Koalitionskrach in Sachsen: Die Union mag wohl nicht mehr

Nach dem Streit um das Cannabisgesetz schert die CDU erneut aus: Sie lässt die Verfassungsänderung platzen. Grüne und SPD reagieren gestresst.

Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, zeigt in der Staatskanzlei ein verziertes Osterei

Für den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) wird's bitter zu Ostern Foto: Robert Michael/dpa

BERLIN taz | In Sachsen ist eins der großen Regierungsprojekte gescheitert: die Verfassungsänderung. Am Dienstag erklärte die CDU erst im Koalitionsausschuss und dann öffentlich, dass mehrere Abgeordnete ihrer Fraktion die Reform nicht inhaltlich unterstützten und nicht für sie stimmen werden. Dabei stand dieses Vorhaben im Koalitionsvertrag.

Fünf Monate vor der Landtagswahl fällt es der konservativen Partei offenbar zunehmend schwerer, der Koalitionslinie mit Grünen und SPD zu folgen. Das vor allem von den Grünen vorangetriebene Agrarstrukturgesetz blockiert die Union. Beim aufgeschobenen Vergabegesetz klagt wiederum die SPD über mangelnde Unterstützung. Beide Parteien kritisieren mittlerweile: Die CDU sei nicht mehr verlässlich.

Mit der Reform wollten CDU, Grüne und SPD die Hürden für direktdemokratische Teilhabe senken, ein Bekenntnis zum geeinten Europa festschreiben sowie Klimaschutz als Staatsziel in der sächsischen Verfassung festlegen. Monatelang verhandelte die Koalition über Details, im Dezember 2023 reichten die Fraktionen den Gesetzentwurf ein. Auch die Fraktion der Linken hatte Unterstützung signalisiert. Mit deren Stimmen hätte es für die notwendige Zweidrittelmehrheit im Landtag gereicht.

Doch am Dienstag hat der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion, Sören Voigt, mitgeteilt: „durch den Austritt eines Mitglieds sowie die Ablehnung der Verfassungsänderung durch vier Abgeordnete ist eine notwendige Zweidrittelmehrheit im Plenum nicht mehr zu erreichen“. Dabei war ein Teil der Änderung auch ein Wahlversprechen Ministerpräsident Michael Kretschmers: Er wollte direkte Demokratie fördern.

Nur ein „Showeffekt“

Fehlt es unter den 44 Abgeordneten der CDU-Fraktion an Disziplin? Dazu wollte sich die Union auf taz-Anfrage nicht äußern. Voigt betonte allerdings, man respektiere „diese Gewissensentscheidungen der Abgeordneten!“

Ein anderes Beispiel dafür, dass die CDU mit der Koalitionslinie hadert, begründete Kretschmer mit seinem „Gewissen“. Am Freitag stimmte er im Bundesrat dafür, wegen des Gesetzes zur Cannabislegalisierung den Vermittlungsausschuss anzurufen – obwohl sich die Koalition darüber nicht einig war und für solche Fälle der Koalitionsvertrag eine Enthaltung vorschreibt. Die Vize-Ministerpräsidenten Martin Dulig (SPD) und Wolfram Günther (Grüne) widersprachen dem Votum noch in der Sitzung, wodurch Sachsens Stimmen ungültig wurden.

Der Koalitionskrach wurde so auf ganz großer Bühne ausgetragen. Günther bezichtigte Kretschmer danach, er habe den Koalitionsvertrag verletzt. Folgen hatte das aber bisher keine. Auch der Co-Vorsitzende der SPD in Sachsen, Henning Homann, kritisiert das Abstimmungsverhalten Kretschmers als bloßen „Showeffekt“, die ungültige Stimme der sächsischen Regierung hatte am Ende denselben Wert wie eine Enthaltung.

Viel mehr hat Michael Kretschmers mit seinem Alleingang offenbar das Gegenteil seines Ziels erreicht: Nachdem er öffentlich auf X (ehemals Twitter) angekündigt hatte, das Cannabis-Gesetz solle „niemals“ aus dem Vermittlungsausschuss herauskommen, landete das Thema noch einmal größer auf den Tisch und einte die Le­ga­li­sie­rungs­be­für­wor­te­r:in­nen.

Doch auch darüber hinaus, mit Blick auf den Koalitionsvertrag, sagt Homann: „Auf die sächsische Union ist kein Verlass. Sie brechen ihre eigenen Wahlversprechen auch gegenüber den Bürgern.“ Ähnlich kritisiert auch die sächsische grüne Co-Vorsitzende Marie Müser: „Die CDU hat immer das Bild geprägt, dass sie vertragstreu sei. Jetzt erleben wir aber, dass sie sich nicht mehr an Absprachen hält.“

Der Generalsekretär der sächsischen Union, Alexander Dierks, entgegnet der Kritik, dass die „Koalition aus der Mitte“ die gemeinsame Verantwortung bis zum Wahltermin am 1. September wahrnehmen werde. Welche Regierung danach folgt, ist bisher noch unklar.

In Umfragen liegt derzeit die AfD mit mehr als 30 Prozent vorne. Die CDU kommt mit etwa 30 Prozent auf Platz zwei, während SPD, Grüne und Linke nur knapp über der Fünfprozenthürde liegen. Abhängig davon, wie das Bündnis Sahra Wagenknecht abschneidet, werden die Verhandlungen schwer.

Es ist durchaus möglich, dass CDU, Grüne und SPD danach in irgendeiner Form wieder über eine Koalition sprechen. Bis dahin fordert die Grüne Marie Müser, dass die CDU sich wieder auf den Vertrag besinne und die „zentralen Projekte dieser Legislatur, wie das Agrarstrukturgesetz“ umsetze. Henning Homann sagt: „Die CDU wird sich Vertrauen neu erwerben müssen.“

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