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Landratswahl in Dahme-SpreewaldParteiloser gewinnt gegen AfD

Die AfD verliert die Landratswahl im brandenburgischen Dahme-Spreewald. Der Sieger hat viel vor, der Verlierer schaut auf die nächste Wahl.

Wird neuer Landrat in Dahme-Spreewald: Sven Herzberger Foto: Patrick Pleul/dpa

Berlin/Lübben taz/dpa | Nach der Stichwahl um den Landratsposten in Dahme-Spreewald gibt es einen klaren Sieger. Der parteilose Kandidat Sven Herzberger gewann den zweiten Wahlgang am Sonntag mit deutlichem Vorsprung. AfD-Kandidat Steffen Kotré landete bei der Stichwahl abgeschlagen dahinter. Herzberger hat als neuer Landrat viel vor, Kotré schaut bereits auf die Kommunalwahl im kommenden Jahr. Eine Rechtsextremismusforscherin hält die Wahlbeteiligung für problematisch und warnt vor einfachen Antworten.

Für den parteilosen Einzelbewerber und Zeuthener Bürgermeister Sven Herzberger stimmten nach dem vorläufigen Ergebnis 64,8 Prozent der Wahlberechtigten. „Dass so viele Leute für ein weltoffenes und tolerantes Dahme-Spreewald gestimmt haben, das ist schon echt beeindruckend“, sagte Herzberger. Der 54-jährige, der Bürgermeister von Zeuthen ist, wurde bei der Stichwahl von allen Parteien außer der AfD unterstützt. Der AfD-Kandidat und Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré kam auf 35,2 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 47,9 Prozent und war damit fast so hoch wie im ersten Wahlgang mit 50,8 Prozent.

Herzberger bekam vor allem nahe Berlin viele Wählerstimmen, Kotré kam im Amt Unterspreewald mit 46,8 Prozent auf seinen höchsten Wert. Bei der Briefwahl war Herzberger deutlich stärker, lag aber auch in der Urnenwahl vorn. Die AfD hat mit der Niederlage ihres Bewerbers das Ziel eines bundesweit zweiten Landratspostens zwar verpasst. Kandidat Steffen Kotré hat aber bereits die Kommunalwahl im kommenden Jahr im Blick. „Wir werden jetzt unsere Kandidaten mobilisieren und mit doppelter Stärke im Vergleich zu 2019 in den Vertretungen sein. Der Trend spricht für die AfD“, zeigte sich der Bundestagsabgeordnete überzeugt.

Integration statt Spaltung

Herzberger gilt als integrativer Mensch. Als neuer Landrat werde er „nicht spalten, sondern zusammenführen“, sagte er. Als Landrat will der Parteilose vor allem die regionalen Wirtschaftskreisläufe stärken und den strukturschwächeren Süden mehr mit dem Norden vernetzen. Zur Fachkräftegewinnung macht er sich für einen Ausbildungscampus stark. Gute Bildung und genügend Schul- und Kitaplätze sind ihm wichtig. Neue Straßen will Herzberger vor allem in Zusammenhang mit Radwegen denken.

Anders als andere Regionen verzeichnet Dahme-Spreewald seit Jahren Zuzug. Dabei profitiert der Kreis von der Nähe zu Berlin und von guter Infrastruktur. Wirtschaftlich ist der Landkreis einer der stärksten in Ostdeutschland. Doch auch er hat wie andere Kommunen in Deutschland mit Herausforderungen zu kämpfen – etwa dem Ärzte- und Fachkräftemangel, der Energiewende oder der Integration.

Die Rechtsextremismusforscherin Heike Radvan von der Brandenburgischen-Technischen Universität Cottbus-Senftenberg plädiert dafür, sich gründlich mit dem Wahlergebnis in den Regionen auseinanderzusetzen. Es gebe Gemeinden, in denen eine deutliche Mehrheit für die AfD stimme und der demokratische Kandidat abgeschlagen sei, sagte sie der dpa. „Das ist insofern sehr besorgniserregend, als dass der AfD-Kandidat sein rechtes Weltbild im Wahlkampf kaum verschleiert hat.“

Vielmehr seien Bedrohungsszenarien gezeichnet worden, um Hass auf zugewanderte Menschen zu verbreiten. „Es wird der Klimawandel geleugnet, Wissenschaft diffamiert und eine Nähe zu Diktatoren gesucht, die für Angriffskrieg und Menschenrechtsverletzungen stehen.“ Mit einem solchen Politikstil werde die Region jedoch abgehängt werden und kaum wettbewerbsfähig bleiben. „Es gibt keine einfachen, monokausalen Antworten auf die Frage nach dem Warum einer politischen Rechtsbewegung, sie sind vielschichtig.“ Die positive Nachricht sei: „Es gibt sie auch hier im ländlichen Raum, die Gemeinden, in denen eine deutliche demokratische Mehrheit gewählt wird.“

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12 Kommentare

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  • Das ist nur auf den ersten Blick ein gutes Ergebnis.

    Wenn die demokratischen Parteien gemeinsam einen Kandidaten unterstützen müssen, um die Demokratie zu retten, ist das demokratische Gegeneinander verloren, dessen Ergebnis eigentlich die Stärke einer Demokratie ist.

  • "Für den parteilosen Einzelbewerber und Zeuthener Bürgermeister Sven Herzberger stimmten nach dem vorläufigen Ergebnis 64,8 Prozent der Wahlberechtigten."

    Was für ein Kunststück bei nur 47,9% Wahlbeteiligung. ;)

    • @Fabian Wetzel:

      Die Radaktion hat vorsichtshalber keinen Autor, keine Autorin zu diesem "Kunststück" genannt. Vielleicht von einer KI formuliert?

  • 6G
    663803 (Profil gelöscht)

    Danke schön; das bestätigt meine Einschätzung, auf kommunaler Ebene sollte es nicht ums Parteibuch gehen. Ein parteiloser Bürgermeister ist immer besser als die Protestwahl zu Gunsten der rechtslastigen AFD

    • @663803 (Profil gelöscht):

      Immerhin war der parteilose Bürgermeister früher bereits Mitglied bei der PDS und später bei der SPD (laut Wikipedia). Soviel zu politisch neutral.

  • "fast so hoch wie im ersten Wahlgang ?" - noch niedriger als ...

  • ARME GEWINNER



    Stichwahlen sind nu ja immer Na-Ja-Wahlen: Meine Wuschkandidatin hats in der ersten Runde nicht geschafft? - na ja, dann wähl ich halt den. Hat diedasder Gewählte eigentlch nicht verdient, im doppelten Sinne.



    Bei bloß-den-nicht-Wahlen (alle gegen eine .., siehe Frankreich, siehe Kommunales in der Ex-DDR) ist gewinner noch angezählter, bevor's überhaupt losgeht. Da hilft beim Schritt in die Amtszeit hinein nur: breite und ernstgemeinte Unterstützung am Ort. Soviel Achtung vor Demokratie ud Person ist Dorfstadtlandkreis sich selbst schuldig.

  • Mit ca. 65% der erwartete, der hervorsehbare, der klare Wahlsieger....



    und trotzdem lief im Vorfeld .....bundesweit.....die Weltuntergangsdebatte.



    Diese Kampagne erinnern an eine militärische Mobilmachung....diese Kampagne werten die AfD unnötig und gefährlich auf.



    Die AfD wird mit aller Macht in das öffentliche Bewusstsein gedrängt, die Pfeifen müssen selbst nichts dafür tun.



    Gebt der Partei die mediale Aufmerksamkeit die sie verdient....K E I N E

  • Einen Einheitskandidaten aufzustellen um die AfD zu besiegen, den dann alle Parteien unterstützen ist mittelfristig extrem kontraproduktiv. Das ist nur ein Sieg auf Zeit und unterstützt die Narrative der AfD. Ich persönlich bleibe in der Konstellation jedenfalls ab jetzt zu Hause im zweiten Wahlgang. Nochmal CDU wählen um AfD zu verhindern werde ich jedenfalls nicht.



    Generell sollte die Briefwahl überdacht werden. Diese ist vom Grundgedanken gleicher Wahlen sowieso problematisch und wird immer stärker genutzt. Da vor allem Akademiker und Rentner diese Option nutzen, verändern diese Stimmen das Ergebnis im Nachgang inzwischen zu stark nach meinem Geschmack. Die AfD spricht hier ja bereits von organisierter Wahlfälschung. Die Briefwahl sollte deshalb nur für gesundheitlich eingeschränkte WählerInnen möglich sein. Wenn hier jetzt jede zweite Kommunalwahl nur noch von den Briefwahlstimmen gerettet wird, bekommt es sonst schnell ein Geschmäckle.

    • @Šarru-kīnu:

      Da alle abgegebenen Stimmen gleichberechtigt sind, egal ob per Briefwahl oder im Wahllokal, wird garnichts am Ergebnis verfälscht. Relevant ist ja eh nur das Ergebnis nach Auszählung aller Stimmen.

    • @Šarru-kīnu:

      Ob eine Stimme nun über Briefwahl oder direkt im Wahllokal abgegeben wird, ist doch völlig egal. Es sind alles gleichberechtigte Stimmen, und viele nehmen die Möglichkeit der Briefwahl sehr gerne in Anspruch, weil sie sich dann organisatorisch, aus welchen Gründen auch immer, nicht verbiegen müssen. Was mich bei den ganzen Wahlen aber nervt, ist das permanente Hochgerechne, wie denn nun die Sitzverteilung aussehen würde, wenn man das aktuelle Auszählungsergebnis dafür zugrunde legt. Das empfand ich schon immer als den allergrößten Mumpitz. Aber wer's braucht...

    • @Šarru-kīnu:

      Der rechte Rand wird immer einen Aufhänger finden, um seine Lügen zu verbreiten. Aktuell ist es - man musste natürlich bei Trump abkupfern, eigene Ideen haben diese Leute ja nicht - die Briefwahl. So what. Und nein, die Briefwahl hat kein Geschmäckle.