Klage von Umweltverbänden: Zum Klimaschutz verurteilt

Die Ampelregierung hat im Bereich Gebäude und Verkehr das Klimaschutzgesetz nicht eingehalten, urteilt das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig.

Autoverkehr im Schneegestöber

Mit 30 km/h durch den Schnee? Umweltverbände fordern ein Tempolimit für die Stadt und auf Autobahnen Foto: Stefan Zeitz/imago

FREIBURG taz | Erstmals wurde die Bundesregierung wegen Nicht­einhaltung des Klima­schutzgesetzes verurteilt. Beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatten Klagen der Umweltverbände DUH und BUND Erfolg. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, und die Ampelkoalition arbeitet bereits an einer Änderung des Klimaschutzgesetzes, die der Klage den Boden entziehen soll.

Das Klimaschutzgesetz sieht vor, dass Deutschland seine CO2-Emissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent senken muss. Dabei setzt das Gesetz für die einzelnen Sektoren wie Gebäude, Industrie und Verkehr jährliche Obergrenzen, die Jahr für Jahr absinken. So galt etwa im Verkehrssektor 2021 eine Grenze von 145 Millionen Tonnen CO2. Bis 2030 sinkt diese Obergrenze auf 85 Millionen Tonnen CO2 ab.

Wenn das Sektorziel in einem Jahr verfehlt wird, muss das zuständige Ministerium ein Sofortprogramm mit Maßnahmen vorlegen. Sie sollen dafür sorgen, dass die Klimaziele noch erreicht werden können. Die Bundesregierung muss die Maßnahmen dann beschließen.

Im Jahr 2021 wurden die Sektorziele sowohl im Verkehrs- als auch im Gebäudebereich verfehlt. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Bauministerin Klara Geywitz (SPD) legten daher im Juli 2022 entsprechende Sofortprogramme vor. Der gesetzlich vorgesehene Expertenrat für Klimafragen hielt jedoch insbesondere Wissings Sofortprogramm für unzureichend. Die Folge: Die Bundesregierung beschloss keine Umsetzung der Sofortprogramme.

Deshalb klagten sowohl die Deutsche Umwelthilfe (DUH) als auch der Bund für Umwelt- und Naturschutz auf Einhaltung des Klimaschutzgesetzes. Zuständig war das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg, weil der Sitz der betroffenen Ministerien in Berlin ist. Die Bundesregierung versuchte, ein Urteil zu verhindern, indem sie die Klagebefugnis der beiden Verbände anzweifelte. Darüber wurde in der mündlichen Verhandlung vor einer Woche länger diskutiert. Letztlich erklärte das OVG die Klage für zulässig.

Pflichten nicht erfüllt

In der Sache hatte die Bundesregierung argumentiert, dass sie ihre Pflichten durchaus erfüllt habe. Schließlich habe sie im Oktober 2023 endlich ihr lang erwartetes Klimaschutzprogramm beschlossen. Dies konnte die OVG-Richter:innen aber nicht überzeugen. Das Klimaschutzprogramm aus dem Oktober sei kein „Sofortprogramm“, weil es auf die Perspektive 2030 gerichtet ist und nicht auf kurzfristige Maßnahmen, die auf eine schnellstmögliche Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben abzielen. Das Gerichtsurteil stellt nun zwar fest, dass die Bundesregierung ihre Pflicht aus dem Klimaschutzgesetz nicht erfüllt hat. Welche Maßnahmen in einem ausreichenden Sofortprogramm stehen sollten, ließ das Gericht jedoch offen.

Umso konkreter sind die Vorstellungen der Umweltverbände. DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch sagte zum Verkehrssektor: „Die Bundesregierung muss als einzige sofort wirksame Maßnahme ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und Tempo 30 für die Stadt umsetzen. Damit lassen sich jährlich über 11 Millionen Tonnen CO2 und damit ein Drittel des Fehlbetrages im Verkehrssektor einsparen.“ Außerdem müssten klimaschädliche Subventionen im Verkehr, etwa das Dienstwagenprivileg, gestrichen werden.

Für den Gebäudebereich forderte DUH-Geschäftführerin Barbara Metz die „Sanierung der schlechtesten Gebäude zuerst“ sowie eine Sanierungsoffensive für Kitas und Schulen und eine „klimazielkompatible“ Ausrichtung von Neubauten.

Noch allerdings ist das OVG-Urteil nicht rechtskräftig, denn die Berliner Rich­te­r:in­nen haben die Revision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen. Es ist zu vermuten, dass die Bundesregierung davon Gebrauch macht und Revision einlegt. Zum einen hätte das Rechtsmittel aufschiebende Wirkung. Zum anderen plant die Ampelkoalition eine Änderung des Klimaschutzgesetzes, die der Klage die Grundlage entziehen würde.

Künftig keine Sofortprogramme mehr

Künftig sollen die Ministerien keine Sofortprogramme mehr vorlegen müssen, wenn in ihrem Sektor die Klimaziele verfehlt wurden. Stattdessen soll künftig die „Gesamtemmissionsmenge“ aller Sektoren der Maßstab sein. Werden die Vorgaben hier zweimal nicht eingehalten, müsste die Bundesregierung entsprechende Maßnahmen beschließen. Offiziell soll dies die „Querschnittsaufgabe Klimaschutz“ betonen und für die Wahl möglichst effizienter Lösungen sorgen. Aber natürlich werden so auch die Mi­nis­te­r:in­nen Wissing und Geywitz aus der Schusslinie genommen.

Wenn es der Ampelkoalition gelingt, die Novelle des Klimaschutzgesetzes zu beschließen, bevor das Bundesverwaltungsgericht entscheidet, dann wird die Revision der Bundesregierung Erfolg haben. Die Klagen von DUH und BUND müssten dann in letzter Instanz abgelehnt werden.

Es spricht einiges dafür, dass es so kommt. Immerhin steht die Aufweichung des Klimaschutzgesetzes auf Wunsch der FDP schon im Koalitionsvertrag. Ein Koalitionsausschuss im April hat das Projekt dann konkretisiert. Die Grünen stimmten damals zu, weil im Gegenzug die FDP das Gebäudeenergiegesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) akzeptierte. Im September dieses Jahres hat im Bundestag bereits die erste ­Lesung der Novelle stattgefunden.

Theoretisch könnte das Änderungsgesetz also bald beschlossen werden. Aber nachdem das Bundesverfassungsgericht dem Klima- und Transformationsfonds 60 Milliarden Euro entzog, ist alles noch komplizierter geworden.

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