Tiertransporte ins Ausland: Bolzenschuss statt Weltreise

Niedersachsens Agrarministerin Miriam Staudte will die Rindertransporte in problematische Drittstaaten unterbinden. Das ist rechtlich gar nicht so leicht.

Rinder in einem Tiertransport

Dürfen in Länder wie Algerien, Tunesien oder Ägypten nicht mehr exportiert werden: Rinder Foto: Foto: Animal Welfare Foundation/dpa

HANNOVER taz | Es ist ein neuer Anlauf für ein altes Problem: Die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) versucht, die Exporte von lebenden Rindern in Drittstaaten zu verhindern. Dazu hat ihr Ministerium nun ein ganzes Bündel an Erlassen geschnürt.

Schon im Oktober erging der „Ägypten-Erlass“. Mit ihm wurden die Veterinärbehörden aufgeforderte, Transporte zu untersagen, wenn ein bestimmter Stall im Hafen von Alexandria als Zielort angegeben war. Das Ministerium sagt, ihm liegen verlässliche Informationen vor, dass die Tiere diesen Stall nie erreicht haben – der Weg im Hafen, über den sie angeblich getrieben wurden, ist nämlich versperrt.

Das wirft erneut ein Schlaglicht auf einen Umstand, den Tierschutzorganisationen schon lange kritisieren: Zwar gelten theoretisch die EU-Tierschutzbestimmungen bis zum Zielort. Praktisch ist das für die Genehmigungsbehörden aber kaum zu kontrollieren.

Im November schob das Ministerium nun einen Untersagungserlass nach, der Transporte nach Ägypten generell verbietet. Genauso wie Transporte nach Algerien, Aserbaidschan, Irak, Iran, Jemen, Jordanien, Kasachstan, Kirgistan, Libanon, Libyen, Marokko, Syrien, Tadschikistan, Tunesien, Turkmenistan und Usbekistan. Die Begründung: Man müsse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Tiere dort früher oder später ohne Betäubung geschächtet werden. Das ist allerdings eine Begründung, die vor Gericht schon ein paar Mal gekippt wurde.

Belege für betäubungsloses Schächten

So hatte zum Beispiel das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg im Mai 2021 den Landkreis Emsland angewiesen, Transporte von trächtigen Rindern nach Marokko abzufertigen. In den Augen des Gerichtes reichte der pauschale Verdacht, die Tiere würden dort nicht tierschutzgerecht gehalten und später geschächtet, nicht aus.

Nun glaubt das Landwirtschaftsministerium aber genügend Belege gesammelt zu haben. In den genannten Ländern, so argumentiert es, ist das betäubungslose Schächten nun einmal die übliche Schlachtmethode. Ein Rücktransport nach Europa sei aufgrund des Tierseuchenrechtes nicht möglich – früher oder später droht den Tieren also dieses Schicksal, auch wenn sie als Zuchttiere exportiert werden. Um das grundsätzlich zu klären, würde man bei der nächsten Klage auch ein Hauptsacheverfahren anstreben, heißt es aus dem Ministerium. Bisher gab es lediglich Eilentscheidungen, bei denen die Gerichte naturgemäß sehr viel summarischer prüfen.

Für deutsche Milchviehhalter ist der Export in diese Staaten aber eine willkommene Gelegenheit, die überzähligen Kälber loszuwerden, die vor allem geboren werden, um den Milchfluss in Gang zu halten. „Das ist schon auch ein wichtiges Standbein in der Weidehaltung, die wir ja auch alle wollen“, mahnt Manfred Tannen vom Landvolk.

Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten kritisierte prompt, dass die Länderliste nicht umfassend genug sei. Vor allem die Türkei fehle darauf – sie ist nicht nur jetzt schon ein wichtiges Zielland, sie bietet sich auch geradezu als gigantisches Schlupfloch an. Immerhin liegt sie so günstig, dass sie gut als Drehscheibe dienen könnte.

Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte argumentiert dagegen, dass eine Aufnahme der Türkei in die Liste den Erlass angreifbar gemacht hätte. Denn in der Türkei gibt es einige wenige moderne Schlachthöfe, die mit Bolzenschussgeräten arbeiten. Auch das weist möglicherweise auf eine Schwachstelle des Erlasses hin: Wenn auch in den anderen Ländern der eine oder andere moderne Schlachthof entsteht, ist die Grundannahme hinfällig.

Eigentlich geht es ja auch nicht nur um die Schlachtung, sondern auch um die Transporte an sich: Warum müssen trächtige Rinder auf eine tagelange Reise durch mehrere Klimazonen geschickt werden, wenn man genauso gut Fleisch oder – wenn es denn tatsächlich um den Aufbau einer Zucht geht – Samen oder Embryonen transportieren könnte?

Die Antwort lautet schlicht: Weil sie hier übrig sind. Dabei – auch darauf verweist das Ministerium in seiner Pressemitteilung, gäbe es durchaus Möglichkeiten, dies zu vermeiden. Durch ein gutes Management in den Herkunftsbetrieben, etwa die Besamung mit Fleischrinderrassen, könnten die Vermarktungsmöglichkeiten auf den regionalen Märkten erhöht werden.

Ministerium will nachschärfen

Den Zahlen des Landwirtschaftsministeriums zufolge sind die Transporte in Drittländer deutlich zurückgegangen. Noch im Jahr 2020 wurden aus Niedersachsen insgesamt 11.830 Rinder abgefertigt. In 2021 sank die Zahl auf circa 9.900, 2022 waren es noch 8.401 und in diesem Jahr bisher nur 3.005 Rinder. Das, sagt Landvolk-Vizepräsident Tannen, ist eben auch eine Auswirkung der seit Jahren geführten öffentlichen Debatte. Dafür steigt nun der Preisdruck auf den hiesigen Zuchtviehmärkten, weil zu viele Tiere im Angebot sind.

Trotzdem will Niedersachsen auch bei den Transportbedingungen für die Langzeittransporte nachschärfen. Künftig sollen die Organisatoren mit Fotos nachweisen müssen, dass die Tiere gut angekommen und ordentlich versorgt worden sind. Die Behörden sollen das dann rückwirkend prüfen. Gleichzeitig ist man sich in Niedersachsen darüber im Klaren, dass all dies nur Behelfskonstruktionen sind und dass das Problem im Bund und auf EU-Ebene grundsätzlicher angefasst werden muss.

„Der Ministerin ist es wichtig, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und das Thema voranzutreiben“, sagt ihre Sprecherin. Aber letztlich müsse die EU dafür sorgen, dass in allen europäischen Ländern tatsächlich die gleichen strengen Vorgaben gelten. Der Europäische Rechnungshof hatte erst im April kritisiert, dass die Richtlinien nicht einheitlich umgesetzt würden und die unterschiedlichen nationalen Sanktionssysteme zu viele Schlupflöcher böten. Am Donnerstag, 6. Dezember, will sich die EU-Kommission zu einer angestrebten Überarbeitung der Transportregeln äußern.

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