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DFB-Kampf gegen PyrotechnikZählen und sanktionieren

Der DFB begegnet Pyro-Vorfällen stur mit Strafen. Den 1. FC Köln trifft es gerade besonders hart. Dabei liegen gute Lösungen auf der Hand.

Teure Pyro-Show: der 1. FC Köln soll 595.000 Euro für das Spektakel seiner Fans zahlen Foto: imago

D er 1. FC Köln protestiert. 595.000 Euro soll der notorisch klamme Bundesligist nun zahlen, weil dessen Fans die Partie gegen Borussia Mönchengladbach zur Pyroshow werden ließen. Es gibt einen seit Jahren ungelösten sozialen Konflikt in den deutschen Stadien. Die Ultras in den Stadien beharren darauf, bengalische Feuer und Ähnliches habe als Bestandteil von Fankultur identitätsstiftenden Charakter und sei ein schützenwertes Gut. Der Deutsche Fußball-Bund dagegen sieht darin nichts anderes als über 1.600 Grad heiße Brandherde, die es zu bekämpfen gilt.

Der Verband versucht dem mit seinem Kon­troll­ausschuss und einem Strafzumessungsleitfaden beizukommen. Mit bürokratischer Akkuratesse werden Spieltag für Spieltag die Kurven auf pyrotechnische Vorfälle von der „DFB-Sicherheitsbeobachtung“ gescannt. Diese werden dann etwa wie folgt aufgelistet: 12 pyrotechnische Rauchtöpfe, 5 Knallkörper, 6 blaue Nebelkerzen und mindestens 7 Blinker. Zusammen macht das laut Strafzumessungsleitfaden so und so viel Euro. Das Sportgericht des DFB verhängt auf der Basis dieses additiven Verfahrens seine Urteile.

Empört wies der DFB deshalb die Kölner Kritik zurück, er urteile „unreflektiert“ und die Vergabe der Strafen liege „fernab der Realität der deutschen Fußball- und Fankultur“. Die Kölner Strafe, erklärte der DFB, ergebe sich aus dem Strafenkatalog, an dem sich der Kontrollausschuss orientiere.

Wenn die einen auf Kultur und die anderen auf Regeln pochen, dann lässt sich schon erahnen, wie schwierig es ist, auf einen Nenner zu kommen. Dabei ist offensichtlich, dass sich der DFB mit seiner buchhalterischen Strategie in einer Sackgasse befindet. Eine Klage von Carl Zeiss Jena gegen die Pyrobußgelder des DFB scheiterte vor dem Bundesgerichtshof, der argumentierte, dies seien keine Strafen, sondern präventive Maßnahmen, um den Spielbetrieb aufrechtzuerhalten.

Wirkungslose Prävention

Juristisch mag dieses Argument verfangen, nur von der Realität ist es nicht gedeckt. In den letzten Jahren nahmen die Pyrotechnikvorfälle in den Stadien trotz der DFB-Strafen massiv zu. Von einer präventiven Wirkung gibt es nicht die geringste Spur.

Es wird Zeit für neue Lösungsansätze, wenn die Law-and-Order-Politik lediglich die Vereine schröpft. Wie diese aussehen könnten, dafür gibt es genügend Erfahrungen, auf die auch der DFB zurückgreifen kann. Beim Zurückdrängen der Fangewalt in den 80er Jahren spielten die Gründungen von Fanprojekten, das wird auch innerhalb des DFB anerkannt, keine unwesentliche Rolle.

Es wurden Zugänge zur aktiven Fanszene geschaffen, die nicht mehr vornehmlich als Störenfried wahrgenommen wurde. Die mitunter wundersame Wirkung von Kommunikation wurde entdeckt und gefördert, Räume des Sichausprobierens wurden zugestanden. In Zeiten, in denen nun der klamme DFB bei der Finanzierung von Fanprojekten knausern will, könnten in einem ersten Schritt die erhobenen Bußgelder doch zumindest den Fanprojekten zugutekommen, um diese Kommunikationskanäle wieder zu stärken.

Bislang überweist der DFB die Pyrogebühren an seine wohltätigen Stiftungen. Und viel wichtiger: Warum nicht endlich Pilotprojekte von sicherem und kontrolliertem Abbrennen von Pyrotechnik auf den Weg bringen? Räume des Sichausprobierens sollte auch der DFB bestmöglichst für sich nutzen.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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2 Kommentare

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  • Die Strategie des Fußrundball Verbands erinnert an (Berg)Linsen gegen SUVs!

  • Ist die Frage nicht eigentlich "Warum überhaupt Pyrotechnik?" - Gerade mit Blick auf Silvester, dem neben Krieg wohl sinnlosesten Event um Feinstaub rauszublasen.

    Und die Argumentation "Tradition vs Regeln" ist ein bisschen arg vereinfacht, denn die Regeln entstammen nicht dem luftleeren Raum, sondern beruhen auf sehr konkreten Sicherheitsbedenken