Tiertransporte in Drittländer: Tierqual made in Niedersachsen

In Niedersachsen werden weiter Rindertransporte nach Marokko und Ägypten abgefertigt – daran ändern auch die Grünen bisher nichts.

Ein blauer Tiertransporter aus dem Ohr und Auge einer Kuh lugen, am Rand ein Zollbeamter, der versucht in den vergitterten Transporter zu gucken.

Effektive Kontrollen auf eine Einhaltung der Tierschutzbestimmungen sind kaum möglich Foto: Hans-Jürgen Wege/dpa

HANNOVER taz | Den letzten großen Aufschrei gab es 2019. Mehrere Fernsehdokumentationen machten damals allzu anschaulich, was Tierschützer schon lange sagen: Rindertransporte in Drittstaaten wie Marokko, Ägypten und Kasachstan sind in keiner Weise mit dem vereinbar, was in Deutschland und der EU als Mindeststandards in Sachen Tierschutz vorgeschrieben ist.

Die Tiere werden auf LKWs zusammengepfercht, leiden unter Stress, Hitze und Kälte, werden anschließend in spanischen Häfen auf heruntergekommene Frachter geprügelt, in Nordafrika in völlig anderer Herdenzusammensetzung wieder auf Laster verladen und kommen mehr tot als lebendig am Zielort an.

Die eigentlich vorgeschriebenen Versorgungsstationen unterwegs, bei denen die Tiere abgeladen, gefüttert und getränkt werden sollten, sind meist nicht existent. Genauso wenig wie die angeblich im Aufbau befindlichen Herden, für die diese als „Zuchttiere“ deklarierten Rinder bestimmt sind.

Was auch schon daran scheitert, dass die deutschen Hochleistungskühe in den kargen Wüstenregionen mit ihren Extremtemperaturen und ihrem chronischen Wassermangel nicht lange überleben.

Geld für überzählige Kälber

Am Ende landen sie dann doch im Schlachthof und zwar in einem, in dem sie ohne Betäubung geschächtet werden können und man außerdem das Leder verwertet. Das ist meist der eigentliche Grund für diese Art von Kuhhandel, mit dem deutsche Bauern ihre überzähligen Kälber für gutes Geld loswerden. Fleisch ließe sich ohne diese Quälerei transportieren, Embryonen und Samen für die Zucht auch.

Theoretisch müsste bei solchen Transporten sichergestellt werden, dass die EU-Transportverordnung eingehalten wird. Die gilt nämlich – dazu gibt es ein Gerichtsurteil aus dem Jahr 2015 – auch in Drittländern, zumindest bis zum angegebenen Zielort. Praktisch sind die zuständigen Veterinärämter der Landkreise aber kaum in der Lage, dies zu kontrollieren.

Die Zweifel daran, ob sich die Amtsveterinäre hier nicht der Beihilfe zur Tierquälerei schuldig machen, haben dazu geführt, dass immer mehr Bundesländer – darunter auch starke Exporteure wie Bayern – die Genehmigungen verweigert oder einschränkt haben.

Gleichzeitig drängten die Länder über den Bundesrat auf eine nationale Regelung, die einen Export in tierschutzrechtlich problematische Drittländer generell verbietet. Doch das Bundeslandwirtschaftsministerium – damals noch unter Julia Klöckner (CDU) – spielte auf Zeit und erklärte, das Problem müsse auf EU-Ebene gelöst werden.

Tierschützer protestieren am Samstag in Aurich

Wer nun glaubte, unter dem grünen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir würde sich das Blatt schnell wenden, wurde enttäuscht. Ein erster Vorstoß auf EU-Ebene ist gescheitert, auch wenn die Transportverordnung nun überarbeitet werden soll.

Anfang März hat die Bundesregierung nun endlich im Bundesrat zum Ansinnen der Bundesländer Stellung genommen, Transporte in bestimmte Drittstaaten pauschal zu verbieten. Die Antwort enttäuschte die Ländervertreter und entsetzte Tierschützer. Ein nationales Verbot sei nicht möglich, hieß es darin, dem stünde das EU-Handelsrecht entgegen.

„Es gibt mindestens drei Rechtsgutachten, die das Gegenteil sagen – darunter eines des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages“, sagt Ina Müller-Arnke von „Vier Pfoten“. Vier Pfoten ruft gemeinsam mit anderen Tierschutzorganisationen zu einer großen Demo am Samstag in Aurich auf.

Denn Aurich gehört immer noch zu den größten Drehscheiben für diese Art von Transporten. Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres sind von dort 25 LKWs Richtung Marokko abgefertigt worden.

Niedersachsen Spitzenreiter bei Genehmigungen

Überhaupt ist Niedersachsen Spitzenreiter bei diesen Genehmigungen: Von den 8.542 Rinderexporten in Länder wie Ägypten, Marokko, Russland, Türkei, Tunesien, Libanon, Belarus und die Vereinigten Arabischen Emirate, die das Statistische Bundesamt 2022 erfasst hat, wurden 7.489 in Niedersachsen genehmigt.

Obwohl die jetzige Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) stets zu den vehementesten Kritikerinnen dieser Praxis gehörte und ihrer CDU-Vorgängerin gern vorwarf, die rechtlichen Möglichkeiten nicht auszuschöpfen, tut sie sich nun selbst schwer damit. Man arbeite daran, den niedersächsischen Transport-Erlass strenger zu fassen, heißt es aus dem Ministerium.

Demo, Sa, 29. 4., 11 Uhr, Sparkassenarena; Menschenkette, 14 Uhr, Tiersammelstelle VOSt Aurich-Schirum

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