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Debatte über Pränataltests im BundestagFortschritt oder „Selektion“?

Seit 2022 ist der Test auf mögliche Trisomien für Schwangere Kassenleistung. Bundestagsabgeordnete wollen das nun überprüfen lassen.

Eine medizinisch-technische Assistentin mit der Blutprobe einer schwangeren Frau Foto: Patrick Seeger/dpa/picture alliance

Berlin taz | Am Mittwoch debattiert der Bundestag über Regeln für den Einsatz von Pränataltests. Der Antrag wurde von einer überparteilichen Gruppe eingebracht, in der Abgeordnete aller Parteien außer der AfD vertreten sind. Initiiert wurde er unter anderem von Corinna Rüffer (Grüne) und Hubert Hüppe (CDU). Die Abgeordneten wollen die letzten zwei Jahre seit Einführung des nichtinvasiven Pränataltests (NIPT) als Kassenleistung überprüfen lassen. Außerdem soll eine Ex­per­t:in­nen­kom­mis­si­on eingesetzt werden, die den Bundestag berät, um den Einsatz von Pränataltests besser zu regeln.

NIPT können in einem frühen Stadium der Schwangerschaft durch eine einfache Blutentnahme Hinweise auf eine genetische Anomalie des Fötus geben. Die Bekannteste ist Trisomie 21, auch bekannt als Downsyndrom. Allerdings gibt es auch andere genetische Fehlbildungen wie Trisomie 13 und 18, die zu deutlich schwereren Beeinträchtigungen führen. Seit 2022 werden die Kosten eines NIPT von der Krankenkasse übernommen. Seitdem ist die Zahl der Schwangeren, die den Test durchführen lassen, deutlich gestiegen.

„NIPT als Kassenleistung ist ein humanitärer Rückschritt“, sagte der Abgeordnete Hubert Hüppe der taz. Der Test wirke der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen entgegen und führe zu mehr Abtreibungen ungeborener Kinder mit Behinderungen. „Der Test dient nicht der Therapie, sondern der Selektion“, so Hüppe. Der Status als Kassenleistung verleihe NIPT ein besseres Image. Frauen, die ihn ablehnten, gerieten aber unter weiteren Rechtfertigungsdruck, so Hüppe.

Die An­trag­stel­le­r:in­nen behaupten einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von NIPT und der gestiegenen Anzahl von Spätabbrüchen. Statistische Belege gibt es dafür keine. Die Spätabbrüche sind in Deutschland im gesamten Zeitraum 2012 bis 2022 kontinuierlich angestiegen, also auch, bevor der NIPT kostenlos wurde.

Keine klaren Richtlinien

Der Test wird auch deswegen häufiger durchgeführt, weil unklar geregelt ist, wann er eingesetzt werden sollte. Als der NIPT 2022 Kassenleistung wurde, hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) dafür keine klaren Richtlinien festgelegt. Medizinische Studien haben ergeben, dass ein NIPT für jüngere Schwangere nicht allgemein sinnvoll ist, weil es dann eine höhere Chance gibt, dass der Test falsch positiv ist.

Die fehlende Festlegung lässt einen großen Handlungsspielraum für Gynäkolog:innen. Um sich rechtlich abzusichern, führen viele den Test in Situationen durch, in denen er medizinisch nicht unbedingt notwendig ist. Auch aus Sicht der Schwangeren bleibt durch diese Regelung eine Unsicherheit.

Der Antrag der Abgeordneten kritisiert das und verweist auf eine Umfrage, nach der etwa 30 Prozent der Frauen die Informationen, die sie von den Krankenkassen über den Test bekommen, als klare Empfehlung zur Durchführung des Bluttests verstehen würden.

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8 Kommentare

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  • Nachtrag:

    Sollte das Ergebnis lauten, dass Pränatale Bluttests als kassenleistung unethisch sind entsteht folgende situation:

    Wenn du Geld hast bekommst du den nicht-invasiven test. Hast du kein Geld müssen wir ethisch korrekt den gleichen test INVASIV machen.

    Ein Hoch auf die metadiskussion!

  • Das problem:

    Es geht NUR darum, ob auch Menschen mit beschränktem Einkommen diesen Test machen können.



    Es geht schon wieder NICHT darum ob der test generell ok ist, sondern ob er als Kassenleistung ok ist.

    Also ist die eigentliche Frage die hier gestellt wird: dürfen alle oder doch nur die wo Geld haben.

    E



    Kel



    Haft

  • Die Entscheidung zu einer Abtreibung, egal aus welchem Grund, können nur die betroffene Frau und evtl. dazu der Vater treffen.

    Jegliche Einmischung von außen stellt einen nicht zu rechtfertigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dar.

  • Ehrlich gesagt verstehe ich nicht so ganz die dargelegten Zusammenhänge.

    Spätabbrüche sind rechtmäßig unter der Bedingung,es liegt eine mütterliche Indikation vor. Dies hat mit der Zahl der Abbrüche überhaupt nichts zu tun,sondern hängt ausschließlich von der konkreten Frau und ihrer gesundheitlichen und sozialen Lage ab.

    Eine geringere Inanspruchnahme zu fördern der Pränataldiagnostik,um die Lebensbedingungen der Menschen mit Behinderung zu verbessern erscheint ebenso zusammenhanglos.

  • „Der Test dient nicht der Therapie, sondern der Selektion“



    Das "S"-Wort verbuche ich an dieser Stelle unter unbewusst eingesetzt, denn die Mehrheit aller Ärztinnen und Ärzte hätte gewiss Einwände bei einem Begriff, der die Berüchtigsten in der Kollegenschaft einer Medizinerspezies kennzeichnete, die dadurch zu abscheulichen Handlangern des Teufels wurden, an Rampen und in Baracken.



    /



    www.mauthausen-mem...ord-an-den-Kranken

  • "Die fehlende Festlegung lässt einen großen Handlungsspielraum für Gynäkolog:innen. Um sich rechtlich abzusichern, führen viele den Test in Situationen durch, in denen er medizinisch nicht unbedingt notwendig ist."



    Der Test ist nie "medizinisch unbedingt notwendig", weil keine pränatale Therapieoption außer der Abtreibung (dem "Abort") zur Verfügung steht. Dieser ist jedoch bei keiner der nachgewiesenen Trisomien zur Erhaltung der Gesundheit der Mutter automatisch erforderlich. Der Test ist in der Regel dann sinnvoll, wenn Eltern/Mütter entschlossen sind, in einem positiven Falle einen Abort durchführen zu lassen, und wenn Risikofaktoren (z.B. Alter) den sogenannten "positiven prädiktiven Wert" (d.h., den Wert, der besagt, wie wahrscheinlich ein positives Testergebnis zutreffend ist) hoch genug drücken, dass der Test aussagekräftig ist. Die Frage nach der Kassenzahlung ist also nicht primär eine medizinische, sondern eine ethische: Findet man es ethisch vertretbar, finanziell zu fördern, dass Eltern einen an einer Trisomie erkrankten Fötus abtreiben, einen nicht an einer Trisomie erkrankten (wichtig: nicht automatisch "gesunden"!) Fötus jedoch nicht?

    • @Agarack:

      Wenn wir nur über 21 reden würden, stimmte ich voll zu.



      Aber die anderen Trisomien sind derart heftig, dass Sie da die psychische Gesundheit der Familie nicht außer acht lassen dürfen. (Auch wenn die Familie sich gegen die Abtreibung entscheidet, ist es in diesen Fällen gut, sich vorbereiten zu können, denn Überlebenschancen über die ersten Monate hinaus haben die Kinder dann kaum.)



      Aber eine bessere Regelung, wie die Ärzte beraten müssen sollte auf jeden Fall her. Wird der Test einfach nur vorgeschlagen und über die Konsequenzen erst geredet, wenn das positive Ergebnis da ist, schadet er mehr als er nutzt.

    • @Agarack:

      Moment mal, es ist Quatsch (positiv formuliert) so zu tun als sei die Entscheidung wie man mit einem positiven Testergebnis umgeht im Grunde keine. Es gibt Eltern, die einfach gern vorher wüssten, was auf sie zu kommt genauso wie es welche gibt, die anhand eines Testergebnisses noch mal in sich gehen würden um zu prüfen, ob sie sich das zutrauen. Genau darum geht es ja, eine, zumindest auf die abgetesteten Anomalien hin informierte ethische Entscheidung zu treffen.