piwik no script img

Drogeriekönig bangt um MillionenAlles Müller-Erben, oder was?

Drei Adoptivkinder des Drogerie-Unternehmers Erwin Müller klagen auf ein 500-Millionen-Euro-Erbe. Doch es geht auch um verletzte Gefühle.

Erwin Müller bei der Verleihung des Deutschen Parfümpreises vergangenen November in Düsseldorf Foto: Revierfoto/imago

KARLSRUHE taz | Wenn Kinder gegen ihre Eltern vor Gericht ziehen, geht es meist auch um verletzte Gefühle. Bei dem Zivilprozess, der am Montag in Ulm begonnen hat, geht es allem Anschein nach allein ums Geschäft.

Erwin Müller, 91, Gründer der gleichnamigen Drogeriemarktkette, soll einem Brüderpaar sowie der Ehefrau des einen die Adoption angeboten haben, nachdem er sie bei einer Jagd kennengelernt und mit ihnen gemeinsam Urlaub gemacht hatte. Einzige Bedingung: Sie müssten beim Erbe auf ihren Pflichtteil verzichten. Dafür habe ihr neuer Adoptiv-Vater ihnen großzügige Schenkungen in Aussicht gestellt, behaupten sie. „Geld spiele keine Rolle“, soll der Milliardär Müller erklärt haben. Das ist nun zehn Jahre her.

Heute spielt Geld doch eine Rolle. Die Schenkungen seien ausgeblieben, sagen die Adoptierten. Nun fordern sie den Pflichterbteil, es soll um 500 Millionen Euro gehen. Eine solche Zahlung gefährde das Unternehmen, behauptet Müllers Frau Anita, die ihren Mann vor Gericht vertritt. Ein Urteil ist noch nicht gefallen.

Erwin Müller gehört zu einer Generation von Gründern, die von der Aufhebung der Preisbindung für Drogerieartikel in den 70er Jahren profitierten. Wie DM-Gründer Götz Werner, Dirk Roßmann und der inzwischen gescheiterte und verurteilte Anton Schlecker machte der gelernte Friseur mit Drogeriemärkten Millionen. Unter den Großen blieb Müller mit europaweit 35.000 Beschäftigten und 900 Filialen (DM hat über 2.000 Filialen) ein Kleiner. Trotzdem belegte er im Jahr 2022 in der Liste der weltweit reichsten Menschen der Welt immerhin Platz 1.341. Sein Vermögen wurde damals auf 2,7 Milliarden Euro geschätzt.

Erste Schlagzeilen machte Müller 1968 im sogenannten Figaro-Streit von Ulm, als sich der junge Unternehmer gegen die starren Regeln seiner Friseurzunft wehrte und seine Salons auch montags öffnete. 1973 eröffnete er nach amerikanischem Vorbild fast zeitgleich mit der Konkurrenz von DM seinen ersten Drogeriemarkt in Ulm.

Müller ist in seinem Konzern seit jeher Alleinherrscher – mit gelegentlich robusten Methoden. Vor der Firmenzentrale lässt er für seine Mitarbeiter mal eben für 26.000 Euro eine Fußgängerampel aufstellen, weil die Stadt ihm dafür zu lange braucht, verschenkt Schokolade und Geld an die Belegschaft. Die Gründung von Betriebsräten versucht er jedoch zu verhindern.

Nachfolger seit 27 Jahren gesucht

Müller blieb über all die Jahre in der Öffentlichkeit fast ein Phantom. Er gibt selten Interviews und ist kaum in der Öffentlichkeit zu sehen. Die wenigen Fotos, die es von ihm gibt, zeigen einen alten Herren mit Glatze und buschigen Augenbrauen. Stets ist er braungebrannt im Anzug und trägt farbenfrohe Krawatten. Er pflegt anders als seine Konkurrenten einen glamourösen Lebensstil. Müller war deutscher Meister im Segelfliegen, besaß Golfclubs, Yachten und eine Straußenfarm.

Für einen, dem alles zu gelingen scheint, hat der Patriarch ein bemerkenswert schlechtes Händchen für die Nachfolgeregelung. Sie misslingt seit Jahrzehnten. Mit 65 werde er aufhören, hatte er angekündigt. Das wäre 1997 gewesen. Seitdem verließen immer wieder potenzielle Nachfolger und Weggefährten aus der Führungsriege den Konzern oder wurden von Müller entlassen.

Sein Sohn Reinhard, heute über 60, verließ 2006 das Unternehmen im Streit. Die Nachfolgefrage ist nach Darstellung der Kläger auch der Hintergrund für den Erbschaftsstreit. Müller habe sie nur adoptiert, um seinen leiblichen Sohn von der Nachfolge fernzuhalten. Sie fühlten sich von Müller ausgenutzt. Letztlich geht es dann doch wieder um verletzte Gefühle.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen