piwik no script img

Arbeitsbedingungen in der PaketbrancheAuslieferung ohne Ausbeutung

Niedersachsen und Bremen wollen Subunternehmen und Werkverträge bei Paketdiensten verbieten. Vorbild ist das Vorgehen in der Fleischindustrie.

Eine Sackkarre voller Pakete: Pa­ket­zu­stel­le­r:in­nen haben immer mehr zu tun Foto: Jonas Woitas/dpa

Hamburg taz | Fristlose Kündigungen wegen Krankheit, regelmäßige Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit, Bezahlung unterhalb des Mindestlohns: Schon bald könnte Schluss sein mit miesen Arbeitsbedingungen, unter denen Pa­ket­zu­stel­le­r:in­nen zu leiden haben. Das hofft jedenfalls der niedersächsische Arbeitsminister Andreas Philippi (SPD).

Niedersachsen will gemeinsam mit Bremen und weiteren Bundesländern mit einem Verbot von Subunternehmen und Werkverträgen die Arbeitsbedingungen in der Paketbranche verbessern. „Der ausufernde Einsatz von Subunternehmen und Soloselbstständigen über Werkverträge untergräbt den Mindestlohn und befördert Scheinselbstständigkeit“, sagt Philippi mit Blick auf den kommenden Freitag. Dann soll im Bundesrat das Vorhaben auf den Weg gebracht werden.

Bezug nehmen die Länder auf das Vorgehen in der Fleischindustrie: Auch dort wurden jahrelang die Arbeitsbedingungen beklagt und immer wieder Verstöße gegen die Rechte von Ar­beit­neh­mer:in­nen aufgedeckt – so wie es Gewerkschaften auch heute weiterhin in der Paketbranche beklagen. „Wir müssen konsequent handeln, wenn in bestimmten Branchen Arbeitnehmerrechte regelhaft unterlaufen werden“, sagt Philippi nun – und bezieht sich auf das robuste Vorgehen der Politik in der Fleischindustrie.

Denn mit dem Anfang 2021 in Kraft getretenen Arbeitsschutzkontrollgesetz ist es dort seither grundsätzlich verboten, Fremdpersonal im Kerngeschäft, also bei der Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung, einzusetzen. „Daher sollte auch wie in der Fleischbranche mit einem Verbot von Werkverträgen reagiert werden“, forderte der Minister.

Bundesregierung will Postgesetz reformieren

Die Idee ist nicht ganz neu, schon in vergangenen Jahr hatte sich der rot-grün-rote Bremer Senat für ein solches Verbot starkgemacht und eine Bundesratsinitiative angeschoben, die aber keinen Erfolg gebracht hatte. Nun sehen die Länder einen anderen, vielversprechenderen Hebel: Vor einem Monat hatte die Bundesregierung den Entwurf zum sogenannten Postrechtsmodernisierungsgesetz beschlossen.

Vorrangig geht es der Bundesregierung darum, Postdienstleistungen „zu erschwinglichen Preisen sicherzustellen und den fairen Wettbewerb zu fördern“. Die Länder haben dazu jetzt einen Änderungsantrag eingebracht, mit dem das Verbot von Werkverträgen und Subunternehmen in das Postrechtsmodernisierungsgesetz mit aufgenommen werden soll.

Darin soll auch eine Kennzeichnungspflicht für mittelschwere und schwere Pakete aufgenommen werden, ebenso das Gebot, dass schwere Pakete über 20 Kilogramm künftig nur dann von einer Person zugestellt werden dürfen, wenn technische Hilfsmittel zur Verfügung stünden.

Thomas Warner hält das Vorhaben für eine gute Idee. Er ist bei Verdi im Landesbezirk Niedersachsen-Bremen für die Post- und Paketbranche zuständig. „Wir sprechen uns schon seit Langem dafür aus“, sagt Warner. Die Arbeit in der Branche habe schließlich massiv zugenommen. Tatsächlich ist die Anzahl der Sendungen von Kurier-, Express- und Paketdiensten in Deutschland zwischen 2014 und 2022 um rund 33 Prozent auf 4,1 Milliarden pro Jahr gestiegen.

Der Bundesverband Paket & Express Logistik (Biek) rechnet für die kommenden Jahre mit einem anhaltenden Wachstum, schon in vier Jahren könnte die 5-Milliarden-Marke geknackt werden: „Der florierende Onlinehandel ist der Hauptgrund für die größere Sendungsmenge“, erklärt der Branchenverband. Zugleich ist die Zahl der Mit­ar­bei­te­r:in­nen nicht im selben Maß gestiegen, sodass die Belastung wächst. „Es herrscht ein hoher Druck“, sagt Warner.

Amazon setzt auf Subunternehmen

Der Branchenverband hält ein solch weitreichendes Verbot allerdings für illegal. „Ein Verbot von Vertragspartnern bei der Paketzustellung greift tief in die Berufsfreiheit der Partnerunternehmen ein, ihre Berufstätigkeit wird verboten“, heißt es seitens des Biek.

Ein Gutachten, das im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung für Arbeitsrecht erstellt wurde, kommt hingegen zum gegenteiligen Schluss: Ein Direktanstellungsgebot in der Paketzustellung sei sehr wohl mit dem Verfassungs- und Europarecht vereinbar.

Treffen würde es in der Branche alle, sagt Warner, aber nicht in gleichem Maß: Für die Deutsche Post und seine Pakettochter DHL fiele ein Verbot nicht allzu sehr ins Gewicht, bei anderen umso mehr: „Ob GLS, DPD oder Hermes – sie alle lassen Pakete komplett von Subunternehmen zustellen“, sagt Warner. Selbes gilt auch für Amazon, seit der Onlinehändler immer weniger Pakete durch DHL, sondern selbstorganisiert zustellt: Der Marktanteil Amazons ist im vergangenen Jahr bei den Paketsendungsmengen laut der Bundesnetzagentur auf bis zu 25 Prozent gestiegen.

„Amazon stellt aber ja nicht selber zu, sondern beauftragt Subunternehmer mit der Durchführung“, sagt Warner. Und dort seien es mittlerweile vor allem Migrant:innen, die von den katastrophalen Arbeitsbedingungen betroffen sind: Subunternehmen würden gezielt Mi­gran­t:in­nen suchen und damit werben, dass man für diesen Job kein Deutsch können muss. „Das begünstigt dann die Rechtsverstöße der Subunternehmen“, sagt Warner.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • Stichwort Ausbeutung durch Subunternehmen und mangelhafte Arbeitssicherheit: schlimmer ist es, was Arbeitssicherheit angeht, nur noch auf dem Bau. Dort gibt es laut Spiegel die meisten Arbeitsunfälle.



    74 Menschen verloren bundesweit auf Baustellen ihr Leben.



    Platz 2 bei Arbeitsunfällen belegen Post und Logistik neben anderen Branchen.



    Zu leiden haben oftmals osteuropäische Arbeitskräfte, für die es keinerlei gewerkschaftliche Vertretung gibt. Jeder vierte Arbeitnehmer auf dem Bau kommt aus Osteuropa. Nicht mitgezählt viele, die dort illegal arbeiten. Die Sub-Arbeiternehmerstrukturen sind wie bei den Packetdiensten undurchschaubar.

    In der Hafencity, dem teuersten Pflaster Hamburgs, wurden bei einem Luxusbausprojekt vor kurzem vier Arbeiter unter einem Gerüst begraben. Es gab mehrere Tote.



    Bei einem der verschütteten und schwer verletzten Arbeiter ist bis heute nicht klar, wer ihn eigentlich beschäftigte und wer haftbar gemacht werden muss.



    Ein unhaltbarer Zustand, der dem in Teilen der "Dritten Welt", was Skrupellosigkeit bei dem verantwortlichen Bauherrn und dem staatlichen Versagen bei staatlichen Kontrollstrukturen, in nichts nachsteht.



    Nach dem Unfall besserte sich die Arbeitssicherheit bei dem Luxusbauprojekt nicht, wieder gab es Verstöße gegen die Arbeitssicherheit.

    Laut Zwischenbericht der Bundesregierung wurden 2022 von 1000 Baubetrieben im Schnitt nur 8,4 kontrolliert.



    Diese Zahlen schreien zum Himmel, sind aber seit Jahren deutsche Arbeitswirklichkeit auf dem Bau, für die Politiker aller Parteien in Bund und Land und die Bauherrn die Verantwortung tragen.



    Erst wenn Bauherrn mit Millionenstrafen bei schweren Unfällen zur Verantwortung gezogen werden können, wird sich etwas bessern.



    Dazu gehört auch, dass bei öffentlichen Bauaufträgen nach Tarif bezahlt werden muss. Selbst diese geringfügige gesetzliche geplante Verbesserung wackelt gerade.

    Arbeiterpartei SPD, die etwas zum Besseren für Bau- und Packetarbeiter bewirkt, das war einmal.

  • Das es auch anders geht, zeigt ein Blick auf die Paketzustellung in Dänemark (



    Doku © NDR Wir waren mal Mittel-schicht , 29.01.2024 | 22:00 Uhr).



    Netto ca. 3500 € pro Monat, keine prekären Mindestlöhne, allerdings zu 80 gewerkschaftlich organisiert !



    Prinziü in Deutschland: "Teile und herrsche !!!"



    Gewerkschaft ist Teufelszeug.



    Verstehe einer die betroffenen Beschäftigten !

  • "Bezug nehmen die Länder auf das Vorgehen in der Fleischindustrie: Auch dort wurden jahrelang die Arbeitsbedingungen beklagt und immer wieder Verstöße gegen die Rechte von Ar­beit­neh­mer:in­nen aufgedeckt"

    Warte mal: ist das nicht immer noch so? Gab es dazu nicht letztens noch einen Artikel hier in der Taz?

  • Schief läuft, daß ich ein Bedürfnis hab, dieses mir von Amazon befriedigen lasse, und die CDU sowie die SPD seit Äonen den kleinen Leuten sagen, Amazon hätte diese „Arbeit“ „geschaffen“.



    Und somit Amazon Marktmacht geben, die Menschen zu knebeln und auzubeuten.



    Die Ausgebeuteten werden mit Mindestlöhnen und unmenschlichen Zeitverträgen trangsaliert und springen natürlich auf „die Asylanten kriegen alles gezahlt“ so an, daß man sie der AfD geradezu in die Arme katapultiert!

  • Jeder, der Augen im Kopf hat, kann sehen, dass Packetzusteller ausgebeutet werden, deshalb ist die politische Initiatve sehr wichtig.



    Der Sumpf aus Sub-Unternehmen in dieser Branche muss dringend trocken gelegt werden.



    Das Gebot für technische Hilfsmittel ab 20 KG ist ein Witz, wenn Zusteller mit einer Sackkarre in den fünften Stock ohne Aufzug müssen.



    Schwere Packete müssen zu zweit ausgeliefert werden, so einfach ist das.



    Doch die hoch bezahlte Lobby wird mit allen Mitteln versuchen zu verhindern, dass es zu dieser humanitären Maßnahme kommt.



    Wenn nicht, sind die Mitarbeiter mit Mitte 50 ausgelaugt und gesundheitlich kaputt, den Schaden zahlt die Gesellschaft in Form von Berufsunfähigkeitsrenten.



    Aber dazu wird es gar nicht erst kommen, denn älterer Mitarbeiter schmeißen die Konzerne schon vorher raus.



    Was die Fleischindustrie als Vorbild angeht: da wurden zwar Gesetze verändert, aber die werden immer noch durch die Beschäftigung von Subunternehmen massiv umgangen, Kontrollen der Behörden finden fast gar nicht statt.

    Amazon und Co sind die Ausbeuter unserer Gesellschaft par exellence.

    Aber die Bürger kümmert das nicht, sie bestellen immer mehr und lassen Innenstädte veröden. Längst schon ist eine kräftige Steuer auf alle Packete von Amazon und Co fällig, um den Niedergang in den deutschen Innenstädten zu stoppen, die Kommentatoren in den Medien als unvermeidlich ansehen.

  • Der Artikel zeigt mal wieder, dass die Privatisierung der Post ein Fehler war. Als es die Deutsche Bundespost noch gab, herrschten dort weit bessere Arbeitsbedingungen mit sicheren Arbeitsplätzen und besserer Bezahlung, und die Zustellung lief absolut zuverlässig. Der mit der Privatisierung erzeugte Wettbewerb hat die Dienstleistungen nicht besser gemacht, sondern - nicht zuletzt wegen der Einstellung unqualifizierter Zusteller zwecks Lohndrückerei - zu weniger zuverlässiger Zustellung bei ständig steigenden Porti geführt.

  • Gute Initiative!

  • Es wird dringend Zeit das sich in Europa ein Versanddienstleister aufstellt,



    der in der Lage ist seine Leute gut zu bezahlen



    und auch die anvertrauten Pakete zuzustellen!

    Ich habe sechs Jahre bei Hermes gearbeitet, vor Sub und Ausbeutung!



    Ich hab am Ende 17,50DM verdient,



    das war eine Menge Kohle und sie Arbeit hat Spass gemacht!

    Was ist da schief gelaufen?