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Antworten zum Streik bei der BahnWieso stehen die Züge still?

Was fordert die GDL? Was bietet die Bahn? Was würde das für die Gehälter der Mit­ar­bei­te­r:in­nen bedeuten? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Lohnerhöhung und Arbeitszeitverkürzung: zwei Forderungen der GDL Foto: Christoph Soeder/dpa

Wie viel verdienen Lok­füh­re­r:in­nen und Zugbegleiter:innen?

Je nach Ausbildung, Tätigkeit und Berufserfahrung liegen die Grundgehälter von Lok­füh­re­r:in­nen derzeit brutto zwischen 2.897 und 3.825 Euro, bei Zug­be­glei­te­r:in­nen zwischen 2.284,95 und 3.165,32 Euro. Hinzu kommen gegebenenfalls verschiedene Zulagen, zum Beispiel Qualifikations- oder Ortszulagen, Nachtarbeits- und Schichtzulagen, Wochenend- und Feiertagszuschläge.

Wie viel verdient der Bahnvorstand?

Das Jahresgrundgehalt der acht Bahnvorstände bewegte sich 2022 zwischen 200.000 und 968.000 Euro brutto. Hinzu kam noch eine erfolgsabhängige Jahrestantieme, woraus sich Gesamteinkommen zwischen 419.000 und rund 2,24 Millionen Euro brutto ergaben. Runtergerechnet entsprach das einem Monatseinkommen zwischen 34.917 und 186.667 Euro. Noch nicht miteinberechnet sind dabei weitere Boni, die alle vier Jahre ausgeschüttet werden, die sogenannten Long-term Incentives (LTI).

Was fordert die GDL?

Die zentralen Forderungen, mit denen die GDL in die Tarifrunde gestartet ist, sind eine Lohnerhöhung um 555 Euro pro Monat, die Erhöhung der Zulagen für Schichtarbeit um 25 Prozent, eine Absenkung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden pro Woche für Schichtarbeiter ohne anteilige Lohnabsenkung, die Einführung der Fünf-Schichten-Woche für Arbeitnehmer im Schichtdienst sowie eine steuerfreie Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags soll maximal zwölf Monate betragen (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024).

Was bietet die Deutsche Bahn?

In ihrem bisher letzten Angebot vom vergangenen Freitag bietet die Deutsche Bahn eine Lohn­erhöhung um 4,8 Prozent ab August 2024 und weitere 5 Prozent ab April 2025. Außerdem soll es „so schnell wie möglich“ eine Inflationsaus­gleichs­prämie in Höhe von 2.850 Euro geben. Zum 1. Januar 2026 sollen die Lok­füh­re­r:in­nen und das Zugpersonal dann zwischen einer Lohnerhöhung um 2,7 Prozent oder einer Arbeitszeitverkürzung von 38 auf 37 Stunden wählen können. Die Laufzeit des Tarifvertrags soll 32 Monate betragen (1. November 2023 bis 30. Juni 2026).

Worauf hat sich die GDL mit anderen Verkehrsunternehmen­ geeinigt?

Als Vorbild für einen möglichen Kompromiss mit der Deutschen Bahn betrachtet die GDL die Tarif­einigungen mit 18 kleineren Eisenbahnverkehrsunternehmen. Ein Beispiel dafür ist der Abschluss mit Abellio für die Tochtergesellschaften Abellio Rail Mitteldeutschland und WestfalenBahn. Danach erhöht sich dort das monatliche Grundgehalt zum 1. Mai 2024 um 240 Euro und um weitere 180 Euro zum 1. Februar 2025. Zudem gibt es eine Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro. Die Wochenarbeitszeit soll für Mit­ar­bei­te­r:in­nen im Schichtdienst bei vollem Lohnausgleich schrittweise in vier Stufen bis zum 1. Januar 2028 von 38 auf 35 Stunden reduziert werden. Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt in Bezug auf die Entgelt­regelungen 24 Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2025).

Was hat die Deutsche Bahn mit der EVG vereinbart?

Die wesentlichen Punkte der Ende August 2023 abgeschlossenen Tarifrunde mit der EVG sind eine Lohnerhöhung von 200 Euro zum Dezember 2023 und um weitere 210 Euro zum August 2024, eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 2.850 Euro sowie eine zusätzliche Lohnerhöhung für Mitarbeitende in bahnspezifischen Schlüsselberufen. Eine Arbeitszeitverkürzung war bei den Verhandlungen kein Thema. Die Laufzeit des Tarifvertrags beträgt 25 Monate (1. März 2023 bis 31. März 2025).

Wie würde sich das auf die Höhe eines Monats­gehalts auswirken?

Das lässt sich nicht allgemein sagen, da die Deutsche Bahn der GDL bisher nur eine prozentuale Steigerung anbietet, von der Besserverdienende mehr profitieren als Schlechterverdienende. Aber als Anhaltspunkt soll ein Beispiel dienen: Eine Bahnbeschäftigte mit einem monatlichen Grundgehalt von bisher 3.000 Euro brutto erhielte ab August 2024 nach der GDL-Forderung 3.555 Euro, nach dem Bahnangebot 3.144 Euro und nach dem EVG-Tarifabschluss 3.410 Euro. Nach dem Bahnvorschlag würde sich ihr Gehalt ab April 2025 auf rund 3.301 Euro erhöhen und im Januar 2026 auf rund 3.390 Euro, läge also auch dann immer noch unter dem EVG-Abschluss. Wobei es zu diesem Zeitpunkt bereits einen neuen Tarifvertrag mit der EVG geben dürfte, also für EVG-Mitglieder entsprechend die nächste Lohnerhöhung, wodurch sich der Abstand weiter vergrößern würde.

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14 Kommentare

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  • Seit 17 Jahren fahre ich mit dem öffentlichen Nahverkehr, seit 7 Jahren pendel ich an meinem aktuellen Wohnort mit Bahn/Bus und Fahrrad. (Bus ist die Alternative bei Ausfällen/Verspätungen)



    Die Ausfälle der letzten zwei Jahre bei der Bahn sind unerhört. Die vielen Ausfälle, z.B. wegen Krankheit und Personalmangel, habe ich nur stoisch ertragen, weil es (hoffentlich) nur temporär ist, aber dann noch obendrauf 3 Streiks in gefühlt einem Jahr war wie eine Schelle ins Gesicht. Klar, warum nicht noch mehr Ausfälle on top? Und natürlich wurde das Jahresticket jedes Jahr teurer ohne Mehrwert.



    Und dann höre ich, dass meine Buslinie wegen ausfallender Finanzierung ab Feb. wegrationalisiert wird. Keine Alternative mehr zur unzuverlässigen Bahn. Ich bin geliefert. Ausgeliefert. Der Bahn. Der Bahn die auch schon vor Corona unzuverlässig war („Sein se froh dass wir überhaupt da sind, die Lok is heute früh nich angesprungen“ -RE3 [2018]) und das nur noch steigerte. Das geht einfach nicht.



    Ich hab es auch satt immer nur zu meckern und tu es einer Pendlerbekannten gleich, ich kaufe mir ein Auto.



    Ein Hybrid mit Automatik. Händler schon ausgesucht. Ich warte nur auf eine Zusage für einen Parkplatz vor meinem Block.



    Bock habe ich darauf nicht, primär wegen der finanziellen Mehrbelastung, sekundär habe ich noch weitere Gründe dagegen, aber ich brauche das Gefühl der Kontrolle, dass ich bestimmen kann pünktlich zur Arbeit zu kommen. Pünktlichkeit bzw. Zuverlässigkeit sind mir wichtig. Gehört zu meinen Werten.



    Ich find es nur lächerlich wie schlecht der ÖPNV sich hier entwickelt hat, dass Pendler zum Auto gedrängt werden (bin ja nicht die Erste und nicht die Einzige). Einerseits Leute von der Straße kriegen wollen, anderseits die Dt. Bahn auf Verschleiß fahren und kaum was nachhaltig ausbauen/verbessern. Und das durch alle letzten Regierungsperioden hinweg.



    Als wenn sich die Probleme der DB MA durch 555€ mehr ändern.

  • Zum aktuellen Arbeitskampf bei der DB AG hat LabourNet Gemany ein Dossier veföffentlicht:



    Tarifrunde 2023 der GDL mit Deutsche Bahn AG



    www.labournet.de/?p=216138

  • Die Beispielrechnung kann nicht stimmen. Es sind lediglich die 555 Eur/Monat auf die 3000 Eur addiert. Alles andere fehlt.

  • Gründe für Stillstand der Züge gibt es viele: Technischer defekt, Kältewelle (war erst vor Kurzem, und kaum einer hat gemurrt), Fehlendes Personal wegen zu wenig Kohle und zu viel Gier der Vorstände, kaputte Gleise, Personen im Gleis, spielende Kinder, Bauarbeiten.... und ja... AUCH bei Streik, wenn auf all die hausgemachten Problem hingewiesen werden soll.

  • 6G
    6028 (Profil gelöscht)

    Die Gesellschaft zerfällt in Gruppen mit Eigeninteressen.



    Der Bund als Eigentümer der Deutschen Bahn zahlt den Vorstandsmitgliedern hohe sechsstellige Jahresgehälter, was unangemessen ist; vermutlich mit dem Argument, dass das Management eines solchen Großunternehmens *nun mal* in dieser Größenordnung bezahlt wird.



    Die GDL vertritt rund 5% der Bahnbeschäftigten und lässt das Land einfach still stehen. Die Menschen, die nicht mit dem Auto zur Arbeit fahren müssen, haben eben Pech gehabt. Der eigentliche volkswirtschaftliche Schaden in Milliardenhöhe entsteht aber durch die Unterbrechung der Lieferketten, die im Moment ohnehin sehr fragil geworden sind. Nicht auszudenken, wenn die restlichen 95% Bahnler scheibchenweise das Gleiche tun würden. Und dann werden nur 0,5 % der Gesamtbevölkerung gestreikt haben.



    In 20 Jahren werden unsere Kinder in Peking darum betteln, Teil von deren verlängerter Werkbank sein zu dürfen.

    • @6028 (Profil gelöscht):

      Genau - streiken dürfen nur noch die, bei denen es nicht niemanden stört, wenn sie streiken.

  • "Das Jahresgrundgehalt der acht Bahnvorstände bewegte sich 2022 zwischen 200.000 und 968.000 Euro brutto. Hinzu kam noch eine erfolgsabhängige Jahrestantieme, woraus sich Gesamteinkommen zwischen 419.000 und rund 2,24 Millionen Euro brutto ergaben."

    Man muss abmildernd dazu sagen, dass die aber nicht streiken können. Denn wenn die nicht arbeiten, bemerkt es keiner und niemand ist beeinträchtigt.

  • Das Beharren auf einer sofortigen(!) Absenkung der Schichtarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden ist nicht machbar. Ganz einfache Rechnung, bei weniger Arbeitszeit braucht es mehr Personal um die gleiche Arbeit zu verrichten, dieses Personal gibt es auf Grund des Fachkräftemangels aber nunmal nicht. Über Lohnerhöhungen kann man ja reden, aber das ist unrealistisch.

    • @PartyChampignons:

      Mit den bisherigen Arbeitszeiten findet man aber offenbar eben auch kein Personal.

      Großartig andere Hebel den Job attraktiver zu machen hat man nicht. Homeoffice ist schwierig, Obstkörbe sind ein unverhältnismäßiger Aufwand.

      Toiletten auf den Loks wär noch was, wird aber wenn dann eher mit dem Austausch der Loks einhergehen, die Lebenszeiten von zwanzig bis sechzig Jahren haben können.

      Die Streckensanierung, die die Verspätungen reduzieren können wird noch ein Weilchen brauchen, bis sie Erfolge (weniger verärgerte Kunden, bessere Arbeitszeiten) liefert.

      Noch besser würde das mit den Verspätungen (und damit auch den Arbeitsbedingungen), würde man endlich den großen Ausbau (Mehr Gleise pro Strecke, mehr Strecken) angehen, aber das wird wohl auch eher ein Generationenprojekt.

      • @metalhead86:

        An Homeoffice (oder zumindest überhaupt Office) wird tatsächlich gearbeitet. Es gibt Forschung, die sich damit beschäftigt, Loks fernzusteuern von einem ortsfesten Arbeitsplatz aus.

        Dazu muss man wissen, dass Züge nur ganz selten auf Sicht gefahren werden (ein ICE hat bei voller Fahrt mehrere Kilometer Bremsweg, das geht nicht auf Sicht) und auch sonst die Sicherheit hauptsächlich durch die technische Überwachung erreicht wird.

        Das wird sicher nicht vom Homeoffice aus gehen, aber ein Büroarbeitsplatz, der keine Anreise erfordert und wo jederzeit eine Übergabe möglich wäre, wäre schonmal eine deutliche Verbesserung.

    • @PartyChampignons:

      Personalabbau über Jahre - das ist selbstverschuldeter Fachkräftemangel und das auf dem Rücken der Beschäftigten.

      • @Kunoberti:

        Mag ja sein, ändert aber nichts an der jetztigen Situation

        • @PartyChampignons:

          Mag ja sein, dass das an der jetzigen Situation nichts ändert. Aber den Forderungen der Gewerkschaft zu entsprechen wäre ja schon mal ein Anfang.