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Möglicher DopingskandalChina, China, China

Martin Krauss
Kommentar von Martin Krauss

Chinesische Schwimmer wurden positiv auf Doping getestet. Die Welt-Anti-Doping-Agentur sieht darin offenbar keinen Skandal. Ist es überhaupt einer?

Chinesischer Erfolg der SchwimmerInnen bei den Olympischen Sommerspielen 2021 in Tokio Foto: Charlie Riedel/ap

S orry für die konjunktive Einschränkung in der Dachzeile: Alles, was derzeit kolportiert wird, könnte richtig sein. Der Weltsport könnte kurz vor den Olympischen Spielen in Paris mit einem Dopingfall enormen Ausmaßes konfrontiert sein. 2021 wurden, wie jetzt dank ARD und New York Times bekannt wurde, 23 chinesische Spitzenschwimmer und -schwimmerinnen positiv getestet, alle auf Trimetazidin, ein verbotenes Herzmittel.

Die Erklärung der chinesischen Antidopingagentur Chinada ist nicht gerade überzeugend: Verunreinigung in einer Hotelküche. Monate später hätten Chinada-Ermittler in Gewürzcontainern, Abfluss und Dunstabzug Spuren von Trimetazidin gefunden.

Das ist merkwürdig, ja. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA jedoch sah damals keinen Grund, die Ergebnisse ihrer Kollegen anzuzweifeln. Von „niedrigen Konzentrationen“ und „schwankenden Werten“ ist die Rede. Dass die WADA selbst keine Experten entsandte – schließlich waren mindestens drei Weltklasseschwimmer und -schwimmerinnen betroffen -, erklärt sich mit der Situation Anfang 2021: Die Covidpandemie war gerade in China heftig, Reisen dorthin fanden nicht statt.

Die Fragezeichen werden größer

Was man sicher weiß, ist also: Es gab positive Proben. Was man nicht sicher weiß, ist: Weisen diese Proben vernachlässigenswerte Werte auf? Oder deuten sie auf ein großes Dopingprogramm hin, das der chinesische Staat gerade mit seinen Aktiven durchzieht? Vieles in der öffentlichen Diskussion bewegt sich auf dem Niveau eines Kurt-Georg Kiesinger, der 1969 argumentfrei ausrief: „Ich sage nur China, China, China.“ Dass „wir“ nämlich „den Chinesen“ so ziemlich alles Üble dieser Welt zutrauen sollten.

Schaut man sich aber den enormen Stellenwert an, den die Volksrepublik dem Sport beimisst – und berücksichtigt, dass die beabsichtigte politische Wirkung dann massiv leidet, wenn sie unter derartigem Betrugsverdacht stehen, wie er aktuell vorgetragen wird, werden die Fragezeichen nur noch größer: Warum sollte ein Land, das einen solch großen Talentepool hat, derart plump dopen, wie es unterstellt wird?

Ja, es könnte alles so gewesen sein. Aber wirkliches Wissen darüber haben wir nicht.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, freier Mitarbeiter des taz-Sports seit 1989
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2 Kommentare

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  • Gebt das Doping frei. Olympia wäre eine perfekte Plattform für einen Wettstreit der Pharmaindustrie und bald auch der Implantationsrobotik. Wer wirklich ehrlich Sport treiben will kann das ja wo anders.

  • Da dürfte es Parallelen zum DDR-Sport geben. Die Systeme sind sich sehr ähnlich.