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AfD klagt auf NamensnennungVornamen vor dem Staatsgerichtshof

Die AfD will Vornamen der Silvester-Randalierer 2022 wissen. Niedersachsens Staatsgerichtshof verhandelte die Klage des Abgeordneten Stephan Bothe.

In der Schusslinie: Niedersächsische Polizisten Silvester 2022 Foto: Julius-Christian Schreiner/dpa

Bückeburg taz | Muss die niedersächsische Landesregierung der AfD Vornamen von Tatverdächtigen nennen, die in der Silvesternacht 2022/2023 auffällig geworden sind? Das ist die Frage, mit der sich der Staatsgerichtshof in Bückeburg am Montag auseinanderzusetzen hatte. Genauer: Ob die Informationsrechte des AfD-Abgeordneten Stephan Bothe verletzt wurden, als sich das Innenministerium weigerte, diese Information herauszurücken.

Die Landesregierung argumentiert damit, dass hier schutzwürdige Interessen Dritter berührt werden: Immerhin kursierten nach den Silvesterkrawallen bereits so einige Informationen und Berichte – in sozialen Medien, in traditionellen Medien, aber auch im Parlament. Eine kleine Anfrage der CDU-Abgeordneten Saskia Buschmann hatte man ja durchaus beantwortet.

34 Angriffe an 22 Orten sind darin verzeichnet, 18 verletzte Einsatzkräfte, 35 Tatverdächtige samt ihrer Staatsangehörigkeit. 19 dieser Tatverdächtigen verfügten allerdings über die deutsche Staatsangehörigkeit – und von denen wollte Bothe nun in einer ergänzenden Anfrage die Vornamen wissen.

Zu riskant findet die Landesregierung, vertreten durch Staatssekretär Stephan Manke (SPD), immer noch. Die Persönlichkeitsrechte, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die Unschuldsvermutung – all das wiege schwerer als das Auskunftsinteresse des Abgeordneten.

Vor allem in der Zusammenschau mit den anderen Informationen sei die Gefahr groß, dass einzelne Tatverdächtige identifizierbar würden oder Unschuldige, die zufällig den gleichen Vornamen trügen, unter die Räder gerieten.

Vor Gericht geht es nicht um die politische Bewertung

Auch von einer vertraulichen Unterrichtung hatte man abgesehen: Die sei ja schon deshalb nicht geeignet, weil der Abgeordnete Bothe die Information für die politische Debatte begehre, sagte Manke. Mit anderen Worten: Wenn er die Namen nicht öffentlich verwerten könne, könne er auch nichts damit anfangen.

Diese Deutung weist der AfD-Anwalt Sören Hauptstein allerdings zurück: Das politische Handeln eines Abgeordneten derart zu bewerten, stünde der Landesregierung nicht zu. Immerhin hätte Bothe ja möglicherweise auch Präventionsmaßnahmen, Sozialarbeit oder Ähnliches aus den Erkenntnissen ableiten können. Die Vornamen sollten eine genauere „Milieu-Zuordnung“ ermöglichen.

Wie genau das aussehen könnte, Sozialarbeit nach Vornamen, blieb allerdings unklar. Überhaupt hält der AfD-Anwalt die Identifizierungsgefahr für viel geringer als die Landesregierung und beharrt weiter darauf, man könnte die Auskunft ja wenigstens vertraulich erteilen.

AfD fragt immer wieder

Man habe hier nicht über die Gründe für das Auskunftsbegehren oder die politische Bewertung zu entscheiden, betonte der Präsident des niedersächsischen Staatsgerichtshof, Wilhelm Mestwerdt – wohl auch mit Blick auf die Schulklasse, die hinten im Gerichtssaal saß. Es gehe allein darum, ob die rechtliche Abwägung und die Pro­gnose der Landesregierung zum Zeitpunkt der Entscheidung korrekt gewesen sei.

Ähnliche Anfragen stellt die AfD immer wieder – und in anderen Bundesländern wird das durchaus unterschiedlich gehandhabt: In manchen Fällen sind Vornamen mitgeteilt worden – in NRW zum Beispiel, wo es allerdings um Messerangriffe ging, mit sehr viel mehr Tatverdächtigen, einen längeren Zeitraum und ohne Ortsnamen.

In Berlin war eine entsprechende Auskunft zu Silvester im vergangenen Jahr vom Senat ebenfalls verweigert worden – da lehnte das Verfassungsgericht allerdings auch gleich die Zulassung einer AfD-Klage rundheraus ab. In Bückeburg macht man sich das nicht so einfach, ein Urteil wird es am 2. Mai geben.

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6 Kommentare

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  • Wir haben in unserer Demokratie zum Glück einen gesetzlichen Schutz der Persönlichkeit, was wäre wenn die damaligen Täter, AfD Wähler, Burschenschaftenmitglieder, Identitäre oder gar Reichsbürger wären.



    Zuzutrauen wäre es diesen üblen Zeitgenossen.

  • Häufig wird die Frage nach den Vornamen als "Rassismus" abgetan. Das sehe ich anders. Die Vornamen spiegeln mehr als die Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder einer Staatsbürgerschaft: sie spiegeln die Sozialisation einer Person. Das, was Eltern einem Kind ideologisch und kulturell mitgeben, welches kulturell-soziale Umfeld sie einem Kind bieten.



    "Milieu-Zuordnung" trifft es schon ganz gut, finde ich. Und natürlich ist diese Information für politische Arbeit hilfreich - man kann daraus Ausgrenzung, Stigmatisierung und ggf. Forderungen nach "Remigration" begründen, aber auch vermehrte Förderung, Integrationsangebote oder milieuangepasste Sozialarbeit.

    • @Jonas Amazonas:

      Ich heiße Dominik. Wie bin ich sozialisiert worden? Jetzt bin ich aber mal gespannt.

    • @Jonas Amazonas:

      Zitat: "Häufig wird die Frage nach den Vornamen als "Rassismus" abgetan. Das sehe ich anders. Die Vornamen spiegeln mehr als die Zugehörigkeit zu einer Ethnie oder einer Staatsbürgerschaft: sie spiegeln die Sozialisation einer Person. Das, was Eltern einem Kind ideologisch und kulturell mitgeben, welches kulturell-soziale Umfeld sie einem Kind bieten."



      Das was sie da schreiben ist Rassismus in Reinformat, sie merken es nur scheinbar nicht....

    • @Jonas Amazonas:

      "Und natürlich ist diese Information für politische Arbeit hilfreich - man kann daraus Ausgrenzung, Stigmatisierung und ggf. Forderungen nach "Remigration" begründen, aber auch vermehrte Förderung, Integrationsangebote oder milieuangepasste Sozialarbeit."

      Ich würde echt nicht so viel Wert auf eine einmalige Entscheidung legen, die die Eltern im Überschwang der Freude über die Geburt eines Kindes und unter dem Eindruck der damaligen Mode getroffen haben.

      Meine Eltern haben mit einen "germanischen" Vornamen gegeben, weil das damals grad hip war. Der Effekt auf mein Leben? Vernachlässigbar, außer dass ich es anderen Leuten ständig buchstabieren muss, weil keine Sau mehr weiß, wie man so einen antiquierten Kram schreibt, und das nervt.

      Ich würde behaupten, dass es sehr viel mehr über die von Ihnen aufgezählten Fragestellungen aussagt, wenn man weiß, wer Träger der Kita war, die das jeweilige Kind besucht hat.

      • @Ajuga:

        mit der Preisgabe Ihres Vornamens an die AfD würden Sie vermutlich hohe Irritation herbeiführen, da ein germannischer Vornamen doch auf einen Gesinnungsgenossen hindeutet. Aber vermutlich würde die AfD in Ihrem Falle eine Ausnahme machen und Sie in alter rechter Tradition der Remigration zuführen lassen.