: Der lange Streit um die Krim
Die Krim gehört „von nun an und für alle Zeiten unter das Russländische Imperium“ – mit diesem Befehl der Kaiserin verleibte sich Russland 1783 die Krim ein. Katharina II. hatte das Krim-Khanat einfach aufgelöst. Der Staat, den die Krimtataren 1441 gegründet hatten und der von der Donau bis zum Kaukasusvorland reichte, war lange Zeit Gegenspieler von Moskau gewesen. Weil Russland im 18. Jahrhundert die Oberhand gewinnt, sucht das Khanat Schutz beim Osmanischen Reich. Trotzdem wird das Khanat annektiert. Viele Krimtataren fliehen nach Kleinasien. Bis 1903 verlassen mehr als die Hälfte ihre Heimat.
In den Wirren der „Oktoberrevolution“ wird November 1917 auf Initiative der Krimtataren die Volksrepublik Krim gegründet. Der Staat scheitert. Am 18. Oktober 1921 lässt Lenin die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik Krim ausrufen.
Nach dem Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 versuchen deutsche Truppen, die Krim zu erobern. Das gelingt erst am 4. Juli 1942 mit der Einnahme von Sewastopol. „Ostminister“ Alfred Rosenberg will ein „Goten-Gau“ errichten und Bauern aus Südtirol ansiedeln.
Im März 1944 beginnt die Rote Armee mit der Rückeroberung. Am 18. Mai 1944 lässt Stalin alle Krimtataren wegen angeblicher Kollaboration nach Mittelasien deportieren. Dabei sterben über 40 Prozent der 190.000 Krimtataren. Die Krim wird mit Russen, Ukrainern und Weißrussen besiedelt. Krimtatarische Ortsnamen werden ausgelöscht, die Sowjetrepublik Krim aufgelöst.
1954 überlässt die Führung der KPdSU unter Nikita Chruschtschow die Krim der Teilrepublik Ukraine als „Geschenk“. Der Massentourismus beginnt, gleichzeitig wird die Krim zum Militärstützpunkt ausgebaut.
1967 werden die Krimtataren rehabilitiert. Rückkehrrecht erhalten sie erst 1989 unter Michail Gorbatschow. Mit dem Ende der Sowjetunion 1991 gehört die Krim zur unabhängigen Ukraine. Die russische Mehrheit (ca. 60 Prozent) fremdelt mit dem Nachfolgestaat. Die Frage nach der Aufteilung der Schwarzmeerflotte ist bis 1997 unklar. Dann erhält Moskau 80 Prozent der Schiffe, Kiew 20 Prozent. Ein Pachtvertrag wird unterzeichnet. Als der ukrainische Präsident Janukowitsch nach Demonstrationen auf dem Maidan in Kyjiw im Februar 2014 nach Russland flieht, stimmt das Krimparlament, zu dem nur noch willfährige Abgeordnete Zugang haben, in Anwesenheit bewaffneter russischer Soldaten im Parlamentsgebäude am 28. Februar 2014 für ein Referendum, für das es in der ukrainischen Verfassung keine Grundlage gibt.
Unter Beobachtung „grüner Männchen“, russischer Einheiten ohne Hoheitsabzeichen, sollen am 16. März 95 Prozent für einen Anschluss an Russland votiert haben. An der Wahlbeteiligung und an dem Ergebnis gibt es massive Zweifel. Die Krimtataren bleiben der Abstimmung fern. Am 18. März 2014 besiegelt Putin den Beitritt zu Russland.
Thomas Gerlach
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen