piwik no script img

Wiederholungswahl in BerlinDer letzte Sieg der SPD

Erik Peter
Kommentar von Erik Peter

Die SPD ist die große Wahlverliererin. Die Partei sucht vergeblich ihre Rolle in der polarisierten Gesellschaft.

Mehr Plakate als Wäh­le­r:in­nen Foto: dpa

A m Karnevals-Wahlabend hatte sich Franziska Giffey als Wahlsiegerin verkleidet und von „guten Ergebnissen“ für die SPD gesprochen. In diese lustige Faschingserzählung passt, dass Ex-Bürgermeister Michael Müller und Generalsekretär Kevin Kühnert die Vorsprünge in ihren Wahlkreisen über die Ziellinie retten konnten. Vor allem aber, dass die Partei in der Summe aus den soliden Ergebnissen von 2021 und denen der Nachwahl von Sonntag noch knapp die Spitzenposition in der Stadt verteidigt hat. Doch viel spricht dafür, dass es auf absehbare Zeit der letzte Wahlsieg der Sozialdemokraten bleiben wird.

Schaut man nüchtern auf die Ergebnisse in den 455 Nachwahl-Stimmenbezirken, entlarvt sich jede Siegespose als reine Kosmetik. Die SPD ist auf einem – vorläufigen – Tiefpunkt angekommen. Im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 verlor die Partei hier 7,8 Prozentpunkte. Übrig geblieben sind magere 14,6 Prozent. Sie stehen dafür, dass kaum jemand mehr so richtig sagen kann, was man inhaltlich von einer SPD bekommt, was es nicht auch anderswo gibt.

Weder an der Spitze der Bundesregierung noch als Juniorpartner im Berliner Senat kann die Partei deutlich machen, warum es gerade sie braucht. Wenn Kanzler Olaf Scholz lautstark verkündet, mehr Menschen abschieben zu wollen, ist die SPD nur die wenig überzeugende Kopie ihrer rechten Konkurrenz. Und wenn Scholz kurz darauf auf Anti-AfD-Demos auftaucht, überzeugt er auch niemanden mehr davon, dass nur die SPD für eine menschenwürdige Zukunft sorgen könnte. 15 Prozent in Umfragen bundesweit sind die Folge.

In Berlin steht die SPD inzwischen vor allem dafür, an der Macht zu kleben und Volksbegehren zu ignorieren. Weil die CDU plötzlich wieder als ernst zu nehmende Partei gilt, können die Sozialdemokraten mit ihrer Politik für Vermieter und Autofahrer kaum einen konservativen Wähler überzeugen. Gleichzeitig liefern sie damit genug Gründe für die oftmals links tickende Wählerschaft, ihr Kreuz doch lieber bei der Konkurrenz zu setzen. Genau das ist nun passiert: Rechts haben CDU und AfD massiv zugelegt, und auf der linken Seite haben sich Grüne und Linke, immerhin mit leichten Zugewinnen, behaupten können.

In einer Gesellschaft, die sich zunehmend polarisiert, hat die SPD kein Angebot, das verfängt, stattdessen irrlichtert sie ziellos in Richtung Bedeutungslosigkeit. Sie teilt damit das Schicksal vieler sozialdemokratischer Parteien in Europa, die dem Aufstieg der Rechten keine glaubwürdigen Konzepte entgegenzusetzen haben und sich nicht als linke Gegenspielerinnen behaupten können.

Selbst Franziska Giffey ging am Montag dann auf, dass die SPD „ihr Profil mit klaren eigenen Positionen schärfen muss“. Welche das sein sollen, hat die Wirtschaftssenatorin, die ihre Partei zum Mehrheitsbeschaffer der CDU degradiert hat, aber nicht gesagt. Und genau hier liegt das Problem: Wenn die SPD selbst nicht weiß, wer sie eigentlich sein will, fehlt auch jedes Argument für die Wähler:innen, warum sie ihr ihre Stimme geben sollten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Die Schuld ist für mich die Berliner SPD Politik der letzten Jahre und Jahrzehnte. Diese Partei hintergeht immer wieder ihre eigenen Wähler*Innen, es ist erstaunlich, dass die Menschen dennoch ihr Kreuz bei dieser Partei lassen.

  • Warum sollte jemand eine Partei wählen, die sich als billiger Abklatsch der Grünen mit altbackenen, verhärmten Personal inszeniert?

  • Ist nicht eher die Frage, was außer Nostalgie ein Grund sein kann, in Berlin die SPD zu wählen? Fällt mir gerade nicht wirklich etwas ein.

  • als Sozialdemokrat kann ich zu diesem Kommentar nur still und traurig nicken.

  • Ich war früher SPD-Parteimitglied und habe lange darauf vertraut, dass die SPD die Rechte von Frauen (ich), Nicht-Antisemiten (ich), LGBTQ (nicht ich), Atheisten (ich) und grundsätzlich Schwächeren (vermutlich noch-nicht-ich) schützt. Die von mir genannten Bevölkerungsgruppen wurden, meiner Meinung nach, von der SPD oder auch der Linken zu Gunsten anderer Bevölkerungsgruppen zurückgesetzt.



    In meinem Wohnsitz-Wahl-Bundesland wird dieses Jahr gewählt und ich habe noch keine Entscheidung getroffen, wer meine Stimme bekommt.