Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.
Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?
Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.
Volksabstimmungen befürworte ich nur für lokale Entscheidungen. Soll das Schwimmbad gebaut werden oder nicht - Soll die Kita erweitert werden . der Radweg verbreitert werden...usw. Aber Abstimmungen auf Bundesebene lehne ich grundsätzlich ab. Bei solchen Abstimmungen wird nicht sachlich abgestimmt, sondern nach Bauchgefühl etc. Zumal solche Abstimmungen meist verzerrt sind.
Musterbeispiel Brexit. Obwohl eine große Mehrheit gegen den Brexit war, ergab die Abstimmung ein Nein zu Europa. Farage und co. haben populistisch und unsachlich die Gegner aufgestachelt. Als Folge stellten die Europa-Gegner eine überproportional große Gruppe von Wählern, weil die Befürworter von Europa seltener an der Abstimmung teilnahmen (warum soll ich dahin? ich will doch gar nichts ändern!)
Das schöne an der Causa Tempelhof, um den sich das ganze letztlich ja dreht, ist ja dass egal wie der Senat vorgeht, es wird den Kritikern nie recht sein. Ändern sie das Gesetz ohne Befragung, dann sind sie selbstherrlich, wird es nach erfolgreicher Abstimmung geändert, dann kann man mit Scheindemokratievorwürfen gegen sie angehen. Frei nach Picabia, Gesetze sind nicht in Stein gemeißelt, damit man sie bei Bedarf anpassen kann.
Die unterschwellige Angst, dass die Berliner heute eine andere Meinung zum Tempelhofer Feld haben könnten ist nachvollziehbar, aber kein überzeugendes Argument gegen den SPD Vorschlag.
@alterego Ist es durchaus, es war eine verbindliche, direktdemokratische Abstimmung. Nur war das Ergebnis den Regierenden unbequem. Hat man schon daran gemerkt das keine Woche später wieder über Randbebauung gesprochen wurde statt die Entscheidung zu akzeptieren. Deshalb möchte man natürlich gerne so lange abstimmen bis das Ergebnis im Sinne des Senats ist.
Israels „begrenzte Bodenoffensive“ im Libanon birgt immense Gefahren. Nicht nur Iran steigt in den Krieg ein. Die Welt schaut ohnmächtig zu.
Vorstoß für Volksbefragungen – Contra: Ein billiges Täuschungsmanöver
Die SPD will, dass Volksabstimmungen künftig auch vom Abgeordnetenhaus angestoßen werden können. Die Kritik an der Idee ist absolut berechtigt.
Der Volksentscheid zum Tempelhofer Feld von 2014 verhindert bislang eine Bebauung. Schnee von gestern, findet Schwarz-Rot Foto: Annette Riedl/dpa
„Vorsicht, Falle!“ – dieser Warnhinweis sollte groß und rot auf dem SPD-Vorschlag zu vom Parlament verordneten Volksbefragungen prangen. Denn der Plan, die Berliner*innen an die Urnen zu bitten, wenn die Koalition ein geltendes, durch einen Volksentscheid erkämpftes Gesetz umstoßen will, ist nichts anderes als ein billiges Täuschungsmanöver.
Auf den ersten Blick klingt es eigentlich ganz charmant: Die Bürger*innen sollen mitreden dürfen bei „Entscheidungen, die unmittelbar ihre Lebenswirklichkeit betreffen“, so die SPD-Fraktion. Es gehe um „Respekt“ vor der Volksgesetzgebung, „mehr Mitsprache und echte Entscheidungen“. Die Sozialdemokraten glauben gar, so der „Politikverdrossenheit“ begegnen zu können.
Die Logik dahinter ist verfänglich: Mehr Bürger*innenbeteiligung ist immer gut! Auf diesen Trugschluss setzt die schwarz-rote Koalition. Doch eine Volksbefragung von Gnaden der Herrschenden hat wenig bis gar nichts mit direkter Demokratie zu tun. Erst recht nicht, wenn sie dazu dient, direktdemokratisch herbeigeführte Entscheidungen wieder zu kassieren – und dem Ganzen einen schönen Anstrich zu verpassen.
Bislang gibt es in Berlin nur Volksentscheide, die in einem mehrstufigen, aufwändigen Beteiligungsverfahren von „unten“ – also aus der Stadtgesellschaft – herbeigeführt werden. Die Hürden für eine vom Abgeordnetenhaus verordnete Volksbefragung lägen wohl deutlich niedriger. Und so täuscht ein solches Verfahren den Bürger*innen Mitspracherechte und Handlungsmacht vor, während es den Regierenden noch mehr Macht verleiht.
Anmaßende Haltung der Regierenden
Nun entdecken SPD und CDU das Thema direkte Demokratie ausgerechnet in dem Moment für sich, in dem der Volksentscheid von 2014 ihren Bebauungsfantasien für das Tempelhofer Feld im Weg steht. Klar, eigentlich könnten sie das Gesetz zum Erhalt des Feldes wie jedes andere auch im parlamentarischen Verfahren ändern. Warum dann überhaupt der Vorstoß für eine Volksbefragung?
Ganz einfach: Die von oben verordnete Bürgerbeteiligung kaschiert die anmaßende Haltung der Regierenden, die als gewählte Volksvertreter nach dem Motto arbeiten: Wir wissen es eh besser und machen, was wir wollen! Wie blanker Hohn klingt da das Argument der SPD-Fraktion für die Volksbefragung: „Wir wissen, dass Teile der Bevölkerung sich nicht ernst genommen fühlen und mehr Mitsprache wollen.“
Um glaubwürdig für mehr und bessere Beteiligung einzutreten, sollte die Koalition sich besser nicht an von der Stadtgesellschaft erkämpftem Freiraum vergreifen – und dabei auch noch selbst bestimmen wollen, wann es ihr passt, dass die Berliner*innen mitreden.
Nicht ohne Grund gibt es Zweifel, ob die Einführung einer Volksbefragung ohne Zweidrittelmehrheit nicht gegen die Landesverfassung verstößt. In Bayern hat der Verfassungsgerichtshof 2016 einem ähnlichen Vorhaben den Riegel vorgeschoben. Außerdem besagt die Berliner Verfassung, dass jede Einführung neuer direktdemokratischer Instrumente einer Volksabstimmung bedarf.
In Hamburg hat man es besser gelöst: Will das Parlament dort ein per Volksentscheid beschlossenes Gesetz ändern oder aufheben, kann die Bevölkerung eine Abstimmung darüber anstoßen. Die Hürde dafür ist nur halb so hoch wie für einen Volksentscheid – und das Ergebnis rechtlich bindend. So bleibt die Handlungsmacht zumindest in Teilen dort, wo sie hingehört: bei den Bewohner*innen der Stadt.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Schwerpunkt Volksentscheid Tempelhofer Feld
Kommentar von
Hanno Fleckenstein
Redakteur taz.berlin
Redakteur für Innenpolitik im Berlinteil. Seit 2021 bei der taz, zuerst als freier Mitarbeiter und Text-Chef in den Ressorts Inland, Wirtschaft+Umwelt, Meinung und taz.eins. Hat Politikwissenschaft und Publizistik in Berlin und Maskat (Oman) studiert.
Themen
mehr von
Hanno Fleckenstein