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EuGH-Urteil zum Schufa-ScoreProblem Schufa ungelöst

Kommentar von Svenja Bergt

Die Auskunftei basiert auf einem intransparenten System, das Menschen wirtschaftliche Teilhabe verwehrt. Gut, dass der EuGH ihre Macht nun eingeschränkt hat.

Der Schufa-Score darf nicht maßgeblich für die Kreditvergabe sein Foto: Oleksandr Latkun/imageBROKER/imago

D er Schufa-Score darf nicht entscheidend dafür sein, ob jemand einen Kredit bekommt oder nicht. Was eigentlich selbstverständlich sein sollte, hat nun auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Doch damit ist das Problem Schufa und ihre häufig erratisch wirkende Bonitätseinschätzung keineswegs gelöst.

Denn auch, wenn das Unternehmen sich in den vergangenen Jahren zunehmend darum bemüht, den Score und dessen Zustandekommen zumindest einigermaßen zu erklären, löst die selbst ausgerufene Transparenzoffensive nicht das strukturelle Grundproblem der Schufa: Hier entscheidet ein Privatunternehmen über die wirtschaftliche Teilhabe von Personen.

Und wirtschaftliche Teilhabe – das muss ja nicht gleich der Bankkredit sein. Es ist auch der Internetvertrag, das Mietverhältnis oder die Frage, ob jemand beim Online-Shopping einen Kauf auf Rechnung oder beim Kauf der Waschmaschine im Laden eine Ratenzahlung angeboten bekommt.

Es geht also um extrem viel Macht, gründend auf einem extrem undurchsichtigen System. Dass die Schufa gerne noch mehr Daten hätte – auf freiwilliger Basis zum Beispiel Einblick in die Kontobewegungen –, vergrößert diese Macht noch. Ebenso wie den Druck auf die Verbraucher:innen, diese Möglichkeit der Score-Verbesserung zu nutzen.

Das Urteil ist aber auch deshalb spannend, weil es sich nicht nur auf die Schufa auswirken könnte. Denn jenseits der Auskunftei sind wir längst umgeben von automatisierten Entscheidungen. Algorithmen auf TikTok und X, perspektivisch auch künstliche Intelligenzen, übernehmen zunehmend Entscheidungsmacht. KI-Systeme sind besonders heikel, weil häufig niemand nachvollziehen kann, wie eine bestimmte Entscheidung überhaupt zustande gekommen ist.

Der Faktor Transparenz, und zwar vollumfassende Transparenz, wird daher immer wichtiger. Diese Erkenntnis scheint noch nicht überall angekommen zu sein. Auch bei der Schufa selbst nicht.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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8 Kommentare

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  • "Hier entscheidet ein Privatunternehmen über die wirtschaftliche Teilhabe von Personen."

    Die Schufa entscheidet selber gar nichts.

    Ob jemand einen Kredit bekommt oder einen günstigen Strom- oder Handy-Vertrag, das entscheidet die Bank, der Stromanbieter oder das Telekommunikationsunternehmen.

    Und das sind auch alles Privatunternehmen, die Vertragsfreiheit genießen, d.h. jedes Unternehmen entscheidet für sich, mit wem es Verträge abschließen will oder nicht.(*)

    Es ist also völlig unsinnig, hier der Schufa vorzuwerfen, dass sie ein Privatunternehmen ist oder zu behaupten, sie würde irgendwelche Entscheidungen treffen.

    (*) Wenn man die Vertragsfreiheit aushebeln will, dann nennt man das Kontrahierungszwang. Das ist dann aber eine politische Entscheidung und hat ebenfalls nichts mit der Schufa zu tun.

  • Was mir fehlt ist eine Diskussion was ohne Schufa (oder ähnliche Auskunfteien) passiert.

    Große Unternehmen und Banken haben vermutlich kein großes Problem die Schufa zu ersetzen. Aber was ist mit kleinen und mittleren Unternehmen, und kleinen Vermietern? Für die sind Zahlungsausfälle und Klagen sehr kostspielig. Effektiv würden dann Großunternehmen einen Wettbewerbsvorteil haben. Oder es würde dann anhand einfach feststellbarer Merkmale entschieden; sprich Wohnort, Beruf; Name, Aussehen.

    Eine Alternative zum Schufa Score wäre wohl ein Dashboard. Alle Informationen zum Kandidaten aufbereitet, ohne vorgegebene Bewertung. Mithilfe von Zugang zu Daten von Facebook, Xing, LinkedIn und anderen sozialen Medien ließe sich ein sehr genaues Bild von einer Person machen. Das ist dann kein undurchsichtiger Schufascore mehr, aber aus meiner Sicht schlimmer.

  • Mittlerweile habe ich mich aus dieser Debatte ausgeklinkt. Die Banken fahren längst schon eine zweite Linie. Stecken Kunden in Schubladen.



    Wer nach einer Insolvenz Jahrzehnte danach noch Schwierigkeiten hat ein Konto oder einen Kredit zu bekommen weiß das.



    Ich arbeite mittlerweile nach fast zwanzig Jahren durchgängig im Öffentlichen Dienst, mit unbefristetem Vertrag. Komme ich bei der Bank durch die Tür, gehen die roten Lampen an. Ich bin schuldenfrei, habe keinerlei Kredite oder sonstiges. Dafür VL. Kredit für eine Finanzierung im vierstelligen Bereich bekomme ich trotzdem nicht.

    • @Tom Lehner:

      VL ?

  • Wer mit dieser elenden Geldmafia tu tun kriegt, hat jetzt schon mein Mitleid. Das es auch ohne diese kapitlistische Zange geht - das Leben - das scheint im Jahre 2023 vergessen ..



    Dieses ganze bundesrepublikanische Krisengehabe ist sowas von nervig.



    Sorr, aber mir geht diese Schufa am "A****" vorbei.



    Es geht ja auch ohne Kredit, und ohne Handyverträge oder Ratenglück.



    Die Sklaverei der Institutionen ist ja mittlerweile so ausgeprägt, die Deutschen rennen in Supermärkte und es gibt scheinbar nur noih kaufen kaufen und kaufen in diesem Land ..



    Dieses Schufa Gelumpe rührt da noch pseudomächtig im Topf rum, aber: es geht auch ohne dieses leidige Kapitalistengeschwür .. Kredit ist Sklaventum. Feiheit geht anders !

  • Eine wirtschaftliche Teilhabe setzt voraus das man selbst etwas zugeben kann. Wenn man das nicht kann und in der Vergangenheit in der Hinsicht geflunkert hat ist es absolut richtig wenn es a) keine wirtschaftliche Teilhabe mehr gibt und b) der eigene Ruf bei Geschäftsabschlüssen vorauseilen sollte.

  • "Hier entscheidet ein Privatunternehmen über die wirtschaftliche Teilhabe von Personen."

    Das ist so nicht ganz korrekt. Unternehmen entscheiden selbst - oft sehr offensichtlich und teils auch mit Ansage - alleinig basierend auf dem Score der Schufa über das Abschließen eines Vertrages mit dem Kunden. Darum ging es m.W. auch bei der EuGH-Anfrage aus Wiesbaden.



    Dieser stellte nun fest, dass das Scoring der SCHUFA gegen die DSGVO verstößt, wenn SCHUFA-Kunden wie z.B. Banken ihm eine _maßgebliche_ Rolle beimessen. Solche Entscheidungen dürfen nicht allein auf Basis automatisiert verarbeiteter Daten getroffen werden, sagt die DSGVO (hat der EuGH _beschieden_ und nicht "entschieden" ;-). Wenn der Gesetzgeber eine nationale Ausnahme erlässt wie Deutschland im BDSG, ist diese Praxis aber trotzdem möglich, sagt der EuGH. Wiesbaden muss nun entscheiden, ob das BDSG rechtmäßig ist. (Fun-Fact: Wiesbaden hat bereits durchblicken lassen, Regelungen im BDSG in Frage zu stellen - wir dürfen dann durch die Revisionsinstanzen wohl auf eine Entscheidung der Frage am BGH in 3-10 Jahren hoffen.)



    Nebenbei ging es auch noch um die parallele Speicherung von Daten aus öffentlichen Verzeichnissen, hier wohl dem Insolvenzregister. Da hat der EuGH eher einen schlanken Fuß gemacht. Alles in allem ist aktuell nichts wirklich entschieden - der Artikeltitel trifft völlig zu, alles bleibt erstmal ungelöst, aber das "Gut, dass der EuGH ihre Macht nun eingeschränkt hat." direkt darunter trifft überhaupt nicht zu.

    • @StefanG:

      Vielen Dank fürs Nachholen der journalistischen Arbeit! Und ja liebe taz, ich meine dich