Berlinale-Film „In Liebe, Eure Hilde“: Haltung im Abschied
Im Gefängnis Berlin-Plötzensee wurde Hilde Coppis von der Roten Kapelle Mutter. Andreas Dresen verfilmt ihren Widerstandskampf.
Die Erdbeeren sind rot. Unnatürlich rot zwischen den verwaschenen Grüntönen der Pflanzenblätter und der stumpfbraunen Erde des Berliner Gartens, in dem Hilde Coppi (Liv Lisa Fries) mit ihrer Mutter die Früchte gerade pflückt. Kaum hat Hilde sich ein Exemplar in den Mund gesteckt, fahren schon zwei schwarze Limousinen vor dem Grundstück vor. Männer steigen aus, Hilde muss einen Koffer packen, wird von einem der Gestapo-Leute dazu angehalten, etwas Warmes mitzunehmen.
Andreas Dresens Historienfilm „In Liebe, Eure Hilde“ beginnt mit der Verhaftung der Widerstandskämpferin Hilde Coppi von der antinationalsozialistischen Roten Kapelle im Jahr 1942. Die Widerstandsgruppe, die eines der größten Netzwerke in Deutschland bildete, verteilte im Zweiten Weltkrieg Flugblätter, dokumentierte NS-Verbrechen und versuchte, Funkrufe in die Sowjetunion abzusetzen.
Hilde Coppi wurde unter anderem verhaftet, weil sie half, ihrem Mann Hans Coppi (Johannes Hegemann) ein Funkgerät zu besorgen. In der BRD stand der Erinnerung an die Rote Kapelle lange das Bild entgegen, es habe sich um Kommunisten im Dienst der Sowjetunion gehandelt. In der DDR versuchte die Stasi, die Rote Kapelle als Vorbild zu vereinnahmen.
Der Film schaltet im Verlauf seiner zwei Stunden mit abrupten Brüchen zwischen der Gegenwart Hilde Coppis im Gefängnis Berlin-Plötzensee und ihren vorangegangenen Aktivitäten mit der Roten Kapelle hin und her, zeigt das Berliner Netzwerk, das sich bei harmlos anmutenden Aktivitäten wie Eisessen, Baden am See oder Zelten trifft. In einem Bootsschuppen etwa werden Flugblätter erstellt, das Funkgerät nimmt Hans Coppi mitunter im Boot mit auf den See, in der Hoffnung, dort ein stärkeres Signal zu bekommen als in seiner Gartenlaube, in der er mit Hilde wohnt.
Starke Hauptdarstellerin und unscharfe Nebenrollen
Der Freizeitcharakter der Treffen steht in Dresens Film so stark im Vordergrund, dass man manchmal zu vergessen droht, dass man nicht einfach einem Freundeskreis beiwohnt, den eine ablehnende Haltung gegen das NS-Regime eint. Der Film erzählt auch nichts von der Politisierung seiner Protagonisten, er hält sich an deren aktive Phase.
20. 2., 17.30 Uhr, Kino Toni.
25. 2., 12.30 Uhr, Zoo Palast 1
Liv Lisa Fries als Hilde Coppi erweist sich in ihren oft bloß angedeuteten Regungen als starke Hauptdarstellerin, andere Figuren sind eher unscharf gehalten, spielen eine zu unbedeutende Rolle, um groß über ihre Funktion für die Handlung hinauszugehen. Warum Dresen sich übrigens entschieden hat, für die heftigsten Auftritte von Liv Lisa Fries eine Geburts- und eine Sexszene zu wählen, mit schreien hier und stöhnen da, erschließt sich kaum.
Auffällig zudem, wie freundlich Hilde Coppi in ihrer Haft vom Großteil des Gefängnispersonals behandelt wird. Hier deutet Dresen eine stille Sympathie für die Widerstandskämpferin an, die als werdende Mutter ihre Haft antrat. „Typische“ Nazis zeigt er weniger. Was etwas für sich hat; so lässt er der Roten Kapelle den Vortritt. Und wie Hilde Coppi bei ihm der unabwendbaren Strafe mit gefasster Haltung entgegengeht, hat unheroische Größe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!