Andreas Speit Der rechte Rand: Wie radikal der EU-Kandidat der Hamburger AfD ist
Der Europa-Wahlkampf läuft für die AfD nicht nach Plan. Der erwartete Durchmarsch ist gebremst. Die Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron möchten die Bundesspitzen Alice Weidel und Tino Chruppala kaum im Wahlkampf auftreten lassen, stehen die beiden Herren von der Partei mit dem Slogan „Mut zur Wahrheit“ doch im Verdacht, Geld aus Russland erhalten zu haben. Krah soll zudem ein zu enges Verhältnis zu China pflegen.
Solche Vorhaltungen werden dem Hamburger Kandidaten zur Europawahl nicht gemacht. Doch Michael Schumann, Listenplatz 24, ist tief in der rechtsextremen Szene etabliert, hier sozialisiert und ideologisiert worden.Das hielt die AfD-Bürgerschaftsfraktion nicht davon ab, ihn anzustellen.
Bei seiner Bewerbungsrede auf dem AfD-Bundesparteitag in Magdeburg im vergangenen Jahr schien die Argumentation der rechtsextremen Identitären Bewegung (IB) durch. Schumann sagte, er sei Teil der „letzten Generation (…) junger Europäer“, die sich nicht gefallen lassen wollen, eine „Minderheit im eigenen Land“ zu werden. Da klingt die Behauptung der IB von einem geplanten „großen Austausch“ der autochthonen Bevölkerung durch „fremde Völker“ an. Schumann meinte, die „Ersetzungsmigration“ sei „keine Verschwörungstheorie“. Er hetzte, Einwanderung bedeute: kein Wochenende ohne „Messerstecherei, Schießerei und Vergewaltigung“. Airbus solle endlich „Pläne für die Remigrationsflotte“ vorlegen. Bei der Deportation sollte man sich auf das „blutige Erbe von Karl Martell“ und die „Märtyrer der spanischen Reconquista“ berufen, so Schumann.
2012 war die IB aus Frankreich europaweit bekannt geworden, als sie in Poitier mit der Besetzung einer Moschee gegen die vermeintliche Islamisierung protestierten – verbunden mit der Erinnerung an den dortigen Sieg Martells über Araber und Berber in der Schlacht von 732. Die IB bezieht sich stets auf die „Reconquista“, der Rückeroberung der iberischen Halbinsel durch die Christen. Von 722 bis 1492 vertreiben sie „die Mauren“, die mit einer Vertreibung „der Juden“ einherging. Schumanns Wortwahl könnte darauf anspielen, dass nicht alleine die Rückführung von migrantischen Menschen nötig sei, um die „europäische Völkerfamilie, das deutsche Volk“ zu schützen.
Der Europakandidat ist Mitglied des AfD-Jugendverbandes Junge Alternative, die das Bundesamt für Verfassungsschutz als „rechtsextremistisch“ einstuft. Schumann besuchte zudem Veranstaltungen des Instituts für Staatspolitik und der Hamburger Burschenschaft Germania, die der Verfassungsschutz ebenfalls als rechtsextremistisch einstuft. Der Fraktionsmitarbeiter habe seine Kontakte auf seinem inzwischen gelöschten Instagram-Kanal selbst öffentlich gemacht, sagt Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen Rechts.
In der Partei erfährt Schumann starke Rückendeckung: „Mit ihm haben wir einen AfD-Politiker der neuen Generation, der anpacken will für unsere Heimat und ein Europa der Vaterländer“, sagt der Hamburger Fraktionschef Dirk Nockemann.
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