Landratswahl in Dithmarschen: Keine Mehrheit ohne AfD-Stimmen

Die CDU fordert den von der SPD gestützten Landrat zum Verzicht auf seine Kandidatur auf. Schließlich fehle ihm ohne AfD-Stimmen die Mehrheit.

Anhänger mit Kohlköpfen auf einem Acker

In Dithmarschen streitet man um die Köpfe, nicht um die Herzen Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

RENDSBURG taz | Im Kreis Dithmarschen bestimmen am Donnerstag die 54 Mitglieder des Kreistages, wer in den kommenden Jahren als Landrat die Verwaltung leitet. Da keiner der zwei Bewerber eine klare Mehrheit hat, warnte die CDU, dass die Wahl von den Stimmen der AfD-Fraktion abhängen könnte, und fordert den Amtsinhaber, der von der SPD unterstützt wird, zum freiwilligen Rückzug auf. Zwar hat die AfD nie gesagt, für wen sie stimmen wird. Dennoch müssen nun alle Kreistagsabgeordneten gegen den Verdacht einer undemokratischen Wahl kämpfen.

Bisher sei die AfD im Kreisparlament eher unauffällig gewesen, habe sich kaum eingebracht, berichtet Kerstin Hansen, Fraktionsvorsitzende der Grünen. „Durch diese Debatte haben sie auf einmal eine Bedeutung bekommen, die sie bisher nicht hatten.“

Es geht um die Landratswahl, bei der der parteilose Amtsinhaber Stefan Mohrdieck gegen CDU-Mitglied Thorben Schütt antritt. Die Verhältnisse sind kompliziert: Insgesamt besteht der Kreistag aus sechs Fraktionen und drei Einzel-Abgeordneten, darunter Freie Wähler und ein Linker. Stärkste Kraft ist die CDU mit 21 Personen, die bei der geheimen Wahl vermutlich mehrheitlich für Schütt stimmen. Der kann außerdem auf die sechs FDP-Abgeordneten hoffen, also im Idealfall 27 Stimmen erhalten.

Die absolute Mehrheit, die im ersten Wahlgang nötig ist, liegt bei 28 Stimmen. Mohrdieck hat die SPD mit neun Sitzen hinter sich. Um mit Schütt gleichzuziehen, bräuchte er aber alle anderen Stimmen inklusive die der AfD, die bei der Kommunalwahl 2023 in Dithmarschen mit 10,7 Prozent ihr landesweit bestes Ergebnis erzielte und mit sechs Sitzen ebenso stark ist wie die FDP. Mohrdieck könnte auf Ab­weich­le­r*in­nen aus der CDU setzen – und auf das Glück: Gibt es im dritten Wahlgang keinen Sieger, entscheidet das Los.

Die CDU würde profitieren

Dass er auf Stimmen der AfD hoffe, verneinte der 57-jährige Landrat. Der Presseagentur dpa erklärte er, er habe „überhaupt keinen Kontakt zur AfD und arbeite auch nicht mit denen zusammen“. Es gebe auch keine Zusagen, ihn zu wählen.

Das bestätigte der stellvertretende AfD-Landesvorsitzende und ehemalige Landtagsabgeordnete Volker Schnurrbusch auf NDR-Anfrage: „Die AfD-Fraktion in Dithmarschen hat sich bislang noch nicht auf einen Kandidaten festgelegt.“ Die Fraktion müsse sich noch ein Bild von dem zweiten Bewerber machen.

CDU-Mitglied Thorben Schütt will bei der Landratswahl als überparteilicher Kandidat betrachtet werden. Das ist etwas schwierig: Der 33-jährige Jurist war bei der Jungen Union aktiv und hat nach seinem Studium und seiner Ausbildung im Oberlandesgericht in Schleswig nur Tätigkeiten im Landtag und in der Landesregierung ausgeübt. So war er stellvertretender Referatsleiter in der Staatskanzlei bei Landesparteichef Daniel Günther, zurzeit leitet er das Büro von Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack.

Seine Kandidatur für den Posten in der Kreisverwaltung in seiner Heimatstadt Heide reichte Schütt erst Mitte Januar ein. Der landwirtschaftlich geprägte Kreis Dithmarschen, der sich rühmt, das größte geschlossene Kohlanbaugebiet Europas zu besitzen, gewinnt durch den Bau der Batteriefabrik der Firma Northvolt an Bedeutung: Die schwarz-grüne Landesregierung sieht hier die Keimzelle des klimaneutralen Industrielandes, zu dem Schleswig-Holstein werden soll.

„Haltung ist keine Yoga-Übung“

Durch eine Erklärung von Lukas Kilian, Generalsekretär der Landes-CDU, erreichte die Wahl in Dithmarschen die Landesebene: Da die AfD erklärt habe, Mohrdieck zu unterstützen – was sie nicht getan hat – solle der Landrat zurückziehen. Kilian verwies auf die Landratswahl im Kreis Rendsburg-Eckernförde, wo ein CDU-Kandidat seine Bewerbung zurückgenommen habe. „Ich erwarte diese Haltung auch von unseren politischen Mitbewerbern, denn Haltung ist keine dehnbare Yoga-Übung“, so Kilian.

SPD-Landesparteichefin Serpil Midyatli konterte, sie brauche keine Belehrung von der CDU. Sie erwarte von allen Kandidaten, dass sie die Wahl nicht annähmen, käme ein Ergebnis nur mit AfD-Stimmen zustande. Gazi Freitag aus der Grünen-Landesspitze erinnerte seine Par­tei­freun­d*in­nen an ihre Verantwortung: „Wir stehen zur Vereinbarung gegen Rechtsex­tremismus, die alle demokratischen Parteien nach der Kommunalwahl geschlossen haben.“

Für die Abgeordneten im Kreistag ist die aufgeheizte Debatte und die bundesweite Berichterstattung schwierig. Es sei „betrüblich, dass die CDU mit einem eigenen Kandidaten ins Rennen geht“, sagte Jörg-Uwe Halusa, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Kreistag. „Sie wäre besser beraten, auf den amtierenden Landrat zu setzen, um das Bündnis der Demokraten nicht zu gefährden.“

Amtsinhaber Mohrdieck hatte bereits im Herbst erklärt, dass er erneut antreten wolle. Der gebürtige Brunsbütteler und Vater von zwei Kindern hat eine Verwaltungslehre im Brunsbütteler Rathaus durchlaufen, auf dem zweiten Bildungsweg die Fachhochschulreife erlangt und Verwaltungswirtschaft an der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistung in Altenholz studiert.

Die Zusammenarbeit mit Mohrdieck sei stets gut gewesen, sagt Kerstin Hansen. Er habe es nicht verdient, in die Nähe der AfD gerückt zu werden. Die Debatte beschädige beide Kandidaten, befürchtet sie.

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