Werder Bremens Handballerinnen: Blechen für die Fußballerschulden
Die Handballerinnen von Werder Bremen büßen vier Punkte ein, weil Werders Kapitalgesellschaft zu viel Schulden hat. Das liegt an den Profifußballern.
So ist es gerade den Handball-Frauen von Werder Bremen ergangen: Ihnen hat die Handball-Bundesliga Frauen (HBF) für das laufende Zweitliga-Spieljahr 2023/24 vier Punkte abgezogen. „Grund hierfür ist ein Verstoß des Lizenznehmers SV Werder Bremen GmbH & Co KG aA gegen die Verpflichtung zur Verbesserung seines negativen Eigenkapitals“, teilte die HBF am vergangenen Montag mit.
Die Handballfrauen gehören mit den Fußball-, Tischtennis- und Schachprofis des Klubs zur 2003 vom Gesamtverein ausgegliederten SV Werder Bremen GmbH & Co KG aA. Laut Richtlinien der HBF hätte Werders Kapitalgesellschaft ihr zum 30. 6. 2020 ausgewiesenes negatives Eigenkapital bis zum 31. 12. 2023 um mindestens 30 Prozent verbessern müssen.
Negatives Eigenkapital ist der Saldo aus Vermögen und Schulden – und dafür sind eben gerade nicht die Handballerinnen des Klubs verantwortlich, sondern die Profifußballer. „Im Profifußball werden naturgemäß andere finanzielle Summen bewegt“, sagt Anne-Kathrin Laufmann, Geschäftsführerin Sport & Nachhaltigkeit bei Werder Bremen. „Dabei haben sich in der Bilanz der Kapitalgesellschaft in den vergangenen Jahren die geringeren Einnahmen durch den Abstieg aus der Fußball-Bundesliga und die Einschränkungen durch die Coronapandemie deutlich bemerkbar gemacht.“
Timm Dietrich, Cheftrainer der Bremer Handball-Zweitligistinnen
Zur Finanzierung der Fußballprofis hatte Werder eine Mittelstandsanleihe in Höhe von 18,5 Millionen Euro aufgelegt und per Landesbürgschaft einen Kredit von 20 Millionen Euro aufgenommen.
Bereits in der vergangenen Saison, als Verstöße gegen Kapitalauflagen noch mit Geld statt Punkten bestraft wurden, hatte die HBF Werder eine Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro aufgebrummt – an die Deutsche Fußball-Liga waren wegen ähnlicher Kapitalauflagen sogar eine Million Euro fällig.
„Natürlich sind die Mannschaft und wir als Trainerteam sehr enttäuscht darüber, dass wir vier sportlich errungene und hart erarbeitete Punkte verlieren“, sagt Timm Dietrich, Cheftrainer des Handball-Zweitligisten. „Dennoch ändert sich an unserer Herangehensweise in der täglichen Arbeit nichts.“
Dass der Ärger vergleichsweise milde ausfällt, hängt mit der immer noch komfortablen Tabellensituation der Bremerinnen zusammen. Durch den Punktabzug sind sie zwar auf einen Schlag von Platz zwei auf sechs abgerutscht. Nachdem in den letzten Jahren oft Abstiegskampf angesagt war, ist es aber immer noch die beste Saison seit dem Aufstieg 2015. Dem tut auch die 25:27-Niederlage bei Kurpfalz Bären in Ketsch bei Heidelberg am Sonntag keinen Abbruch. Bis Ende des Jahres führten sie mit dem neuen Trainer Dietrich und einigen Neuzugängen sogar die Tabelle an – zur ligaweiten Überraschung.
Forsche Töne gegenüber den kostenaufwendigen Männerfußballern sind auch deshalb nicht zu hören, weil der Leistungssport auf Bundesliga-Niveau im Handball genauso wie im Frauenfußball, Tischtennis und Schach unter dem gemeinsamen Dach mitsubventioniert wird. „Die Planungssicherheit, auch in den kommenden Jahren die nächsten Schritte dieser Entwicklung gehen zu können, hat für uns eine große Bedeutung“, sagt Martin Lange, Vorsitzender der Handball-Abteilung bei Werder.
Ohne dieses Engagement würde es Bundesliga-Handball in Bremen nicht mehr geben, obwohl vor 30 Jahren der europäische Frauenhandball sogar von hier aus dominiert wurde. Mit dem Geld eines Finanzmaklers – später wegen verbotener Finanzgeschäfte zu einer Haftstrafe verurteilt – kaufte sich der TuS Walle Ende der 1980er-Jahre die besten Spielerinnen des Kontinents zusammen; das Team brachte es bis zum Europapokalsieg. Nachdem das Geld des Mäzens ausblieb, begann ein Abstieg auf Raten, der 1998 mit der Abmeldung vom Spielbetrieb endete. Eines von vielen mahnenden Beispielen im Profisport, die verschärfte Kapitalauflagen nötig machten.
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