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Parlamentswahl in BangladeschLieber spazieren als wählen

Da die Opposition zum Boykott aufgerufen hat, sprechen viele von einer Scheinwahl. Die Beteiligung beträgt laut Wahlkommission 40 Prozent.

War eine der Ersten, die gewählt haben: Premierministerin Sheikh Hasina strebt ihre fünfte Amtszeit an Foto: Altaf Qadri/ap

DHAKA taz | Der Auto- und Rikshahupenchor blieb an diesem Sonntag aus. Es ist ruhig wie selten in Bangla­deschs Hauptstadt Dhaka. Die Regierung erklärte den sonst üblichen Arbeitstag zum Feiertag. Auch für Abdul ist es still gewesen, doch er hat sich nicht freigenommen. Er steht mit seiner geschmückten Fahrradrikscha an einer riesigen, sonst viel befahrenen Kreuzung. Ab und zu hält ein Bus. Er und seine Kollegen warten auf Kundschaft, doch heute kommen nur wenige.

„Früher habe ich gewählt, weil es Kandidaten von verschiedenen Parteien gab. Dieses Mal ist es anders – es gibt nur noch eine regierende Partei, die Awami-Liga“, sagt er mit rauer Stimme. Die Opposition hatte nicht nur zum Boykott aufgerufen, sondern auch zu einem zweitägigen Streik. Deshalb mieden es viele, das Haus zu verlassen. Viel Sicherheitspersonal war auf den Straßen und vor Wahllokalen zu sehen.

Der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf friedliche Versammlung zeigte sich im Vorfeld „zutiefst besorgt über das repressive Umfeld der bevorstehenden Wahlen“. Die Behörden seien wiederholt aufgefordert worden, das harte Vorgehen gegen politische Aktivisten und Akteure der Zivilgesellschaft dringend zu beenden.

Ins Wahllokal in Dhaka 7, im alten Teil der Stadt, ging Moly Akter mit ihrer Schwester in den Rohbau eines Gemeindezentrums, um ihre Stimme abzugeben. Als sie aus der Wahlkabine kommt, hat sie einen dicken blauen Strich auf dem Daumennagel. Er soll verhindern, dass sie zweimal wählt.

Zwei Explosionen während der Wahl

Akter ist der Aufforderung von Premierministerin Sheikh Hasina gefolgt, ihr Wahlrecht zu gebrauchen. Laut Wahlkommission haben 40 Prozent der fast 120 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Die Regierungschefin war eine der ersten. „Bangladesch wird seine demokratische Entwicklung fortsetzen“, sagte Hasina, die ihre insgesamt fünfte Amtszeit anstrebt. Doch davon sind nicht alle überzeugt.

„Es ist nicht gut für ein Land, wenn eine Partei 15 Jahre oder länger regiert“, meint Shaiful Ahmed aus Dhaka. Er nutzte den Tag für einen ausgedehnten Spaziergang im Ramna-Park im Stadtzentrum statt des Ganges zur Wahlurne. Der Bankangestellte ist auf der Suche nach Ablenkung. Es müsse einen Wechsel an der Spitze geben, ist seine Meinung. Doch das Wahlergebnis ist schon klar: Ohne oppositionelle Kan­di­da­t:in­nen, die sich nicht zur Wahl aufstellen ließen, wird die amtierende Premierministerin Hasina einen kampflosen Wahlsieg einfahren.

Eine Stunde nach dem Wahlende um 16 Uhr kamen schon die ersten Wahl­be­ob­ach­te­r:in­nen zusammen. Eine Delegation aus Russland war darunter, sie lobte die Organisation. „Wir haben gesehen, dass die Wähler aktiv waren“, äußerte sich Andrei Shufov. Andere hielten sich noch zurück mit öffentlichen Statements.

An einer Wahlstation hatte es einen Protest von 30 Personen gegeben, berichtete eine Beobachterin. Etwa 30 Vorfälle von Gewalt gab es laut Behörden. Darunter waren zwei Explosionen in der Nähe eines Wahllokals in Dhaka. Auch in der Hafenstadt Chittagong kam es zu einem Zwischenfall.

Erfolgreich nicht gewählt

Am Sonntagabend verkündete der oppositionelle Politiker Abdul Moyeen Khan (BNP), dass ihr Aufruf zum Wahlboykott erfolgreich gewesen sei: Nicht nur im Namen seiner Partei, sondern vieler weiterer beglückwünschte er alle, die „diese absurde Abstimmung ignoriert“ haben, so Khan. „In den meisten Wahllokalen waren fast keine Wähler anwesend“, sagte er Medienvertretern.

Die tatsächliche Zahl der Wählenden spiele keine Rolle, sagte ein Parteikollege von Khan gegenüber der taz. In der Tat hatte die Wahlkommission am Vorabend angekündigt, dass eine geringe Beteiligung ausreiche.

„Unsere Premierministerin ist die einzige Wahl, die wir haben“, sagt Mahfuz, der für eine Denkfabrik arbeitet. Es ist ein Satz, der oft zu hören ist, vielen fehlte eine Alternative zu Hasina.

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