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Referendum in ChileEin Land im Stillstand

Kommentar von Sophia Boddenberg

Das Ergebnis des Verfassungsreferendums in Chile ist im Sinne der Rechten. Auch wenn ihr Entwurf scheiterte, wollten sie keine sozialen Reformen.

Gabriel Boric, Präsident von Chile, spricht nach der Abstimmung über den Entwurf einer neuen Verfassung mit der Presse Foto: Andres Poblete/Ap/dpa

D ie Menschen in Chile haben den von rechten Parteien ausgearbeiteten Verfassungsentwurf abgelehnt. Damit ist der zweite Versuch gescheitert, nach dem sozialen Aufstand 2019 die politischen Grundsätze zu verändern, die das Land seit der Militärdiktatur zwischen 1973 und 1990 prägen. Jetzt bleibt erst einmal die Verfassung in Kraft, die Pinochet 1980 verabschiedete.

Präsident Gabriel Boric machte deutlich, dass es während seiner Amtsperiode keinen neuen Versuch geben wird, das Grundgesetz zu verändern. Von der Aufbruchsstimmung der Proteste vor vier Jahren ist nichts mehr zu spüren.

Das Abstimmungsergebnis hat einen bitteren Beigeschmack. Es ist zwar aus linker Perspektive positiv zu bewerten, dass der Text der Rechten abgelehnt wurde, der den neoliberalen Kurs der Vergangenheit demokratisch legitimiert und soziale Rechte noch stärker eingeschränkt hätte. Trotzdem ist das Ergebnis kein Grund zum Feiern. Viele Menschen sind frustriert, enttäuscht und politikmüde. 50 Jahre nach dem Militärputsch gelten weiterhin die Regeln der Verfassung aus der Diktatur. Für die Probleme, die Millionen von Menschen 2019 zu den Protesten antrieben, gibt es immer noch keine Lösungen. Bildung, Renten und Gesundheit sind weiterhin privatisiert, Indigene haben kaum Rechte, die soziale Ungleichheit wächst weiter.

Der Ausgang des Referendums ist darum auch keine Niederlage für die Rechte. Diejenigen, die nie eine Verfassungsänderung wollten und das Erbe Pinochets gutheißen, haben trotzdem gesiegt. Denn alles bleibt, wie es ist. Und die rechten Oppositionsparteien haben einen starken politischen Einfluss. Der links gerichtete Präsident Gabriel Boric hat keine Mehrheit in den beiden Parlamentskammern und war bisher nicht in der Lage, die Transformationen umzusetzen, die er angekündigt hat. Er muss jetzt einen Weg finden, durch Gesetze politische Reformen umzusetzen.

Solange es keine strukturellen Veränderungen gibt, wird die Unzufriedenheit der Menschen in Chile weiterwachsen. Und die angestaute Wut wird sich früher oder später wieder bei Protesten auf den Straßen niederschlagen.

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1 Kommentar

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  • So spielt sich linker deutscher Journalismus über Chile ins Abseits.



    Es gelten nun wirklich nicht mehr die gleichen Regeln wie 1980.



    Die Verfassung von 1980 wurde mehrfach massivst geändert. Hier ist eine ausführliche Darstellung dazu: www.misabogados.co...n-desde-1980-a-hoy



    Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, als Pinochet auch nach seiner Abwahl einen Senatorensitz auf Lebenszeit hatte, ohne sich je einer Wahl stellen zu müssen.



    Weitere Änderungen betreffen Kleinigkeiten wie Anti-Terror-Gesetzgebung, Zensur, Möglichkeit für Regierung hohe Militärs zu entlassen, Anerkennung des Internationalen Strafgerichtshofs, etc. Noch in den 90ern war das ein anderes Land.



    Die Sozialrenten sind zwar bei weitem nicht auf deutschen Niveau, wurden aber auch vor dem Hintergrund der Proteste unter Pinera stark aufgestockt. Trotz aller Schwächen bringt das Bildungssystem 80% der aktuellen Generation zur Hochschulreife. Lehrer werden heute deutlich besser bezahlt als noch vor 10 Jahren.



    Die erste Verfassungsgebende Versammlung spiegelte so wenig die politischen Überzeugungen der meisten Chilenen wie die aktuelle. Frau Boddenberg verwechselt hier mutmaßlich ihre santiaguinische peer group aus Polit-Aktivisten mit Chile.