Hausprojekt in Chemnitz: Identitäre versuchen es noch mal

Vor drei Jahren scheiterten die Rechtsextremen mit einem Hausprojekt in Halle. Nun gibt es einen neuen Versuch in Chemnitz – und erneut Gegenwind.

Flagge der Identitären - der griechische Buchstabe Lambda in Gelb auf schwarzenm Grund weht vor dem ehemaligen Haus der Gruppierung

Die rechtsextreme Identitäre Bewegung veranstaltete 2019 eine Kundgebung in Halle Foto: Sachelle Babbar/imago

BERLIN taz | Mit Wunderkerzen posieren die Identitären vor ihrem neuen Haus in Chemnitz, zeigen sich so auf einem Foto. Seit Monaten wollen die Rechtsextremen daran gearbeitet und das Gebäude auch schon für interne Veranstaltungen genutzt haben. Am Wochenende nun machte die Gruppe es öffentlich. Mit dem „Identitären Hausprojekt“ schaffe man ein „Zentrum für Gegenkultur“, tönte die Gruppe.

Damit schaffen es die kriselnden Identitären, seit Längerem mal wieder auf sich aufmerksam zu machen. Vor Jahren machte die rechtsextreme Bewegung noch mit Besetzungsaktionen Schlagzeilen, eröffnete auch in Halle ein Hausprojekt. Dann aber verliefen sich die Aktionen, auch das Zentrum in Halle schloss nach Protesten Ende 2019.

Teile der Identitären waren aber weiter aktiv, reihten sich in Corona- oder Anti-Asyl-Proteste ein, fabulierten weiter von einem „großen Austausch“ der deutschen Bevölkerung durch Zugewanderte. In Sachsen erfolgte das in Camouflage: Schon im August benannten sich die Identitären dort in „Sachsengarde“ um, versicherten aber, die Aktionen der Identitären „nahtlos“ fortzusetzen. Es folgten asylfeindliche Banneraktionen und eine kurzzeitige Besetzung einer geplanten Geflüchtetenunterkunft in Dresden.

Kauf im Sommer abgewickelt

Nun folgt das Hausprojekt in Chemnitz, versteckt am Westrand der Stadt, in der Edison­straße. Und das hat tatsächlich einen Vorlauf. Schon im Oktober 2022 hatten der Identitären-Bundes­chef Philipp Thaler und der Chemnitzer Ortsgruppenleiter Vincenzo Richter die „T&R Chemnitz Immobilien UG“ gegründet. Diese kaufte nach taz-Informationen dann im Sommer das Eckhaus.

Laut Sachsens Innenministerium erfolgte die Eröffnung bereits am 3. November – publik machten sie die Identitären aber erst jetzt. Zu der Feier reisten Gleichgesinnte aus dem Bundesgebiet an, auch Vertreter der AfD-Jugend und der AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp – obwohl die Identitären bei der AfD auf der Unvereinbarkeitsliste stehen. Veranstalten wollen man künftig Vorträge, Buchvorstellungen oder „Barabende“, kündigt das Projekt an. Der erste öffentliche Termin soll am 8. Dezember stattfinden, mit einem Vertreter des ebenfalls rechtsextremen Compact-Magazins.

Stadt sieht für sich keine Handhabe

Ein Sprecher der Stadt Chemnitz sagte der taz, das Identitären-Hausprojekt sei bekannt. „Als Stadtverwaltung sehen wir es kritisch, dass in Chemnitz ein weiteres Objekt eröffnet wird, welches genutzt wird, um verfassungsfeindliche Propaganda zu verbreiten.“ Die Stadt habe aber „keine Handlungsoptionen, um die Nutzung zu unterbinden“. Die Aufklärung über die extremistische Gefahr sei nun Aufgabe des Verfassungsschutzes, für Straftaten sei die Polizei zuständig.

Das sächsische Innenministerium von Armin Schuster (CDU) bestätigte, dass die Identitären-Immobilienfirma von Richter und Thaler das Haus in Chemnitz kauften. Jenseits der Eröffnung seien bisher keine weiteren Veranstaltungen bekannt, so ein Sprecher. Die Sicherheitsbehörden hätten aber „im Sinne einer wehrhaften Demokratie ein legitimes Interesse, dem Auf- und Ausbau rechtsextremistischer Strukturen frühzeitig entgegenzuwirken“.

Laut Ministerium wurde bereits das Expertennetzwerk Rechtsextremismus bei der Landesdirektion Sachsen über das Identitären-Hausprojekt informiert. Das Gremium soll Kommunen unbürokratisch im Umgang mit Szeneobjekten beraten. Zudem habe man Chemnitz und andere Kommunen eine Handreichung übersandt, wie mit rechtsextremen Veranstaltungen in solchen Objekten „optimal“ umgegangen werden könne – etwa über den Brandschutz, Gesundheitsvorschriften oder das Bau-, Gewerbe- und Straßenrecht.

SPD und Grüne machen Druck

Druck kommt auch von der mitregierenden SPD und den Grünen. Der SPD-Innenexperte Albrecht Pallas nannte das Identitären-Hausprojekt „eine weitere demokratiebedrohende Raumnahme von Rechts­ex­tre­mis­t:in­nen in sächsischen Kommunen“. Es seien oft Privatleute, die „ohne Anstand und Moral“ Demokratiefeinden solche Objekte wie in Chemnitz zur Verfügung stellten, so Pallas zur taz. Nun brauche es „eine starke Zivilgesellschaft, eine demokratieliebende Nachbarschaft und schnell handelnde Behörden, die sich den Rechts­ex­tre­mis­t:in­nen entgegenstellen“. Auch müssten die Finanzmittel der Szene „trockengelegt werden“.

Auch der Grünen-Innenpolitiker Valentin Lippmann sagte der taz, die Identitären-Immobilie sei „ein weiterer Beleg dafür, dass Rechtsexremisten in Sachsen immer mehr Rückzugsraum suchen und finden“. Die Maßnahmen gegen solche Szeneimmobilien müssten weiter intensiviert und in Chemnitz „sämtliche rechtliche Möglichkeiten geprüft und ausgeschöpft werden, um eine tatsächliche Nutzung der Immobilie auszuschließen“.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stufte die Identitäre Bewegung bereits 2019 als rechtsextrem ein, rechnet ihr bundesweit aktuell 500 Mitglieder zu. Zuletzt war die Gruppierung vor allem auf Social Media aktiv, hält mit „Ozident Media“, „Phalanx Europa“ und „Schanze Eins“ aber auch eine Medienagentur, einen Onlineshop und ein Finanzunternehmen.

In Sachsen sollen 50 Mitglieder aktiv sein, die Chemnitzer Ortsgruppe gehörte hier zuletzt schon zu den aktivsten. Ihr Anführer Vincenzo Richter sitzt seit dem Sommer zudem in Chemnitz im Aufsichtsrat der kommunalen Veranstaltungsgesellschaft. Dorthin entsandte ihn die rechtsextreme Stadratsfraktion „Pro Chemnitz“.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.