Alltagsgegenstände neu gedacht: Wer pflanzt den ersten Karten-Wald?

Tische, Böden und Regale aus Holz – das kennt ja jede:r. Warum nicht mal etwas ganz Neues wagen? Die neueste Idee hat allerdings einen kleinen Haken.

Holzmaserung mit Astauge.

Holzkarte statt Holzweg Foto: Daniel0/panthermedia/imago

Die Holz-statt-Plastik-Fraktion hat wieder zugeschlagen. Nach Klodeckeln, Smartphone-Hüllen und Zahnbürsten hat sie sich den nächsten Gegenstand vorgenommen: Karten. Nein, nicht Landkarten oder Postkarten, die bestehen ja traditionell eh schon aus Papier, was in einem früheren Leben mal Holz war, sondern paradoxerweise etwas, das das P-Wort mitunter schon im Namen trägt: Bankkarten aka Plastikgeld.

Noch sind die Karten, die mehr mit einem Stück Furnier als mit einem massiven Holztisch zu tun haben, nicht so verbreitet, dass irgendjemand anfangen würde, von Holzgeld zu sprechen. Ist vielleicht auch besser so. Denn das würde arg nach Kinderspielzeug klingen – oder an die 20er Jahre des vorherigen Jahrhunderts erinnern, als zu Inflationszeiten die österreichische Gemeinde Hadersfeld bedruckte Holzplatten als Geld ausgab.

Hat ja damals auch niemand ahnen können, dass die Holzscheibchen hundert Jahre später in den Tiefen des Internets zu Samm­le­r:in­nen­stü­cken würden. Eine 20-Heller-Scheibe für 15 Euro. Anbieter mit 99,9 Prozent positiven Bewertungen. Welche Bank kann das schon von sich behaupten?

Dabei hat die Holz-statt-Plastik-Fraktion vielleicht gar nicht so unrecht. Fünf Gramm zeigt die Küchenwaage für eine Karte. Laut Bundesbank waren 2020 je Bun­des­bür­ge­r:in 1,9 Zahlungskarten im Umlauf. Macht knappe 800 Tonnen Plastik, die die Menschen in Deutschland damit durch die Gegend schleppen. Und das ist noch nicht alles: Krankenversicherungskarten, Rabattkarten, Zutrittskarten für Firmengelände, Gutscheinkarten, Personalausweise, Führerscheine … 10.000 Karten gibt ein Baum her, so rechnet es einer der Anbieter vor. Wer pflanzt den ersten Karten-Wald?

Natürlich ist das Klitzekleinkram, verglichen mit all den Waschmittelverpackungen, den Einweggetränkeflaschen und Shampoobehältern. Aber solange Shampoo in der Holzkiste aus vielerlei Gründen Quatsch ist, bleibt es halt bei den Holzkarten. Denn genau darum geht es doch bei einem guten Teil der Nachhaltigkeitsversprechen: etwas zu ändern, ohne etwas ändern zu müssen. Oder?

Immerhin: Die Haptik der neuen Karten ist angenehm, die Optik schick, das unauffällig-auffällige Hervorblitzenlassen ein dankbarer Gesprächseinstieg. Und wäre es nicht großartig, die alte Karte nach einem Wechsel der Bank voller Genugtuung in den Biomüll oder auf den Kompost werfen zu können?

Nun, die Sache hat einen kleinen Haken. Oder besser gesagt: einen Mikrochip. Der Chip, der, samt Antenne, die Karte erst zur Karte macht, also Geldabheben und Zahlungen ermöglicht. Streng genommen ist also auch die Holzkarte kein Biomüll, sondern Elektronikschrott. Aber immerhin mit Holz drumrum.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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