Kongos Kirchenführer Fridolin Ambongo: Erzbischof im Visier der Justiz
Kongos Justiz soll gegen den Erzbischof von Kinshasa ermitteln. Es geht um „Aufwiegelung der Bevölkerung“ und „Demotivierung der Streitkräfte“.
Der kongolesische Generalstaatsanwalt nimmt kein Blatt vor den Mund. „Seit einiger Zeit ist im Verhalten von Hochwürden Fridolin Ambongo eine Beständigkeit aufrührerischer Äußerungen zu beobachten“, schimpft Firmin Mvonde in seiner schriftlichen Weisung vom Samstag an die zuständige Anklagebehörde der Demokratischen Republik Kongo.
Es herrsche Krieg, aber der Erzbischof von Kinshasa habe „Spaß an falschen Gerüchten und an Aufwiegelung der Bevölkerung zur Revolte“. Seine Äußerungen seien „geeignet, die Angehörigen der an der Front kämpfenden Streitkräfte zu demotivieren“. Wegen „Vergehen gegen das Vaterland, sein Volk und seine Führer“ seien Ermittlungen einzuleiten – alles andere sei Komplizenschaft.
Die Breitseite sorgt für Aufsehen. Fridolin Ambongo ist als Erzbischof von Kinshasa höchster Würdenträger der katholischen Kirche der DR Kongo, die größte Afrikas. Der 64-Jährige ist auch Kardinal und einziges afrikanisches Mitglied des neunköpfigen Kardinalrates, des höchsten Beratergremiums des Papstes. Jetzt werfen ihm Kongos Justizbehörden Landesverrat vor, worauf die Todesstrafe steht.
Die katholische Kirche gilt als führende moralische Instanz der DR Kongo und übt immer wieder scharfe Kritik an Machtmissbrauch, Willkür, Korruption und Wahlfälschung. Als Kongos Regierung etwa im März das geltende Moratorium auf die Vollstreckung der Todesstrafe aufhob, unter anderem zur Bestrafung von „Landesverrat“, hatte Erzbischof Ambongo das öffentlich scharf kritisiert: „Wir müssten uns erst mal darüber verständigen, was der Begriff ‚Verräter‘ bedeutet. Wenn ich unsere Realität im Kongo nehme, sind die großen Verräter diejenigen, die an der Macht sind.“ Das kam bei den Mächtigen gar nicht gut an.
Später sprach der Erzbischof von „völligem Chaos“ in Kongos Armee und geißelte von der Regierung aufgestellte „patriotische“ Jugendmilizen im Osten des Landes: „Diese bewaffneten Gruppen werden schließlich zu einer Gefahr für die Bevölkerung werden, indem sie die Bürger ausplündern, Raubüberfälle und Morde begehen und in den illegalen Handel mit Mineralien einsteigen.“ Er hatte zudem gefordert, dass man herausfinden müsse, wieso Kongolesen sich diesen Rebellengruppen anschließen.
Solche Äußerungen führen Kongolesen meist direkt hinter Gitter. Der geachtete Kirchenführer wurde zunächst lediglich mit einem Entzug seiner Zutrittsberechtigung zum VIP-Salon des Flughafens von Kinshasa bestraft. Generalstaatsanwalt Mvonde reicht das nun offensichtlich nicht mehr.
So alt wie sein gebeuteltes Land
Der 1960 geborene Fridolin Ambongo – er ist so alt wie sein Land, das seit der Unabhängigkeit 1960 von Gewaltherrschaft und Krieg geplagt ist – hat seine gesamte Laufbahn in seiner Heimat absolviert, von der ersten Priesterstelle in der Kleinstadt Bobito über eine Professur für Moraltheologie bis zum Kardinalsposten, den er nach dem Tod seines illustren kongolesischen Vorgängers Laurent Monsengwo 2018 bekam.
Damals dachte man, Ambongo wäre ein stiller Nachfolger für den streitbaren Monsengwo, der sich unverblümt in die Politik eingebracht hatte. Nun wird Ambongo verfolgt in einer Art, wie es sich Kongos Staat mit Monsengwo nie getraut hätte. Friedensnobelpreisträger Denis Mukwege spricht vom „diktatorischen Abdriften eines unfähigen Regimes“.
Derzeit ist Kongos Präsident Felix Tshisekedi in Europa unterwegs. Am Sonntagabend wurde er in Berlin von Olaf Scholz empfangen, am Montag in Paris mit militärischen Ehren begrüßt. Ob die Causa Amongo bei den Treffen zur Sprache kam, ist nicht bekannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Merz stellt Reform in Aussicht
Zarte Bewegung bei der Schuldenbremse
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“