Ägyptens Friedensplan für Nahost: Frieden nur auf dem Papier

Nach dem Vorstoß aus Washington legt nun auch Kairo einen Plan für die Palästinensergebiete vor. Realistisch ist weder der eine noch der andere.

Angehörige israelischer Geiseln der Hamas protestieren für deren Freilassung

Der Druck auf die israelische Regierung wächst. Die Angehörigen der Geiseln fordern die Verhandlungen wieder aufzunehmen Foto: Ammar Awad/reuters

An guten Ideen für die Zukunft des Heiligen Landes mangelt es in diesen unheiligen Tagen nicht. Nach dem Vorstoß von US-Präsident Joe Biden, die Zweistaatenlösung zu reanimieren und der Palästinensischen Autonomiebehörde mit Präsident Mahmud Abbas an der Spitze neuen Ruhm und Macht zu verschaffen, meldet sich nun auch Ägypten mit einem Vorschlag.

Eine stufenweise Freilassung der Geiseln im Gegenzug für weitere palästinensische Häftlinge steht in dem Plan – und die Übernahme der Verwaltung von Westjordanland und Gazastreifen durch ein ExpertInnenteam. Rosige Perspektiven, wenn es nur nicht so schwierig wäre, die beiden Konfliktparteien davon zu überzeugen. Papier ist geduldig. Es stört sich nicht daran, dass Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu am 1. Weihnachtstag im Wall Street Journal seine Vorstellungen kundtat, die ganz anders aussehen.

Drei Bedingungen schweben ihm vor: Die Hamas muss zerstört werden, der Gazastreifen entmilitarisiert und die Bevölkerung dort deradikalisiert. Damit bleibt wenig Spielraum mit der gegnerischen Seite, die sich offenbar so wenig begeistert wie die israelische über die Vorschläge aus Kairo und Washington zeigte, in Verhandlungen zu treten.

Die Hamas hat ihr Hauptziel schon am 7. Oktober erreicht: Terror zu verbreiten, puren Schrecken und Verunsicherung der israelischen Bevölkerung, die das Vertrauen in die Armee verlor. Jahia Sinwar, Chef der Hamas im Gazastreifen und der Kopf hinter dem Massaker, das den Krieg auslöste, ist erbarmungslos – auch den eigenen Landsleuten gegenüber, deren Leid ihn nicht kümmert. Sinwar war einst zuständig für die Hinrichtung palästinensischer Kollaborateure.

Die Geiseln zuerst

Die Legende sagt, dass er einen Mann dazu zwang, seinen Bruder lebendig zu begraben. Die noch gut 100 im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln dienen Sinwar als wertvolle Verhandlungsmasse, wenn es darum geht, den eigenen Kopf zu retten. Mit jeder weiteren von den Terroristen ermordeten oder schlimmer: versehentlich von israelischen Soldaten erschossenen Geisel wächst der Druck der israelischen Bevölkerung auf die eigene Regierung, neue Verhandlungen für die Freilassung der entführten Menschen aufzunehmen.

Das dunkelste Szenarium am Ende des Krieges wäre für Israel der Tod der Geiseln und das Überleben der Hamas. Die Islamisten bis zum letzten Mann auszulöschen, wie es Netanjahu propagiert, dürften indes Illusion bleiben. Er täte gut daran, allen voran die noch lebenden Geiseln aus ihrer Gefangenschaft zu befreien. Was dann kommt, ist zweitrangig.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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