: Schlanke Mehrheit gegen breite Autos
In Paris soll das Parken für Besucher*innen mit schweren Autos zukünftig dreimal so teuer sein. An der Bürgerbefragung zu dem Thema nahmen allerdings nur knapp sechs Prozent der Wahlberechtigten teil
Aus Paris Rudolf Balmer
Es war relativ knapp. Mit 54,55 Prozent haben sich die Pariser Wahlberechtigten am Sonntag gegen schwere Geländewagen ausgesprochen, die meist mit der Abkürzung SUV für „Sport Utility Vehicle“ bezeichnet werden. Zumindest lautete die Frage auf den Plakaten, mit denen die rot-grüne Stadtregierung in allen Quartieren die Bürger*innen zur Abstimmung aufgerufen hatte: „Für oder gegen SUVs in Paris?“ Tatsächlich ging es aber dabei nicht ums Prinzip oder Fahrverbote, sondern lediglich um höhere Parkgebühren für die großen Gefährte in der Stadt.
In den 38 Wahllokalen wurden die Bürger*innen informiert, dass die steigenden Parkkosten Verbrennerautos, die mehr als 1,6 Tonnen wiegen, und Elektroautos mit mehr als 2 Tonnen auferlegt würden. Die Gebühren sollen sich verdreifachen. Beispielsweise 18 statt 6 Euro pro Stunde im Kern der Hauptstadt. Um sich dazu zu äußern, lagen zwei Zettel aus, einer pro und einer kontra.
Es wurde im Vorfeld der Befragung mit einer deutlichen Mehrheit für die als Abschreckung gedachten und massiv erhöhten Gebühren gerechnet. Doch offenbar gelang es auch den Klubs der Besitzer von SUVs, ihre Anhänger zu mobilisieren, um sich gegen eine Maßnahme zu wehren, die sie als ungerecht betrachten. Insgesamt beteiligten sich auch nur 5,68 Prozent der Wähler*innen, was ein Zeichen dafür ist, dass es der großen Mehrheit der 1,3 Millionen abstimmungsberechtigten Hauptstadtbewohner ziemlich wurst ist, was im Rathaus für oder gegen die SUVs beschlossen wird. Die Volksbefragung hatte ohnehin nur eine konsultative Bedeutung, das heißt, sie ist juristisch nicht bindend.
Die sozialistische Bürgermeisterin Anne Hidalgo hat somit zwar auf dem Papier eine Zustimmung, die sie als Votum für ihre Verkehrspolitik verkaufen kann. Doch das geringe Interesse der Wähler*innen schwächt dessen Wert stark ein. Immerhin gelang es Hidalgo, eine symbolische Maßnahme einem breiteren Publikum bekannt zu machen und diesem eine Gelegenheit zu bieten, persönlich Stellung zu beziehen.
Anzumerken ist auch, dass die in den zwanzig Arrondissements von Paris wohnenden SUV-Eigentümer*innen von der neuen Gebührenordnung verschont bleiben. Auch Firmenwagen sowie Fahrzeuge von Fahrer*innen mit Behinderung bleiben ausgenommen. Die Ausnahme für die Hauptstadtbürger*innen, die zugleich die Wählerschaft von Hidalgo bilden, könnte aber zu einem späteren Zeitpunkt aufgehoben werden. Das ist in der Zuständigkeit der verkehrspolitisch sehr aktiven linken Stadtregierung.
Die Quartierbewohner*innen von der als Restriktion oder Abschreckung gedachten Maßnahme auszunehmen könnte zudem unplausibel sein. Es stellt sich die Frage, wozu ausgerechnet Leute, die mitten in einer Metropole wie Paris leben, einen Geländewagen brauchen. Umgekehrt müssen die „Auswärtigen“ nun mehr blechen, obwohl sie weit außerhalb der Stadt auf dem Land wohnen, wo die Wege tatsächlich mit einem Vierradantrieb leichter zu befahren sind. Möglich ist, dass dieser Widerspruch viele Stimmberechtigte dazu veranlasste, auf den Urnengang, der lediglich der Bekräftigung einer längst beschlossenen Politik diente, zu verzichten.
Genaue Zahlen, wie viele Autos überhaupt betroffen sein könnten, gibt es vorerst nicht. Bekannt sind die Daten, die eine tendenzielle Zunahme der SUV-Käufe im Vergleich zu „normalen“ Pkws in ganz Frankreich belegen. Aufgrund des Gewichts als einziges Kriterium wären laut der Wirtschaftsberatungsfirma AAA Data in der Hauptstadtregion fast 900.000 immatrikulierte Fahrzeuge und in Paris etwas mehr als 130.000 Fahrzeuge betroffen. Doch nur etwa die Hälfte dieser nach Gewichtsklassen erfassten Fahrzeuge sind tatsächlich SUVs. Klarheit gibt es wohl erst im Herbst: Im September soll die neue Parkgebühr ausgearbeitet sein und in Kraft treten.
Der Politologe Paul Cebille vom Umfrageinstitut IFOP kritisiert am Montag in Le Figaro die Bürgerbefragung sehr scharf. Die Fragestellung der Abstimmung sei alles andere als klar gewesen. Die „unzureichende und konfuse Information“ erkläre auch „die schwache Beteiligung, die noch unter derjenigen der Befragung zu den E-Scootern im vergangenen Jahr liegt, die auf 7 Prozent kam“. Für ihn ist diese Konsultation „das Paradebeispiel dessen, was in Sachen lokaler Demokratie nicht gemacht werden sollte“.
Auch andere Städte in Frankreich wie Grenoble und Lyon versuchen bereits, mit erhöhten Parktarifen dicken Autos das Leben schwerer zu machen. Ob die Erhöhung der Parkkosten dafür ein effizientes Instrument ist, kann erst eine Zwischenbilanz in ein paar Monaten zeigen.
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