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Räumung des Protestcamps bei HannoverKonsequent falsche Verkehrspolitik

Michael Trammer
Kommentar von Michael Trammer

Das Protestcamp in der Leinemasch wurde geräumt. Die Landes-SPD ist auf einem fatalen Kurs – und dabei in Hannover in bester Gesellschaft.

Polizei bei der Räumung des Protestcamps Leinemasch 16. Januar Foto: Martin Dziadek/imago

O b Naturschutzgebiet, Heimat von Biber und seltener Fledermaus oder Erholungsort der Han­no­ve­ra­ne­r*in­nen – der niedersächsischen Landesregierung ist das alles egal. Jedem Protest zum Trotz schafft sie unter Führung von Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) diese Woche in Hannover Tatsachen.

Seit acht Jahren steht die Sanierung des Südschnellwegs an. Fast genauso lange machen An­woh­ne­r*in­nen und Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen auf ihre Forderungen zu Alternativen zum Ausbau und dem Erhalt des Naturschutz- und Naherholungsgebiets Leinemasch aufmerksam. Geändert hat das am Ausbauprojekt nichts. Klar, Straßen sollten Sicherheitsstandards entsprechen – womit die Verbreiterung neben dem Verkehrsaufkommen begründet wird. Keinen Radweg zu schaffen und keinen Rückgang des Verkehrs erreichen zu wollen, ist in Zeiten der Klimakrise aber ein Statement.

Dabei ist eine zukunftsgewandte Verkehrspolitik essenziell, denn ein Fünftel der deutschen CO₂-Emissionen stammt aus dem Verkehr. Wer es wirklich ernst meint mit den Zielen des Pariser Abkommens, weiß: Wir brauchen eine Mobilitätswende, um die Klimakatastrophe noch etwas abzufedern.

Am vermeintlich regionalen Thema „Ausbau des Südschnellwegs in Hannover“ zeigt sich, wie kompliziert die Umsetzung in der Praxis ist. Bürokratische Prozesse, träge wie Dinosaurier, und das „weiter so“ der letzten Jahrzehnte werden heute weiter zementiert. Die Rats-SPD ließ über die „autofrei“-Pläne bereits die Stadtkoalition platzen. Da ist die Entscheidung auf Landesebene immerhin konsequent.

Alles in allem haben die Ak­ti­vis­t*in­nen es zwar nicht geschafft, das Projekt zu verhindern, doch ihr breiter Protest wirkt. Beim anstehenden Ausbau des Westschnellwegs soll anders geplant werden, heißt es vom niedersächsischen Verkehrsminister Olaf Lies. Es wird sich zeigen, wie wir bei Bauabschluss in circa zehn Jahren auf die Entscheidungen blicken. Bis dahin ist die Leinemasch zwar noch Naturschutz-, aber wohl etwas weniger Naherholungsgebiet. Bald wird neben dem Straßen- der Baulärm die Idylle der Kiesteiche zerstören. Und die Schnellstraße bekommt dann Autobahnmaße.

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Michael Trammer
Freier Journalist aus Hannover | Arbeitet am liebsten multimedial und investigativ. Schreibt hier meist zu sozialen Bewegungen, sozialer Ungleichheit, Migration und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. | Mitglied des Journalist*innenkollektivs Freelance Underground | Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton; studiert Visual Journalism and Documentary Photography an der Hochschule Hannover
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8 Kommentare

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  • Für die hier so gepriesen Bahntrasse nach Hamburg queer durchs Land würden noch viel mehr Bäume gefällt aber das ist dann wohl alternativlos! Weil ist ja für die Bahn! Baum ab ist Baum ab egal wofür!

  • Geredet wird von einer Bauzeit von ca. zehn Jahren. ... Ob sich das noch lohnt, bei der Geschwindigkeit, die der Klimawandel entwickelt? Der wird auch unsere in weiten Teilen ohnehin angeschlagene Infrastruktur weiter beschädigen. Vermutlich fallen die meisten Bäume (und andere Naturflächen) grandiosen Bauvorhaben zum Opfer, die sich nicht mehr werden umsetzen lassen.

  • "Dumm" wäre zu freundlich für dieses Vorgehen.

  • Umwege sparen keine Brennstoffe. Ob die Verkehrspolitische Entscheidung richtig war, darüber sollen die Wähler urteilen.

  • Autofrei ist die falsche Verkehrspolitik. Die Rikscha ist ein Symbol der Armut. Wir brauchen unsere Autos, wir müssen sie nur klimaneutral machen. Das geht.

  • Ich fahre etwa drei Mal die Woche u.a. quasi parallel zum im Artikel beschriebenen Schnellweg mit dem Rad zur Arbeit, 12 km quer durch Hannover, von Westen nach Osten. Nie im Leben würde ich auf die Idee kommen, einen Radweg, der direkt neben der Schnellstraße verläuft, zu benutzen. Denn an den Kiesteichen lang, das ist viel schöner und auch nicht weiter. Ich kann mir auch kaum eine Konstellation vortsellen, wo dieser Radweg gebraucht würde. Deshalb ist zwar die Kritik am Ausbau teilweise nachvollziehbar, aber das mit dem nicht vorhandenen Radweg halte ich für einen Witz.

  • Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte ist von den Grünen, und diese muß die Rodung gestattet haben.

    In NRW hatte Landwirtschaftsminister Remmel ebenfalls Grüne die Rodung des Hambacher Forst genehmigt.

    • @Martin Sauer:

      Ich habe mal, was den Naturschutz anbelangt, große Hoffnung in die Grünen gesetzt. Dann habe ich irgendwann gedacht, die Grünen sind bezüglich des Naturschutzes das "kleinere Übel". Nun glaube ich das immer noch, aber nur, weil Typen wie Olaf Lies kaum zu toppen sind, in ihrer Ignoranz gegenüber Umweltthemen. Und der war mal Umweltminister.