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Parteitag der SPD und Haushaltskrise„Ich erwarte SPD pur“

Der Haushalt für 2024 kann wohl doch nicht mehr in diesem Jahr verabschiedet werden. Das überschattet auch den Parteitag der SPD.

Laut Lindner fehlen 17 Milliarden Euro in dem 450 Milliarden schweren Etat Foto: Annegret Hilse/Reuters

Berlin taz | Was viele befürchtet haben, wird nun zur Gewissheit: Der Haushalt für 2024 kann in diesem Jahr nicht mehr verabschiedet werden. Das geht aus einer Nachricht der Parlamentarischen Geschäftsführerin der SPD-Fraktion Katja Mast an die Abgeordneten hervor, die auch der taz vorliegt. „Obwohl wir von unserer Seite alles dafür getan haben, kann der Haushalt für das Jahr 2024 nicht mehr rechtzeitig beschlossen werden“, schreibt Mast. Sie beruhigt jedoch: „Olaf ist aber zuversichtlich, dass in den kommenden Tagen ein Ergebnis erzielt werden kann.“

Ein Sprecher der Fraktion sagte, es bleibe das Ziel der SPD, dass in diesem Jahr noch eine politische Einigung erzielt werde und der Haushaltsausschuss den Haushalt in einer zweiten Bereinigungssitzung beschließe. Dann könne der Bundestag zeitnah im kommenden Jahr den Haushalt für 2024 abschließend beraten und beschließen.

Die nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerin Mona Neubaur erklärte gegenüber der taz: „Das ist keine gute Nachricht. Für die Industrie, für die Wirtschaft und für alle anderen bedeutet das, dass die Unklarheit weiter geht.“ Ihr dringender Appell an die Bundesregierung sei, so schnell wie möglich Klarheit herzustellen. „Damit die notwendigen Investitionen getätigt werden können, aber auch, damit für die Beschäftigten in den Unternehmen klar ist, wie es weitergeht.“

Wenn zu Jahresbeginn kein neuer Haushalt vorliegt, gilt die vorläufige Haushaltsführung. Das heißt, die Bundesregierung darf nach Artikel 111 Grundgesetz nötige Ausgaben tätigen, um den Betrieb von Bundesbehörden aufrechtzuerhalten, bereits beschlossene Bauvorhaben und Beschaffungen fortzuführen und bestehende Verpflichtungen zu erfüllen. Dies bedeutet auch, dass etwa Sozialleistungen wie Elterngeld oder Arbeitslosengeld weiter gezahlt werden können.

Wie kann die Haushaltslücke gestopft werden?

Erst in Planung befindliche Maßnahmen dürfen hingegen in der Regel nicht begonnen werden. Nur „im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses“ darf es nach Artikel 112 Ausnahmen geben. Über diese entscheidet der Bundesfinanzminister.

Seit Tagen tüfteln Kanzler Olaf Scholz, SPD, der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner, FDP, wie die im Haushalt klaffende Lücke gestopft werden kann. Laut Lindner fehlen 17 Milliarden Euro in dem 450 Milliarden schweren Etat. Die FDP hatte im Vorfeld Kürzungen im Sozialen gefordert, was die SPD – bislang – strikt ablehnte. Die Lücke im Haushalt war entstanden, weil das Bundesverfassungsgericht Mitte November einen großen Teil der für Transformation und Klimaschutz reservierten Kredite im Klimafonds für nicht verfassungskonform erklärt hatte. Der Finanzminister löschte daraufhin 60 Milliarden Euro an Krediten, was die Finanzierung wichtiger Projekte gefährdet.

In seiner Regierungserklärung hatte Scholz in der vergangenen Woche betont, die Modernisierung des Landes werde weitergehen, auch die nötigen Investitionen würden getätigt. Außerdem versprach er, dass nicht am sozialen Zusammenhalt gespart werde, etwa bei Kindergeld, Bafög oder Wohngeld.

Der Kanzler bekommt auch Druck aus seiner eigenen Partei. Freitag bis Sonntag trifft sich die SPD zum ersten Mal seit 2019 wieder zum Präsenzparteitag. Die Rede des Kanzlers steht am Samstag um 10:00 Uhr auf der Tagesordnung, danach ist der Punkt „Aussprache“ dran. Die Erwartungen an Scholz’ Rede sind inmitten von Haushaltsstreit und Umfragetief enorm hoch. „Ich erwarte von Olaf Scholz SPD pur“, sagt die Sprecherin der Parteilinken Wiebke Esdar gegenüber der taz. Und Kevin Kühnert nennt es einen „ganz wichtigen Moment, dass der sozialdemokratische Kanzler vor roter SPD-Wand über sozialdemokratische Politik spricht.“

Doch ob Scholz wirklich SPD pur liefern kann, hängt auch davon ab, wie er sich vor allem mit Lindner einigen kann. Ohnehin ist die Stimmung in der Partei angespannt. Die Sozialdemokraten sind im Umfragetief, zuletzt ging die Wahl in Hessen krachend verloren. Dass die SPD sich dort in eine Koalition mit der CDU retten konnte, verdankt sie auch massiven Zugeständnissen bei der Asylpolitik.

Intern gibt es viel Kritik am verschärften Kurs der SPD-geführten Ampel und der deutlich nach rechts gerückten Tonalität. Wie die taz berichtete, lagen im Vorfeld des Parteitags rund 60 Anträge zu dem Thema vor. Die SPD-Spitze hat nun unter Federführung von Kühnert einen Kompromissantrag erarbeitet, der den Kritikern des Regierungskurses an einigen Stellen entgegenkommt.

Darin wird unter anderem die umstrittene Seenotrettung von Flüchtlingen im Mittelmeer unterstützt und die Erleichterung des Nachzugs von Familienangehörigen von Flüchtlingen gefordert. Beim Thema Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern schlägt der Antrag einen deutlich zurückhaltenderen Ton an als Bundeskanzler Scholz. Der hatte im Spiegel-Interview gefordert, man müsse „endlich in großem Stil abschieben.“

Auf dem Bundesparteitag wählt die SPD auch ihre gesamte Führungsspitze neu. Die beiden Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil kandidieren erneut als Doppelspitze, auch Generalsekretär Kühnert tritt wieder an.

Für den Parteitag reisen rund 600 Delegierte aus der ganzen Republik an – wobei die Lokführergewerkschaft GDL diesmal offenbar nicht auf der Seite der SPD ist. Die Delegierten beraten über 850 Seiten Anträge, 100 internationale Gäste sind eingeladen und 140 Tech­ni­ke­r:in­nen und Mes­se­baue­r:in­nen am Tagungsort auf dem Berliner Messegelände im Einsatz. „Und meines Wissens kein Klempner“, meint Generalsekretär Kühnert.

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8 Kommentare

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  • Scholz und SPD pur? Klar doch. Wenn die SPD mittlerweile so christdemokratisch und neoliberal wurde, dass ein Scholz SPD pur sein kann, dann hat die SPD mehr Probleme als einen immer unbeliebter werdenden Kanzler

  • Für die SPD wird es langsam sehr eng. Und die markigen Ankündigungen klingen schon mal offensiv und machtbewusst, aber die Realität der SPD könnte bald trist aussehen. Wenn das so weiter geht, könnte die SPD in Bundesländern wie Sachsen, Thüringen, Bayern mit der 5-Prozent-Hürde kämpfen. Dazu dann noch bundesweit ein wachsendes Personalproblem: Dier SPD hat nicht mehr ein Reservoir von guten Leuten. Elitenbeamte aus Bremen oder Hamburg können nicht einfach nach Berlin oder Wiesbaden wechseln, es gibt von ihnen viel zu wenige.



    Und dann diese Show. Es ist nur das.



    Die SPD kämpft mit der FDP, die mit wenigen Prozentpunkten mächtig Druck ausübt und ausgerechnet beim Sozialen sparen will. Ob Scholz das noch wuppen kann? Er wird zu Höchstform auflaufen müssen, wenn es bergauf gehen soll.

    • @Andreas_2020:

      In Thüringen und Bayern eher unwahrscheinlich, in Sachsen aber gut möglich. In Sachsen hatte die SPD in der Weimarer Republik ne extreme Beliebtheit, seit der ersten Wahl nach dem Mauerfall aber fand sich die SPD dort im besten Fall auf dem dritten Platz. In Hessen war die SPD 30 Jahre lang der unbestrittene Platzhirsch, bei der letzten Wahl hingegen nicht mal mehr 20%. Bin auf Brandenburg gespannt, die SPD war in Brandenburg bisher IMMER auf dem ersten Platz, in Mecklenburg-Vorpommern war sie bis auf der ersten Wahl ebenfalls IMMER auf Platz 1, aber in beiden Bundesländern besteht jetzt die Gefahr auf Platz 3 zu rutschen. Wünsche es der SPD nicht, da ich mich dieser Partei immer noch verbunden fühle, aber vielleicht lernt sie es net anders...

    • 6G
      697175 (Profil gelöscht)
      @Andreas_2020:

      "Die SPD kämpft mit der FDP" wäre lustig, wennes nicht so traurig wäre. Er müsste der FDP klarmachen, wer bei einer drohenden Neuwahl am meisten zu verlieren hätte - das sind eben jene, die aus dem Bundestag fliegen würden (nach aktuellen Umfragen).



      " Er wird zu Höchstform auflaufen müssen" wenn Sie meinen, zu seiner höchsten Form, dann sehe ich schwarz.

      • @697175 (Profil gelöscht):

        Bei Neuwahlen sehe ich auch schwarz, gleichwohl sind die ja noch nicht beschlossen und so dröger Scholz manchmal ist, hat er auch einiges an Ressourcen, was er mobilisieren kann. Mit einem ziemlich schwachen Kandidatenangebot wird es aber eng und in diesem Sinne wird es für die SPD auch eng.

  • Endlich wird auch einmal darüber gesprochen Geld einzusparen. Bei einem "Entwicklungshilfe" Haushalt von 28 Mrd. Euro oder bei den völlig aufgeblähten Behörden ist viel mehr zu holen als die fehenden 17 Mrd. Euro. Der nächste Sritt ist Steuern runter. Da kann die SPD gern zeigen wie wichtig Ihnen der Arbeiter ist.

    • @Kristina Ihle:

      Noch mehr ist bei den klimaschädlichen Subventionen zu holen;)



      Entwicklungshilfe nutzt uns übrigens auch, denn wenn andere Länder stabil sind fliehen weniger

  • Das ist jetzt nicht wahnsinnig überraschend und auch kein Beinbruch.



    Mona Neubaur sollte sich vielleicht nicht allzusehr aus dem Fenster lehnen.Die Schwarz - Grüne NRW Landesregierung schaffte Ihren ersten Haushalt erst im dritten Versuch und nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bleibt abzuwarten , ob der NRW Haushalt verfassungskonform ist .



    Einen Bundeshaushalt strickt man/frau nicht mal eben mit heißer Nadel um.



    Ich hatte in dem Zusammenhang bereits erwähnt, dass ein Haushalt nicht das kleine 1x1 ist.



    Vielleicht hat der Eine oder die Andere sich schon mal mit dem Haushalt der eigenen Stadt auseinander gesetzt.



    Da geht es oft nur um Millionen oder niedrige Milliarden Beträge.



    Dass Irgendwer den Bundeshaushalt als Bettlektüre durchackert, halte ich für unwahrscheinlich.



    Umso überraschender ist die Vielzahl der selbsternannten ExperInnen, die Lösungsvorschläge aus dem Hut zaubern.



    Dass diesen Ideen irgendwelche Kalkulationen zum Haushalt zugrunde liegen, ist nicht zu erwarten.



    Aber neben Jammern ist klug...en bekanntlich der Deutschen zweitliebstes Hobby...