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das wirdHamburgs Hafen in Seenot

Mit mehr Tiefgang als die Elbe lotet der taz Salon aus, ob Hamburg dem Hafen zu viel Priorität einräumt

Die Nachricht vom 28. November darf als symp­tomatisch gelten. Da musste die Nachvertiefung der Elbe vor Cuxhaven, gestoppt werden. Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes hatte Kampfmittel gefunden, die jetzt erst mal geräumt werden müssen. Die Behörde geht davon aus, dass die Munition aus dem Zweiten Weltkrieg dort als Folge der letzten Elbvertiefung in die Fahrrinne getrieben worden ist. Der Fahrrinnenausbau ist aber nur eines von vielen Zukunftsproblemen, die den Hafen in seiner Rolle für die Stadt infrage stellen.

Die Fahrrinne war im Januar 2022 nach dem eigentlichen Abschluss der Arbeiten zunächst für größere Schiffstiefgänge freigegeben worden, was dann aber teilweise zurückgenommen werden musste: Im Strom hatte sich so viel neues Sediment abgelagert, dass die Wasserbauer mit dem Freibaggern nicht hinterherkommen. Die rot-grünen Koalitionspartner in Niedersachsen haben die Elbvertiefung deshalb schon für ökologisch gescheitert erklärt.

Die Hafenwirtschaft und die mit den Grünen in Hamburg zusammen regierende SPD ziehen das in Zweifel. Dabei spricht einiges dafür, dass auch mit einer funktionierenden Elbvertiefung die Tiefgangsrestriktionen ein massiver Wettbewerbsnachteil für den Hafen bleiben werden. Die größten Containerschiffe mit 17 Metern Tiefgang können vollbeladen selbst bei Flut Hamburg nicht bedienen.

Der Vorteil, dass der Hafen 120 Kilometer im Binnenland liegt und damit LKW-Kilometer und CO2 spart, ist zugleich ein Nachteil. Denn wenn Schiffe Hamburg nicht mehr als ersten Hafen in Nordeuropa anlaufen und als letzten verlassen, erhöht sich die Transportzeit. Tatsächlich stagnierten die Umschlagszahlen bei dem besonders wichtigen Containerverkehr in den vergangenen Jahren, während sie in Konkurrenzhäfen wie Rotterdam oder Antwerpen zulegten.

Eine Möglichkeit, Hamburg im Spiel zu halten, wäre eine stärkere Zusammenarbeit mit dem Tiefwasserhafen Wilhelmshaven, wie sie Frank Ordemann von der Ostfalia-Hochschule ausgearbeitet hat. Bei einem gemeinsamen Angebot wäre der Jade-Weser-Port der erste und letzte Anlaufpunkt und Hamburg könnte in zweiter Reihe profitieren.

Die Umweltverbände Nabu, BUND und WWF fordern eine solche Zusammenarbeit schon seit Jahren. Aus ihrer Sicht würde sie den Fahrrinnnenausbau obsolet machen. Würden sich Senat und Hafenwirtschaft von den bisherigen Wachstumsprognosen verabschieden, wären möglicherweise weitere teure und umweltschädliche Infrastrukturprojekte wie eine Verlängerung der A26 verzichtbar. Letztere stehe auch den Plänen entgegen, Hamburg zu einem Dreh- und Angelpunkt der Wasserstoffwirtschaft zu machen, warnt Malte Siegert vom Nabu.

Dieter Läpple, emeritierter Professor der Hafencity Universität fordert ein generelles Umdenken. Mit seinem „politischen und mentalen Festklammern an einem Primat des Hafens“ verbaue sich Hamburg die Zukunft. Im Vergleich zu anderen Metropolregionen in Deutschland ist Hamburg nach Einschätzung der OECD zurückgefallen. Forschung und Entwicklung spielten eine zu geringe Rolle.

taz Salon: „Schifft Hamburg ab - wie geht es weiter mit dem Hafen?“ Podiumsdiskussion mit Ina Illing (Unternehmensverband Hafen Hamburg), Dieter Läpple (Hafencity-Uni), Markus Schreiber (Bürgerschaft, SPD) und Malte Siegert (Nabu). Dienstag, 12. 12., 19.30 Uhr, Fabrique im Gängeviertel, Valentinskamp 34a. Es moderiert Gernot Knödler.

Hamburg verzeichne „ein Wertschöpfungsdefizit gegenüber ihrem eigentlichen Potenzial“, stellte der Ökonom Henning Vöpel fest. Es verzichte auf die Vorteile, die sich aus der Ballung von Menschen und Unternehmen ergeben könnten. Vöpel schlägt vor, den Hafen selbst zu nutzen, um den ökonomischen und technologischen Strukturwandel zum Vorteil der Stadt zu wenden.

Dafür braucht es – ebenso wie für den Wohnungsbau – Platz, der im Hafen zwar reichlich vorhanden ist, von der Logistikwirtschaft aber mit Zähnen und Klauen verteidigt wird. „Der Hafen und die Stadtentwicklung blockierten sich zunehmend gegenseitig“, stellt Läpple fest. Wie das aufzulösen wäre, ist zu diskutieren. Gernot Knödler

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