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Wiederholungswahl in BerlinDemokratischer Schrecken

Hanno Fleckenstein
Kommentar von Hanno Fleckenstein

Die Teilwiederholung der Bundestagswahl von 2021 in Berlin hat geklappt. Ein Erfolg war sie in der politischen Wirklichkeit vor allem für die AfD.

Berliner Demokratie-Experiment: nochmal wählen, so, als wäre es 2021 Foto: Funke Foto Services/imago

E s ist kaum zu glauben, aber Berlin hat es geschafft. Auf absehbare Zeit muss hier niemand mehr wählen gehen, seit am 11. Februar auch die Teilwiederholung der Bundestagswahl mehr oder weniger reibungslos über die Bühne gegangen ist. Fast zweieinhalb Jahre waren seit dem missglückten Versuch vergangen, gesetzeskonforme Wahlen zum Bundestag, zum Abgeordnetenhaus und für die Bezirksparlamente plus einen Volksentscheid abzuhalten.

Aber was war das für eine Wahl, die etwa ein Fünftel der Ber­li­ne­r*in­nen da hatte? Zum einen war von vornherein klar, dass sie kaum etwas an der Sitzverteilung im Bundestag ändern würde. Zum anderen wurde überdeutlich, dass Wahlen eigentlich nicht wiederholbar sind – erst recht nicht nach so langer Zeit. Denn was ist nicht alles seit 2021 passiert? Russland hat die Ukraine überfallen, die Menschen ächzen unter der Inflation, es regiert eine rot-gelb-grüne „Fortschrittskoalition“, die immerzu streitet. Die Linkspartei hat sich gespalten, die AfD spürt Auf- und seit der Correctiv-Recherche wieder mehr Gegenwind.

In dieser Gemengelage gleicht die teilweise Wahlwiederholung in Berlin einer nicht repräsentativen Umfrage, angesichts derer Mei­nungs­for­sche­r*in­nen nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen könnten: Auf kleinem Raum, in tendenziell großstädtischen Milieus und unter geringer Beteiligung wurden die Di­rekt­kan­di­da­t*innen und Listen von 2021 erneut zur Abstimmung gestellt.

Daher ist es fast überraschend, dass die Ergebnisse dieser Wahl im Großen und Ganzen im Trend der vergangenen Monate liegen. Und genau deshalb ist es, trotz aller Einwände, eine lehrreiche Wahl.

AfD verstörend erfolgreich

Denn was sofort ins Auge springt, ist das verstörend erfolgreiche Abschneiden der AfD. Egal wo, ob in den ärmeren Randbezirken im Nordosten und Osten oder im bürgerlich-wohlhabenden Südwesten, die Rechts­extre­men gewannen hinzu: leicht im Gesamtergebnis (1 Prozentpunkt mehr), deutlich im direkten Vergleich in den Wiederholungswahlbezirken (plus 6 Punkte) und, besonders erschreckend, als einzige Partei auch bei den absoluten Stimmen (circa 5.000 mehr), und das trotz wesentlich geringerer Wahlbeteiligung als im ersten Anlauf 2021.

Vor allem auf der Ebene einzelner Stimmbezirke – etwa in den Ostberliner Ortsteilen Marzahn, Hellersdorf und Malchow – offenbart sich der Höhenflug der Rechtsextremen. Hier wurde die AfD stärkste Kraft, teils mit Zweitstimmenergebnissen von fast 40 Prozent.

Aufschrecken lassen sollte aber auch das beachtliche Erststimmenergebnis der terrorverdächtigen, inhaftierten AfD-Politikerin Birgit Malsack-Winkemann in den beschaulichen Villenvierteln Steglitz-Zehlendorfs. Immerhin 1.000 Wäh­le­r*in­nen machten neben ihrem Namen am 12. Februar ein Kreuz, fast doppelt so viele wie noch vor zweieinhalb Jahren in den jeweiligen Stimmbezirken.

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Zerplatzt ist damit die Illusion, dass die bundesweiten Großdemonstrationen gegen rechts direkt Wirkung zeigen. Es gibt schlichtweg einen tendenziell wachsenden Anteil in der Bevölkerung, der Nazimeinungen vertritt und deshalb eine Nazipartei wählt. Das bedeutet natürlich nicht, dass der Kampf gegen die AfD aufgegeben werden sollte. Die Wiederholungswahl lehrt aber, dass weder Appelle an „die Politik“ noch Wahlen ausreichen werden, um rechte Positionen aus den Köpfen und Kandidaten aus den Parlamenten zu verdrängen.

Damit die weiteren Wahlen in diesem Jahr nicht zu einem Durchmarsch rechtsextremer Parteien und Meinungen werden, gilt es nun, sich auf antifaschistische Tugenden zu besinnen: aufklären, blockieren, ausgrenzen.

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Hanno Fleckenstein
Redakteur taz.berlin
Redakteur für Innenpolitik im Berlinteil. Seit 2021 bei der taz, zuerst als freier Mitarbeiter und Text-Chef in den Ressorts Inland, Wirtschaft+Umwelt, Meinung und taz.eins. Hat Politikwissenschaft und Publizistik in Berlin und Maskat (Oman) studiert.
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4 Kommentare

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  • "Es gibt schlichtweg einen tendenziell wachsenden Anteil in der Bevölkerung, der Nazimeinungen vertritt und deshalb eine Nazipartei wählt."

    Wenn wir weiterhin unsere Köpfe in den Sand stecken und nicht hinsehen wollen, warum die Leute AfD wählen, wird die AfD bald absolute Mehrheiten einfahren.

    Es kann keiner sagen, man habe es nicht kommen sehen.

  • " aufklären, blockieren, ausgrenzen." Politik als Ätschi-Bätschi also. Bei wachsenden wirtschaftlichen Problemen, Inflation, Verteilungskämpfen - ja auch mit Flüchtlingen - Verfall der Infrastruktur und Verelendung usw, provoziert das genau das Gegenteil. Wir gegen die ,die uns ausgrenzen wollen. Die Politik muss aus der Lähmungsstarre und sich ändern im Sinne der Mehrheit, die eher konservativ tickt. Ohne allen populistischen Unsinn mitzumachen.

  • "Es gibt schlichtweg einen tendenziell wachsenden Anteil in der Bevölkerung, der Nazimeinungen vertritt und deshalb eine Nazipartei wählt."



    Ich finde es weiterhin untragbar sich derart unsauber auszudrücken. Die AfD ist KEINE Nazipartei. Sie ist eine rechtskonservative bis in Teilen rechtsradikale Partei, die populistische Meinungen vertritt und pauschal gegen Ausländer hetzt und die konsequente Rückführung von "Asylbewerbern und nicht assimilierten Staatsbürgern“ fordert (siehe correctiv).



    Das ist widerlich genug - aber es ist meilenweit von den barbarischen Taten der Nazis entfernt, die millionenfach Menschen zwangsenteignet, verschleppt und deportiert und in Arbeits- und/oder Vernichtungslager zu Tode schindeten oder direkt ermordeten und die Welt überdies in den 2. Weltkrieg gestürzt haben.



    Derlei Pläne vertritt die AfD in keinster Weise - weder offiziell, noch hat irgendeine Recherche bisher parallele Bestrebungen innerhalb der Partei aufdecken können.



    Es ist einfach keine "Nazimeinung" nur weil jemand der Migration skeptisch bis ablehnend gegenübersteht.



    Es liegt vielmehr in der Verantwortung unserer Politiker für Ankommende nicht nur Obdach und Grundversorgungsmittel bereitzustellen, sondern aktiv diesen Menschen Zugang zu unserer Sprache, Kultur und dem Arbeitsmarkt zu verschaffen - und genau hier wurde und wird (teilweise massiv) versagt seit Jahren (und Jahrzehnten).



    Die zunehmenden 'migrationsfeindlichen' Tendenzen in der Bevölkerung sind keine spontane Sehnsucht nach Nazipolitik in der Bevölkerung, sondern das Ergebnis unserer verkorksten und unzureichenden Integrationspolitik - der Fehler liegt in der Politik, nicht im Denken der Bürger.

    • @Farang:

      Wenn es aussieht wie eine Ente, watschelt wie eine Ente und quakt wie eine Ente …ist es eine Ente!

      Diese Leute stehen auch nicht „migration skeptisch gegenüber“ sondern möchte alles was nicht deutsch genug aussieht oder denkt zwangsdeportieren. So wie die Nazis.

      Gewalt gegen alles was anders denkt ist einkalkuliert. Wie bei den Nazis.



      Wer die Spinner wählt, wählt eben Nazis.



      Und weil das jedem ihrer Wähler auch klar ist, ist es sehr gefährlich dies schönzufärben „nee also riiiiiichtige Nazis wie 33 sind das ja noch gar nicht‘.

      Es ist völlig korrekt: Deutschland versagt bei der Migration seit vielen Jahrzehnten. Aber das legitimiert in keiner Weise die Nazis, oder das wählen dergleichen.



      Ich teile die Meinung des Autors: Aufklären, blockieren, ausgrenzen.