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Waldzustandsbericht Brandenburg 2023Wenn die Kiefern wieder liefern

Den märkischen Bäumen geht es laut dem Brandenburger Waldzustandsbericht deutlich besser als ihren Artgenossen in den Berliner Forsten. Aber warum?

Naturfern, aber immerhin weniger krank: Kiefernforst in Brandenburg Foto: IMAGO / imagebroker

Berlin taz | Was so ein bisschen Regen ausmachen kann. Dem Wald in Brandenburg geht es zwar nicht gut – nach einem Jahr mit ausreichend Niederschlag aber immerhin deutlich besser. Das besagt der Waldzustandsbericht des Nachbarlands, den Landwirtschafts-, Umwelt- und Klimaschutzminister Axel Vogel (Grüne) am Montag vorgelegt hat. Und noch etwas zieht die Aufmerksamkeit auf sich: Den märkischen Bäumen geht es deutlich besser als ihren Artgenossen in Berlin.

„Der Regen im Frühjahr und ein besseres Wasserangebot im Sommer haben der Baumgesundheit gutgetan“, kommentierte Minister Vogel den Bericht. Auch wenn es sich nur um eine „Verschnaufpause, keine Trendumkehr“ handle, zeichnet das Dokument kurz vor Weihnachten ein entspannteres Bild als in den vergangenen Jahren. Vereinfacht gesagt, ist aktuell ein Viertel aller Waldbäume gesund – vor einem Jahr waren es nur 8 Prozent.

Das erfreuliche Ergebnis in der „Schadstufe 0“ (von 0 bis 4) gilt in der Tendenz für alle Baumarten, die der Landesbetrieb Forst Brandenburg inspiziert hat. Allerdings mit unterschiedlicher Ausprägung: So ist der Anteil der gesunden Eichen seit dem letzten Jahresbericht von 5 auf 12 Prozent geklettert, der der gesunden Kiefern hat dagegen von 5 auf 30 Prozent einen regelrechten Satz gemacht. Das beeinflusst das Gesamtergebnis stark, denn mehr als jeder zweite Brandenburger Waldbaum ist eine Kiefer (57 Prozent), aber nur jeder siebte eine Eiche (14 Prozent).

Der Anteil der Kiefern mit deutlichen Schäden (Stufe 2 bis 4) ist dagegen von 15 auf 9 Prozent gesunken. Bei den Eichen ging dieser Anteil von 50 auf 35 Prozent, bei allen Bäumen insgesamt von 20 auf 16 Prozent zurück. Breiten Raum zwischen diesen Extremen nimmt die „Warnstufe“ (Schadstufe 1) ein.

Guter Austrieb im Frühjahr

Das Potsdamer Umweltministerium führt die positive Entwicklung vor allem auf den „guten Austrieb der Kiefer im Frühjahr“ zurück, wobei sich allerdings auch die Absterberate in der Stichprobe von 0,4 auf 0,8 Prozent verdoppelt habe. Das von der Behörde als „moderat wasserversorgt“ klassifizierte Jahr 2023 – sehr nass bis April, dann abwechselnd trocken und feucht und im Herbst wieder sehr nass – hat die Brandenburger Wälder diesmal auch in Sachen Feuer geschont: 244 Mal brannte es auf insgesamt 763 Hektar, damit war das ein „Waldbrandgeschehen etwa halb so hoch wie 2022“.

Wie auch in Berlin – wo anteilig noch mehr Kiefern stehen (63 Prozent) – ist es Brandenburgs erklärtes Ziel, die von Nadelbäumen dominierten Forsten so schnell wie eben möglich zu diversifizieren und mehr Laubbäume zu pflanzen. Das soll die Wälder „klimastabiler und weniger anfällig gegen Schadinsekten und Waldbrände“ machen, so Axel Vogel. Künftig sollen laut dem Minister „mindestens drei Baumarten“ einen Wald prägen. Schlüssel für den Umbau seien „Naturverjüngung und angepasste Schalenwildbestände“.

Der Verbiss an Jungbäumen durch zu viel Wild ist ein langjähriges Konfliktthema in Brandenburg, der Minister will bis zu den Landtagswahlen im September 2024 unbedingt noch das neue Jagdgesetz durchbringen, das WaldbesitzerInnen die Bejagung der Tiere erleichtern soll – wovon die Jagdlobby wenig hält. Im Sommer hatte das Ministerium einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der erneut auf viel Kritik stieß.

Eichen weichen in Berlin

Überraschend an den Brandenburger Zahlen ist vor allem eines: Sie decken sich nicht mit denen des Berliner Waldzustandsberichts, den Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) kürzlich präsentierte. Dabei unterscheidet sich doch die Bundeshauptstadt landschaftlich und klimatisch nicht wesentlich von dem Land, in dessen Mitte sie liegt. In Berlin, so die hiesigen Ergebnisse, ist der Anteil der gesunden Eichen nicht nur nicht gestiegen, sondern von ebenfalls 5 Prozent auf 0 im Vorjahr auf gefallen. Die Eichen mit deutlichen Schäden nahmen derweil von 49 auf 60 Prozent zu. Der Anteil der gesunden Bäume bei allen Arten kletterte nur mühsam von 4 auf 6 Prozent.

Muss Berlin beim Wald von Brandenburg lernen? Auf Nachfrage erklärt die Senatsumweltverwaltung die Diskrepanzen zum Teil mit der unterschiedlichen Altersstruktur der Wälder: „In Brandenburg gibt es viele deutlich jüngere Bestände als in Berlin. Grundsätzlich sind jüngere Bäume flexibler gegenüber Umweltveränderungen als alte Bäume“, so ein Sprecher. Auch könnten die zu DDR-Zeiten gepflanzten Bäume in Brandenburg „hochwertiger sein als viele ältere Bäume in Berlin, die vielleicht urwüchsiger und schöner aussehen“, aber „vor hundert Jahren aus Samen angezogen wurden, die irgendwo in Europa leicht zu ernten waren und nicht optimal an die hiesigen Bedingungen angepasst sind“.

Dass die Werte in Berlin in den vergangenen Jahren immer deutlich schlechter als in Brandenburg gewesen seien, liege auch an der „starken Zerschneidung der Berliner Wälder durch Verkehrstrassen und Wohnungsbau“, was viele „randbedingte Effekte“ wie mehr Sonne, höhere Temperaturen und stärkere Schadstoffeinträge mit sich bringe. In Berlin gebe es „relativ mehr Stickoxyde, vor allem aus dem Hausbrand, die schädigend auf die Bäume wirken“.

Den gegenläufigen Trend bei der Eiche führt die Senatsverwaltung auch darauf zurück, dass es in den Berliner Stichproben eine „Überrepräsentation“ der Stieleiche gebe, die an feuchte Standorte angepasst sei und unter der Trockenheit besonders leide. Bei der Traubeneiche seien die Schäden deutlich geringer. Eine statistische Verzerrung durch unterschiedliche Methodik schließt die Verwaltung aus.

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