piwik no script img

Frankfurter Prozess gegen Gruppe ReußReichsbürger ohne Reue

Im Terrorprozess gegen die Gruppe um Prinz Reuß in Frankfurt will die Verteidigung Freisprüche erreichen – ist aber schon jetzt teils zerstritten.

Der Prinz und sein Anwalt Hans-Otto Sieg (re.) Foto: Helmut Fricke/dpa

Frankfurt am Main taz | Noch hat sich im Prozess gegen die Führungsriege der mutmaßlichen „Reichsbürger“-Verschwörung um Heinrich XIII. Prinz Reuß keiner der neun Angeklagten zu den Vorwürfen geäußert. Doch bereits nach dem zweiten Verhandlungstag vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt ist klar: Mit reuevollen Geständnissen dürfte eher nicht zu rechnen sein.

„Mein Mandant steht auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Rechtsordnung“, sagte Rechtsanwalt Roman von Alvensleben, einer von vier Verteidigern des als Rädelsführer angeklagten Prinz Reuß, am Donnerstag. Nie habe der Frankfurter Immobilienunternehmer Gewalttaten gegen den Staat geplant. Von „Märchen“ sprach der Anwalt.

Prinz Reuß, seinen acht Mit­angeklagten sowie 18 weiteren Männern und Frauen, denen in Stuttgart und München der Prozess gemacht wird, wirft die Bundesanwaltschaft die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Hochverrat vor. Die „Patriotische Union“ soll einen bewaffneten Angriff auf den Bundestag geplant haben. Der Aufbau von 286 „Heimatschutzkompanien“ hatte laut Anklage schon begonnen.

Ideologischer Antrieb soll dabei auch der Glaube an die antisemitische QAnon-Verschwörungserzählung gewesen sein: dass pädophile Eliten in unterirdischen Tunneln Kinder missbrauchen. Und dass jedoch schon bald ein mächtiger internationaler Geheimbund, die „Allianz“, einmarschieren und die Kinder befreien werde.

Uneinigkeit unter den Verteidigern

Reuß-Verteidiger Hans-Otto Sieg nahm dieses Hoffen auf die „Allianz“ nun zum Anlass, die Entlassung seines Mandanten aus der Untersuchungshaft zu fordern. Die „Patriotische Union“ habe erst mit dem Einmarsch dieser Geheimarmee aktiv werden wollen, erklärte Sieg: „Da es die ‚Allianz‘ nie gab, war von Anfang an objektiv klar, dass es zu einem Umsturz nie kommen würde.“

Dass es sich bei QAnon um herbeihalluzinierten Irrsinn handelt, ist unter den Ver­tei­di­ge­r*in­nen indes nicht unumstritten. Am Ende des ersten Verhandlungstags hatte Martin Schwab, Juraprofessor aus Bielefeld und Verteidiger seiner Parteifreundin Johanna Findeisen-Juskowiak aus der Co­ro­na­leugner*innen-Partei „Die Basis“, der Bundesanwaltschaft einseitige Ermittlungen vorgeworfen – weil sie nicht nach den Tunneln mit den gequälten Kindern gesucht habe. Man dürfe, erregte sich der Hochschullehrer, das nicht einfach als Verschwörungserzählung abtun.

Es ist nicht die einzige Uneinigkeit. Bei Vitalia B., der Lebensgefährtin von Prinz Reuß, haben sich Pflichtverteidigerinnen und Wahlverteidiger schon so zerstritten, dass sie offenbar nicht einmal mehr mit­ein­an­der reden. Wahlverteidiger Thomas Nirk nutzte sogar sein Eröffnungsstatement für Angriffe auf seine Kolleginnen. Seiner programmatischen Ansage aber widersprachen auch sie nicht: „Die Verteidigung ist angetreten, die Unschuld der Mandantin zu beweisen.“

Andreas Wölfel schließlich – ein rechtsextremer Szeneanwalt, der den ehemaligen KSK-Soldaten Peter Wörner vertritt – kritisierte das angeblich unverhältnismäßige Vorgehen der Justiz, inklusive Verschwörungsgeraune: „Es besteht der Verdacht, dass das Strafverfahren auf dem Rücken der Angeklagten missbraucht wird, um von anderweitigem Versagen abzulenken.“

Mehrere Angeklagte, darunter Prinz Reuß und die ehemalige AfD-Bundes­tags­ab­ge­ordnete Birgit Malsack-­Win­ke­mann, wollen sich auch noch per­sönlich einlassen. Wann sie das tun werden, ist allerdings offen. Weil zu den ohnehin bereits mehr als 800 Ordnern mit Akten gerade sechs weitere hinzukamen, beantragten die Ver­tei­di­ge­r*in­nen die Aussetzung des Verfahrens – oder zumindest eine längere Unterbrechung. Bis zur kommenden Woche muss das Gericht darüber entscheiden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Muss man sich wirklich "inhaltlich" mit diesem Schwachsinn auseinandersetzen?

    Eigentlich sollten (zumindest für den "harten Kern" dieser geistig verschatteten Truppe) doch ein paar psychatrische Gutachten reichen, auf deren Grundlage man dann rational(!) entscheiden kann, in welcher Form "betreuten Wohnens" die zukünftig besser aufgehoben sind, um sie vor sich selbst und uns vor ihnen zu schützen.

    • @Al Dente:

      Ja, finde ich auch. Vielleicht kann Ihnen auch die Deutsche Staatsbürgerschaft entziehen, die es für sie ja ohnehin nicht gibt. Dann ab in ein sicheres Drittland. Russland vielleicht? Oder wem es da zu kalt ist, ins Erdogan-Kalifat?

    • @Al Dente:

      Nazis brauchen keine Gutachten. Sie brauchen Konsequenz

  • Wenn ein Strafverteidiger der Bundesanwaltschaft einseitige Ermittlungen vorwirft da sie nicht nach den gequälten Kindern in den Tunneln gesucht hat, hat er entweder sein Pulver schon am Anfang des Prozesses verschossen oder er will das Gericht zum Narren halten. So oder so, die "Spinner mit Handgranaten" wären in der geschlossenen Psychiatrie eh besser aufgehoben als im Gefängnis.

  • Manchmal frage ich mich, ob wir uns nicht einfach zu viel Mühe und Zeit mit solch verstrahlten Idioten machen. Wenn der eine meint er wäre Kaiser oder der Ex-BW Wirrkopf der an unterirdische Verliesse glaubt, gehören die, so lange sie der Meinung sind sie könnten ihre Vorstellungen hier gewaltsam unsetzen, doch eher in die geschlossene Psychatrie. Da kann er von Fachpersonal betreut werden und wenns besser wird kommen sie raus. Es könnte allerdings zu Konflikten zwischen den verschiedenen Kaisern, Königen und Führern kommen.

  • Was für bösartige Haltungen und hirnverkalkte Ansichten es offenbar dort auf der extremen Rechten gibt, hätte niemand zu erfinden gewagt.



    Etwas höflicher ausgedrückt: Ausreichende Aufklärung tut offensichtlich Not. Und angemessene Strafen für diese gefährlichen Farceure wohl auch.

  • 6G
    608196 (Profil gelöscht)

    Q-Anon, ein Mittzwanziger Arbeitsloser, der im Mittelwesten der USA im Keller sitzt und Rechten ihre Trigger per Twitter/ X liefert.



    Nun nicht nur auslösendes Element für den Sturmnauf das Capitol, sondern auch für einen geplanten Putsch Rechts-Nationaler Verschwörer aus dem sogenannten gutbürgerlichen Milieu in der Bundesrepublik Deutschland.



    Crazy shit...ehrlich.



    Gibt es eventuel Aliens, die Nachts in Schlafzimmer einbrechen und Gehirn fressen, ohne dass das Essen das merkt?

  • Man muss sich vor Augen führen, dass sich die Reuß-Bande aus Leuten rekrutiert, die ihre Sozialisation und berufliche Entwicklung in einer Bundesrepublik mit guter Verfassung, einem guten öffentlichen Bildungssystem, freien Medien, freier Ökonomie usw. durchlaufen haben. Daher ist es haarsträubend und unentschuldbar, was für einen unerträglichen Schwachsinn diese alten Typen sich über die Welt zusammengesponnen haben. Schlicht unfassbar. Ich erinnere mich noch mit Grausen an eine Zeit in Bonn noch vor! der Erfindung des Internets, als ein unterbelichteter Hausmeister meines damaligen Arbeitgebers ungefragt genau diesen gequirlten Hirnmüll wie die Reichsnazis um Reuß von sich gab: Wie konnte es passieren, dass bei Leuten mit Bildungshintergrund und Beamtenapanage so ein Schwachsinn ebenfalls "geglaubt" wird? Es macht sprachlos.

    • @denkmalmeckermalmensch:

      Bekloppte gibt es in jeder Altersgruppe und in jedem Land. Social Media sei dank können sie sich leichter finden, gegenseitig anfeuern und vernetzen.



      Und sie bekommen ein riesiges Medienecho, was die bestimmt auch ganz toll finden.

    • @denkmalmeckermalmensch:

      Das ist das Problem, früher haben der Dorfdepp und der unterbelichtete Hausmeister ihren Blödsinn vor sich hingebrabbelt, heute vernetzen sie sich über "soziale Medien".



      Formale Bildung schützt ja leider auch nicht vor Dumm- und Blödheit.

      • @Axel Schäfer:

        Sie haben so recht. Danke.