Mütter und Selfcare: Nimm dir doch einfach die Zeit

Müttern wird oft gesagt, sie sollen sich doch bitte gut um sich selbst kümmern. Was die Tipps eigentlich meinen: Nerv nicht!

Badwanne mit frischen Blumen und Kerzen dekoriert

„Aber immer, wenn ich Zeit dafür hätte, mich in die Badewanne zu setzen, bin ich zu müde.“ Foto: Pond5 Images/imago

Ich war noch nie in unserer Badewanne. Ich bade die Kids darin, manchmal wasche ich mir da eine Haarmaske raus, aber ganz dringesessen in der Badewanne bin ich noch nie. Wir wohnen jetzt seit eineinhalb Jahren hier.

In unserer alten Wohnung in Berlin war ich das letzte Mal in der Wanne, kurz bevor mein zweites Kind auf die Welt kam. Sehr kurz davor, weil ich dachte, das können doch gar nicht die richtigen Wehen sein. Die hatten mich doch eben noch seelenruhig aus dem Krankenhaus heimgeschickt, weil das „bestimmt noch bis morgen dauern“ würde.

Ob Wehen echt sind, also richtige Geburtswehen, prüft man, indem man sich in warmes Wasser setzt, Übungswehen würden aufhören. Nun ja, es waren keine Übungswehen. Ich habe es gerade noch in die Klamotten geschafft, im Treppenhaus bereits geröhrt wie ein Hirsch. Vor dem Haus ist die Fruchtblase geplatzt, und im Auto haben die Presswehen eingesetzt. Das Kind kam 30 Minuten später gerade so im Krankenhaus zur Welt.

Ich weiß noch, als wir die Anzeige für diese Wohnung gesehen haben, war ich ganz begeistert, wie groß das Bad ist. Mit Dusche und Wanne! Wow! Aber immer, wenn ich Zeit dafür hätte, mich in die Badewanne zu setzen, bin ich zu müde. All das Drumherum. Das Bad ist kalt, das Licht ist hell. Liest man dann ein Buch, oder starrt man an die Decke? Bloß nicht einschlafen. Und sollte man nicht auch nach 15 Minuten wieder raus?

Schlaf priorisieren liegt nicht in meiner Hand

Auf Instagram, in Artikeln und Büchern sagen einem ständig Wellnessmenschen, dass man als Mutter doch Selfcare praktizieren müsse. Dass man seinen Schlaf priorisieren sollte. Den Stress­pegel um jeden Preis niedrig halten, weil der das Allerschlimmste für den Körper sei.

Aber mir zu sagen, ich solle meinen Schlaf prio­ri­sie­ren, ist so, wie zu sagen, ich solle priorisieren, dass es draußen 25 Grad hat. Würde ich gern. Würde ich sofort. Aber das liegt halt nicht in meiner Macht.

Es ist nicht so, als wäre mir Schlaf nicht wichtig, ich liebe schlafen. Wenn ich könnte, würde ich den ganzen Tag im Bett bleiben. Ich wäre Schlafweltmeisterin. Aber ich habe zwei Kinder und bin im fünften Monat schwanger, ich bin schon seit über sechs Jahren nicht mehr ausgeschlafen, und ich sehe da ehrlich kein Licht am Ende des Tunnels – gerade eher einen Zug.

Das gehört aber auch dazu. Ich habe noch nie Eltern von kleinen Kindern getroffen, die nicht müde sind bis in die Knochen, sodass es zeitweise schon an Folter grenzt. Also außer denen, die sich nicht selbst um ihre Kinder kümmern – die schlafen ganz hervorragend. Das Problem ist, dass einem dennoch ständig gesagt wird, man müsse doch nur ein bisschen was tun für sein Wohlbefinden, dann wäre man auch nicht so ein Wrack. Selfcare betreiben. Morgens meditieren. Clean ­Eating. Cortisol senken. Sport machen. Einfach mal was für sich tun – rausgehen oder sich in die verdammte Badewanne setzen.

Das wird aber auch nicht jedem gesagt, sondern generell Frauen und speziell Müttern. Was nichts anderes bedeutet als: Kümmer dich – neben allem anderen – doch selber drum, dass es dir gut geht, und nerv nicht. Und wenn du es nicht schaffst, liegt das allein an deinem miesen Zeitmanagement. Du musst dir die Zeit doch nur nehmen. Die Zeit, die alle anderen einfach schon haben.

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Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

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