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Verfassungsgericht stoppt VolksbegehrenHamburg darf weiter klotzen

Die Volksinitiative für ein Bebauungsverbot von Grünflächen ist vor Gericht gescheitert. Der Hamburger Senat hatte geklagt, wie gegen jede Initiative.

Noch jede Menge Platz zum Zubauen: Ochsenwerder im Hamburger Osten Foto: Axel Heimken/dpa

Hamburg taz | Das Hamburgische Verfassungsgericht hat am Freitag die Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten – Klimaschutz jetzt“ gestoppt. Sie darf ihr geplantes Volksbegehren nicht durchführen. Ziel der Initiative war es, die Ausweisung neuer Baugebiete auf Grün- und Landwirtschaftsflächen zukünftig zu verbieten.

Das Gericht urteilte nun, eine solche Festlegung sei nicht mit dem Bundesrecht vereinbar. Das sehe bei der Bauleitplanung in den Ländern „eine gerechte Abwägung aller privaten und öffentlichen Belange“ vor, so das Landesverfassungsgericht. Dazu gehörten etwa die Wohnbedürfnisse und die sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung, Belange des Umwelt- und Naturschutzes, der Wirtschaft, der Verkehrsanbindung und der Infrastruktur.

Die Volksinitiative hatte 2021 die nötigen 10.000 Unterschriften vorgelegt und im Mai 2022 die Durchführung eines Volksbegehrens beantragt. Der Hamburger Senat hatte den Gesetzesentwurf der Initiative daraufhin dem Landesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt, mit dem Ziel, die Durchführung des Volksbegehrens für unzulässig zu erklären. Die Regierung des Stadtstaats sah sich dadurch in ihrer Handlungsfreiheit übermäßig eingeschränkt. Neue Stadtteile, wie Hamburg sie derzeit etwa in Oberbillwerder plant, wären damit zukünftig ausgeschlossen gewesen.

Die Volksinitiative verfolge mit ihrer Vorlage das Ziel, die Ausweisung neuer Baugebiete für bestimmte Flächen generell auszuschließen, hieß es in der Urteilsbegründung. Damit gehe sie weit über ein städtebauliches Konzept hinaus, das in Bebauungsplanverfahren nur als ein Belang unter vielen abgewägt werden müsste.

Wirkung zu weit in die Zukunft

Eine derart teilweise vorweggenommene Entscheidung für die Bauleitplanung werde den Anforderungen des Abwägungsgebots nicht gerecht, so das Gericht. Es schließe für eine Vielzahl unterschiedlicher Flächen im gesamten Hamburger Stadtgebiet Entscheidungen der Bebauungsplanung für alle Zeiten aus, obwohl die jeweils dafür maßgeblichen Belange „noch gar nicht bekannt seien und auch gar nicht bekannt sein könnten“.

Die Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft kritisierte die Entscheidung: „Das Urteil des Verfassungsgerichts bedauere ich sehr“, teilte ihr umweltpolitischer Sprecher Stephan Jersch mit. „Einerseits werden entschiedene Maßnahmen für den Klimaschutz gefordert – darunter auch der Stopp der Flächenversiegelung – andererseits wird dem Senat mit diesem Urteil ein Freifahrtschein für weitere Umweltzerstörungen ausgestellt.“ Das Urteil werde die Einhaltung der Pariser Klimaziele weiter erschweren und „den Bulldozern Vorrang vor dem Naturerhalt geben“.

Für die Klägerseite begrüßte Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen das Urteil hingegen: „Wir brauchen beides – die Klimakrise erfordert einerseits mehr Grün und Versickerungsmöglichkeiten, anderseits suchen viele Ham­bur­ge­r*in­nen bezahlbaren Wohnraum und eine Bleibe für sich und ihre Familien“, teilte er mit. „Mit Blick auf diesen Zielkonflikt war das angemeldete Volksbegehren zu einseitig.“ Das Erreichen einer „Netto-Null-Versiegelung“ sowie eine stetige Aufwertung von Grün- und Naturflächen sei jedoch ausdrücklich das Ziel der Grünen Fraktion.

SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf schrieb: „Hamburg behält damit weiterhin seine Handlungsfähigkeit im Sinne einer mit dem Nabu 2019 vereinbarten nachhaltigen Stadtentwicklung. Damals hatte sich der ebenfalls rot-grüne Vorgängersenat mit der vor allem vom Nabu getragenen Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ geeinigt und damit einen Volksentscheid abgewendet: 30 Prozent der Landesfläche sind seitdem vertraglich für die Natur geschützt.

Auch der Direktor des Verbands norddeutsche Wohnungsunternehmen Andreas Breitner meldete sich zu Wort: „Die sozialen Vermieter atmen auf. Die Ausweisung neuer Baugebiete grundsätzlich zu untersagen, hätte nur bedeutet, dass die Schaffung bezahlbaren Wohnraums fast unmöglich geworden wäre“, ließ er mitteilen.

Hamburgs Senat klagt alles weg

Hamburgs rot-grüner Senat hat bisher jede erfolgreiche Volksinitiative vor dem Verfassungsgericht verklagt. Damit hat er verhindert, dass in dieser Legislaturperiode ein einziges Volksbegehren tatsächlich stattgefunden hätte. Schon 2020 hatte das Gericht eine Initiative zur Abschaffung der Schuldenbremse in Hamburg kassiert.

Zwei Jahre später verbot es eine Volksabstimmung mit dem Ziel, Bürgerentscheide auf Bezirksebene für die Stadt verbindlich zu machen. In diesem Jahr sind bereits eine Initiative gegen Rüstungstransporte über den Hamburger Hafen und eine für ein Modellprojekt Grundeinkommen beim Gericht durchgefallen. Die Verfechter des Grundeinkommens starten allerdings derzeit einen neuen Anlauf, der die rechtlichen Hinweise des Urteils mit aufnimmt.

Vor drei Wochen hat der Senat auch gegen die Volksinitiative „Hamburg enteignet“ Klage eingereicht. Die strebt die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne an. Die Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ hat die nötigen 10.000 Unterschriften im Juli vorgelegt. Nun muss zunächst die Bürgerschaft über ihren Vorschlag beraten.

Hinweis der Redaktion: Wir haben diesen Text mehrfach um eintreffende Stellungnahmen ergänzt.

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1 Kommentar

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  • Für mich ist der Vorwurf, die Stadt "klage alles weg", wenig plausibel. Für Bürger und Staat besteht die Möglichkeit, Gerichte anzurufen, um rechtliche Klärung herbeizuführen. Wenn sich Bürger gegen staatliche Vorhaben wehren, wird man auch nicht davon sprechen, die Bürger würden "alles wegklagen".