Deutsche Position im EU-Rat: Lieferkettengesetz weiter wackelig
FDP-Minister blockieren die geplante Zustimmung zum Lieferkettengesetz im EU-Rat. SPD-Abgeordnete sind erzürnt.
BERLIN taz | Abgeordnete der SPD-Fraktion fordern Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesjustizminister Marco Buschmann auf, ihre Blockade der EU-Lieferkettenrichtlinie zu beenden. Wenn die FDP-Minister bei ihrem Nein bleiben, muss Deutschland sich bei der finalen Abstimmung im EU-Rat enthalten.
Dies „widerspräche den Gepflogenheiten der seriösen Zusammenarbeit innerhalb einer Bundesregierung, einer Koalition und im Rat der Europäischen Union“, heißt es in einem internen Brief SPD-Abgeordneter an die Minister, welcher der taz vorliegt.
Die EU-Richtlinie soll Unternehmen zu Überprüfung von Menschenrechts- und Umweltstandards entlang der Lieferkette verpflichten. Sie würde über das deutsche Lieferkettengesetz hinausgehen, etwas mehr Unternehmen betreffen und beispielsweise eine zivilrechtliche Haftung verankern.
Das Justizministerium unter Buschmann habe die Verhandlungspositionen der Bundesregierung zur EU-Version bislang mitgetragen, kritisieren die SPD-Abgeordneten. Nach zähen Verhandlungen konnten sich das Europäische Parlament, die Kommission und der Rat, der die Mitgliedstaaten vertritt, im Dezember auf eine Richtlinie einigen.
Enthaltung Deutschlands könnte Mehrheit ins Wanken bringen
Mit dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen gilt die Zustimmung im Parlament und Rat als Formsache. Das Umlenken der FDP-Minister in letzter Minute kam für die Koalitionspartner deshalb überraschend.
Die finale Abstimmung im Rat ist für Freitag angesetzt. Eine Enthaltung Deutschlands könnte die nötige Mehrheit ins Wanken bringen. Die SPD-Abgeordneten werfen der FDP zudem vor, auch bei anderen europäischen Staaten für eine Ablehnung der Lieferkettenrichtlinie zu werben. Bislang haben wohl auch einige andere EU-Staaten Enthaltung oder Ablehnung angekündigt.
Die FDP kritisiert vor allem den bürokratischen Aufwand für Unternehmen und die zivilrechtliche Haftung. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte vergangene Woche neue Vorschläge vorgelegt, um bürokratische Lasten abzubauen.
Die Richtlinie findet breite Unterstützung auch aus liberalen und konservativen Fraktionen im Europaparlament und bei vielen deutschen Unternehmen, die sich Wettbewerbsgleichheit wünschen. Besonders deutsche Wirtschaftsverbände hatten sich hingegen von Anfang an gegen gesetzliche Unternehmenspflichten gestellt.
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In einer Checkliste für KMU der IHK heißt es im Mustertext der Grundsatzerklärung (Schritt 1 der Struktur):
„Dazu gehört zum Verständnis von [Unternehmen], faire Löhne zu bezahlen, auf angemessene Arbeitsbedingungen vor Ort hinzuwirken und die Ausbeutung von Kindern zu verhindern. Für [Unternehmen] ist Gleichberechtigung von Frauen und Männern selbstverständlich und wir benachteiligen niemanden wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen oder aufgrund einer Behinderung.“
Aus Sicht eines verantwortungsvollen Verbrauchers in Deutschland würde dies zu enormen Konsumeinsparungen führen, denn eine freiwillige Checkliste des Konsumenten würde dann den Erwerb vieler Güter verbieten. Angefangen bei den Energielieferungen (Erdgas, Erdöl) über Rohstoffe (Gold, Diamanten, Seltene Erden, Kautschuk und ….), Klamotten, Nahrungsmittel (Kaffee, Tee, Obst, Gemüse, Fleisch, …) bis hin zu Spielsachen (Berge von Kunststoff, Smartphones, …). Vielleicht ist dies auch ein Weg den Konsum nachhaltiger zu gestalten und den Überfluss zu reduzieren: Der Appell an das Verbrauchergewissen. Nicht unzählige Pakete bestellen und mal schauen was beim Nachbarn vor der Tür parkt oder am Handgelenk baumelt.