Waffenhilfe-Einigung im US-Senat: Kleingeistige Parteipolitik

Noch ist die Militärhilfe der USA für die Ukraine nicht in trockenen Tüchern. Die Republikaner pokern. Euphorie wäre also zu früh.

Chuck Shumer steht an einem Rednerpult und zeigt mit dem Fingerauf einen Menschen, der seinen Arm gehoben hat

Charles Shumer, Mehrheitsführer im US-Senat bei einer Pressekonferenz am Dienstag Foto: Tom Williams/Newscom World/imago

Es gibt viele sehr gute Gründe, warum in parlamentarischen Demokratien milliardenschwere Militärhilfen an kriegführende Parteien im Ausland ausführlich und kontrovers diskutiert werden sollten. Was der US-Kongress allerdings seit Monaten aufführt, hat mit all diesen Gründen überhaupt nichts zu tun. Seit Anfang Oktober bemüht sich die Biden-Regierung, neue Gelder bewilligt zu bekommen, um insbesondere die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Invasion weiter unterstützen zu können.

Aber statt zu diskutieren, militärische und politische Perspektiven des Krieges abzuwägen und dementsprechend zu einer Entscheidung zu kommen, verknüpften die Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen das Thema mit der Situation an der US-Südgrenze und verlangten zunächst massive Ausgaben, um den Andrang an Mi­gran­t*in­nen dort zurückzuhalten.

Zähneknirschend ließen sich die Biden-Regierung und die Demokraten darauf ein, verhandelten im Senat viele Wochen lang ein Paket über rund 15 Milliarden Dollar für die Grenzsicherung – nur um dann erneut die Ablehnung der republikanischen Seite zu kassieren. Die war inzwischen von dem Kandidaten in spe, Donald Trump, instruiert, sich auf keinen Deal einzulassen, der ihm sein wichtigstes Wahlkampfthema kaputtmachen könnte.

Die USA waren in Wahljahren noch nie besonders gute Partner

Diese unfassbare, kleingeistige Verantwortungslosigkeit, die die republikanische Seite unter Trumps externer Führung in den Kongress trägt, lässt erschaudern. Als ob es um nichts ginge, als ob von den Entscheidungen oder dem Nichtstun nicht viele Tausend Menschenleben und womöglich die Zukunft der globalen Sicherheitsarchitektur abhängen würden.

Die USA waren in Wahljahren noch nie besonders gute Partner, um auf der Weltbühne neue Initiativen voranzubringen. Aber der Grundkonsens reichte in der Regel aus, um zumindest verlässlich zu bleiben, erst recht in Kriegszeiten. Das ist vorbei. Dabei bewegen sich auch die Abgeordneten und Se­na­to­r*in­nen in einem ständigen Paradoxon. 82 Prozent der US-Amerikaner*innen finden laut kumulierten Umfragen, dass der US-Kongress seine Arbeit nicht anständig macht.

Kein Wunder, wenn zumindest eine von zwei Kammern rund um die Uhr damit beschäftigt ist, praktisch jede Gesetzgebung zu verhindern. Und trotzdem treffen alle einzelnen Abgeordneten ständig aufs Neue die Entscheidung, dass genau das politische Verhalten, das sie an den Tag legen, ihrer politischen Karriere am meisten nutzt – und sie haben damit in aller Regel sogar recht.

Hier schlägt eine dysfunktionale polarisierte politische Kommunikation im öffentlichen Raum zurück auf die Ent­schei­der*in­nen­ebene, dass einem angst und bange wird. Im Vergleich dazu wirkt die ewig streitende deutsche Ampel wie eine Effizienzmaschine. Kein gutes Zeichen. Nicht für die Ukraine, nicht für den Rest der Welt.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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