Bundestagswahlkampf in Berlin: „Manche fragen, warum noch SPD?“

Berlin wählt mal wieder. Die SPD-Politikerin Annika Klose geht von Tür zu Tür, spricht über Scholz und Cannabis. Die Stimmung sei besser als erwartet.

Annika Klose schaut gutgelaunt in die Kamera

Übt sich trotz schlechter Umfragewerte für die Ampel in Zweckoptimismus: die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Annika Klose Foto: Jens Krick/Flashpic/picture alliance

taz: Frau Klose, Sie sind gerade wieder mitten im Bundestagswahlkampf. Harte Zeiten für eine SPD-Politikerin, oder?

Annika Klose: Ja, das stimmt. Ausgesucht haben wir uns das alle nicht so. Trotzdem bietet dieser Wahlkampf auch Chancen, nämlich in politisch stürmischen Zeiten intensiv ins Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern zu kommen. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen gerade wirklich viele Fragen haben, und dass es da auch gut ist, mal wieder an den Haustüren zu klingeln.

Die Türen werden Ihnen also nicht vor der Nase zugeschlagen, wenn Sie klingeln und sagen ‚Annika Klose von der SPD‘?

Tatsächlich nicht. Ich habe eine schlechtere Stimmung erwartet. Da ist viel Offenheit, aber auch viel Verunsicherung. Aber auch die Bereitschaft zuzuhören, und ich finde es wohltuend, diesen Dialog zu führen.

geboren 1992 in Dortmund, aufgewachsen in Clausthal-Zellerfeld, lebt seit 2011 in Berlin. Zwischen 2015 und 2020 Vorsitzende der Berliner Jusos, gehört die Sozialwissenschaftlerin seit 2021 dem Bundestag an. Sie ist derzeit Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales und Berichterstatterin der SPD für die Kindergrundsicherung.

Was für Fragen haben die Menschen?

Teilweise wissen die Menschen nicht, woran sie bei dieser Regierung sind. Und manche stellen sich und mir die Frage, warum jetzt noch SPD wählen? Dann wieder heißt es, sorgen Sie doch mal dafür, dass diese Regierung funktioniert. Ich glaube, dass sich die Menschen gerade Stabilität wünschen, dass sie sich wünschen, einen Fahrplan zu bekommen, wo es dann jetzt hingehen soll, und dass Entscheidungen eben auch Bestand haben.

Was heißt das für den Umgang von SPD, Grünen und FDP untereinander?

Es ist mittlerweile bei allen Dreien Konsens, dass wir uns wünschen, dass unser Regierungshandeln wieder geräuschloser läuft. Dass wir nach über zwei Jahren sehr intensiver Krisenbewältigung, sehr schneller Beschlussfassung jetzt wieder in ruhigere Fahrwasser kommen und unsere Beschlüsse gut erklären und stabil durchbringen müssen.

Also Tempo rausnehmen?

Tempo rauszunehmen ist eine gute Idee. Aber wir sollten auch eine Bestandsaufnahme machen, was unter den aktuellen Vorzeichen noch machbar ist.

Was halten Sie in der Ampel noch für umsetzbar?

Gerade haben wir das Staatsbürgerschaftsrecht reformiert, das war gut. Wir müssen nun schauen, wie wir das Rentenniveau weiter stabilisieren, wir müssen bei der Kindergrundsicherung die entscheidenden Weichen stellen und aus Berliner Perspekive fände ich es gut, dass wir bei der Legalisierung von Cannabis endlich vorankommen.

Letzteres ist vielleicht nicht das Thema, auf das die meisten Menschen dringend warten.

Richtig, es ist jetzt nicht das alles entscheidende Thema, aber viele warten darauf. Und ich kann mir keine andere politische Konstellation vorstellen, in der das möglich wird.

Bei der Kindergrundsicherung hatte die Ampel einen Paradigmenwechsel versprochen, hin zu einer Bringschuld des Staates. Kommt der?

Bei der Kindergrundsicherung sind wir mit Herausforderungen konfrontiert, die größer sind, als wir uns vorgestellt haben. Zum Beispiel, dass unsere Verwaltung eben noch nicht so digitalisiert ist, wie es nötig wäre. Oder dass es zwischen Kommunen, Land und Bund unterschiedliche Zuständigkeiten gibt, die schwer auseinander zu dividieren sind. Das umzusetzen wird schwer.

Also wird es nicht der große Wurf?

Wir werden das Beste herausholen.

Wieviel Verantwortung trägt der Kanzler für die Unbeliebtheit der Ampel – muss Scholz stärker führen?

Der Kanzler trägt viel Verantwortung, aber ich habe schon den Eindruck, dass er führt.

Echt?

Ja, er vermittelt hinter den Kulissen, um da die Knoten zu lösen. Die Kindergrundsicherung ist so ein Beispiel, wo er vermittelt und sich wirklich reingekniet hat. Aber am Ende haben alle in der Koalition eine Verantwortung zusammenzuwirken und nicht vor allem auf die eigene Profilierung zu schauen.

Meinen Sie Christian Lindner?

Sicherlich hat auch der Finanzminister seinen Anteil, aber ich meine tatsächlich das gesamte Bundeskabinett. Es wäre notwendig, dass die Ministerien besser zusammenarbeiten und sich als Team begreifen.

Olaf Scholz wurde kürzlich beim Handballspiel ausgepfiffen. Müssen Sie ihn im Haustürwahlkampf auch so verteidigen?

Das Auspfeifen fand ich respektlos. Mein Eindruck ist, dass wir als Ampel mehr erklären müssen, was wir tun, was unsere Strategie ist und wo wir hin wollen mit dieser Gesellschaft. Dass er zu wenig erklärt, wird Olaf vorgeworfen, aber ich finde, den Schuh müssen wir uns alle anziehen.

Können Sie als Parteilinke noch guten Gewissens die SPD-Politik vertreten? Beim Bürgergeld werden jetzt wieder harte Sanktionen eingeführt, dabei wollte man weg davon.

Das fällt mir extrem schwer und ich finde Sanktionen auch nicht richtig. Trotzdem versuche ich, den Gesamtkontext zu sehen. Wir haben im November dieses Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts bekommen, mit dem wirklich niemand gerechnet hat. Und das hat dazu geführt, dass wir jetzt 60 Milliarden Euro kompensieren mussten über den Haushalt.

Mit Sanktionen sollen maximal 170 Million Euro eingespart werden, wobei unklar ist, ob es wirklich so viel wird. War es wirklich nötig, sie zu verschärfen?

Das A und O der SPD in diesen Verhandlungen war, dass wir keine Sozialkürzungen wollten, keine Kürzung der Rente, keine Kürzung des Bürgergelds, dass wir uns insgesamt schützend vor diesen Sozialstaat gestellt haben. Und dass trotzdem weiter investiert wird, in Halbleiterfabriken im Osten, in Klimaschutzmaßnahmen. Es schmerzt mich, dass das Bürgergeld in die Verhandlungen reingezogen wurde, aber ich weiß auch, dass es vielleicht nötig war, um diese Regierung zusammenzuhalten, um überhaupt zu einem Kompromiss zu kommen und gemeinsam weitermachen zu können.

Lohnt es sich wirklich noch für diese Ampel zu kämpfen?

Die Ampel ist für mich immer noch eine progressive Regierungskoalition. Mit drei unterschiedlichen Partnern, was man ja auch merkt, aber mit dem Anspruch diese Gesellschaft voranzubringen. Und ich finde es ganz wichtig, dieser Gesellschaft eben auch zu zeigen, man kann tatsächlich Dinge gestalten und nicht nur 16 Jahre lang verschlafen. Deshalb lohnt es sich, für die Ampel zu kämpfen. Aber sie muss besser funktionieren als in den letzten Monaten.

Bei der Wahl 2021 erreichten Sie in Ihrem Wahlkreis 22 Prozent und kamen über die Landesliste in den Bundestag. Womit wären Sie heute zufrieden?

Ich hoffe, dass die Wahlbeteiligung hoch ist, dass die Leute ihr demokratisches Recht wahrnehmen, zu wählen. Und natürlich hoffe ich auch auf ein gutes Abschneiden der SPD.

Das ist wohl eher nicht zu erwarten. Die CDU ruft dazu auf, der Ampel ein Stoppschild zu zeigen.

Das finde ich etwas würdelos. Wir stellen unsere Inhalte dagegen, nämlich Demokratie verteidigen, Armut bekämpfen und Wohlstand sichern. Also, wofür wir stehen und nicht wogegen wir sind. Ich finde das überzeugender und ich hoffe, die Wäh­le­r*in­nen sehen das auch so.

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