler sollen zu zweit aufschreiben, was sie zuvor über Lautsprecher gehört haben. Lehrer Hien Doan, ein Germanist aus Vietnam, schlendert von Paar zu Paar und korrigiert die Texte. Mit fehlender Motivation seiner Schüler hat er keine Probleme. Eher muss er dafür sorgen, dass die besonders Eifrigen und Schnellen sofort wieder neue Aufgaben bekommen. „Gerade bei so jungen Menschen muss viel Dynamik im Kurs sein“, sagt er zur taz.
Monatelange Wartezeiten
Insgesamt sind rund 70 Prozent der Sprachkursteilnehmer Männer. Die wenigen Frauen konzentrieren sich eher auf die familienfreundlichen Vormittagskurse. Auch nachmittags und abends findet Unterricht statt.
Trotzdem ist eine monatelange Wartezeit auf einen Kurs leider normal, sagt Biljana Zec. „Das ganze System ist überlastet. Es fehlen Lehrer und ohne die kann man keine neuen Kurse eröffnen.“ Oft bekommen Asylsuchende erst die Zulassung zum Kurs, wenn der Asylantrag angenommen wurde. „Und es dauert dann auch noch, bis das Bamf die Finanzierung der Kurse bewilligt“, so Zec.
Die Monate der Untätigkeit zehren gerade bei Jugendlichen an den Nerven. Und es gibt Kursteilnehmer, die weit länger auf einen Deutschkurs warten mussten. Ein afghanischer Schüler, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, durfte zuerst nur zwei Monate bis A1 lernen. Dann wurde sein Asylantrag abgelehnt, er wurde obdachlos. Erst drei Jahre später fand er wieder einen Deutschkurs, der ihm auch finanziert wurde.
Sorgen um die Familie in Afghanistan
Der Afghane gehört zu den Kursteilnehmern, die Biljana Zec Sorgen bereiten. Er hat nur eine Übergangswohnung, ist von erneuter Obdachlosigkeit bedroht. Und er habe Angst um seine Geschwister, die in Afghanistan von den Taliban verfolgt würden und dringend aus dem Land raus müssten. „Solche Problemlagen haben oft zur Folge, dass sich Kursteilnehmer nicht aufs Lernen konzentrieren können“, sagt sie.
Andere seien von Abschiebung bedroht. Da ist es gut, dass die GIZ nicht nur ein reiner Sprachkursträger ist, sondern auch Beratungsangebote für Zugewanderte anbietet, die bisweilen weiterhelfen können.
Dann gibt es noch ein spezielles Spandauer Problem: Ein großer Teil der Schüler stammt aus dem westlichen Brandenburg, aus Orten, in denen es keine Deutschkurse gibt. Sie haben nicht selten einen Schulweg von bis zu eineinhalb Stunden, die Kurszeiten müssen dabei auf die Fahrzeiten der selten fahrenden Busse angepasst werden.
„Nach 19 Uhr fährt kein Bus mehr“, sagt ein betroffener somalischer Schüler. Ein Abendkurs schied für ihn deshalb aus. Die Wartezeit auf einen freien Platz hat das nicht gerade kürzer gemacht – obwohl er, wie andere auch, sogar verpflichtend Deutsch lernen muss.
Das Niveau der Sprachkurse sei sehr unterschiedlich, sagt Biljana Zec. Das liege auch daran, dass die Jugendlichen neben Konzentrationsschwierigkeiten wegen drohender Abschiebung oder sozialer Probleme auch verschiedene schulische Voraussetzungen aus ihren Herkunftsländern mitbringen. Umso wichtiger sei daher die Zusammensetzung der Kurse. „Wenn es Leistungsträger in den Kursen gibt, dann ziehen sie die anderen oft mit“, sagt Zec.
Die Zusammensetzung der Kurse ist ein Erfolgsfaktor
Die GIZ achte darauf, dass Menschen mit unterschiedlichen Muttersprachen gemeinsam lernen. Die Binnenkommunikation in der Gruppe erfolge dann notwendigerweise auf Deutsch. Das bestätigt auch der Ukrainer Dmytro Lutschenko, der seit rund zwei Jahren in Deutschland lebt. Ein Pausengespräch mit seinem syrischen Nachbarn sei für ihn wie ein Praktikum, sagt Lutschenko.
Alle Jugendlichen haben Vorstellungen, welchen Beruf sie einmal ergreifen wollen: Zahnarzthelfer, S-Bahn-Fahrer, Verkäufer, Logistiker. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Denn das Deutschniveau B1, das sie nach fast zehn Monaten täglichem Deutschkurs erreichen wollen, genügt oft nicht, um in der Berufsschule zu bestehen.
Für die Arbeit in einem in ihrem Heimatland erlernten Beruf oder für ungelernte Tätigkeiten etwa in der Gastronomie oder in der Gebäudereinigung ist es dagegen ausreichend. Doch auch hier werden die sprachlichen Anforderungen oft unterschätzt. Denn auch eine Reinigungskraft muss verstehen, an welchem der oft wechselnden Arbeitsorte sie erwartet wird, und die verbrauchten Reinigungsmittel selbstständig nachbestellen. Da schafft der Deutschkurs die Grundlagen, um im Job zu bestehen. Und im Leben.
Biljana Zec erzählt von einem jungen Mann, der einen Alphabetisierungskurs begann. „Als er sich anmeldete, guckte er schüchtern auf den Boden und reichte mir nur sein Handy, über das ich mit dem Bruder sprechen sollte.“ Wenn sie dem Mann heute im Unterrichtsgebäude begegne, grüße er und schaue sie dabei an. Der Spracherwerb hätte ihm auch Selbstbewusstsein vermittelt.
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