Ungleichheit in der Kita: Gebt der Zukunft einen Platz
Kinder migrantischer Eltern bekommen viel seltener einen Kita-Platz als solche aus deutschen Familien. Das ist nicht nur unfair, sondern auch unklug.
E s ist eine Prozentzahl, die auch die sogenannte Mehrheitsgesellschaft alarmieren sollte: 40 Prozent aller Familien mit Kindern zwischen ein und unter drei Jahren, in denen zu Hause kein Deutsch gesprochen wird und die sich einen Kita-Platz wünschen, haben einen solchen Platz nicht. Im Durchschnitt aller Familien mit Kleinkindern beträgt diese Unterversorgung nur 20 Prozent. Das sind aktuelle Zahlen vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB).
Alarmierend sind sie aus zweierlei Gründen: Erstens weiß man aus der Forschung, dass in Familien mit Migrationshintergrund die frühe Sprachförderung besonders wichtig ist und Kinder, die früh gut Deutsch gelernt haben, später in der Grundschule mit ihren deutschsprechenden Altersgenoss:innen mithalten können.
Zweitens aber, und das hat sich noch nicht wirklich herumgesprochen, reden wir hier von den Berufstätigen und Fachkräften von morgen. Jenen Menschen, die auch für die sogenannte Mehrheitsgesellschaft unverzichtbar sind und die ihr den Arsch retten, wenn der demografische Wandel die Erwerbsbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten zusammenschrumpfen lässt.
40 Prozent der Kinder unter fünf Jahren haben derzeit einen sogenannten Migrationshintergrund, bei den Neugeborenen in Ballungszentren sind es noch mehr. Überproportional häufig sind diese Familien armutsgefährdet.
Der paternalistische, mitleidige Blick der Mittelschichten auf diese Bevölkerungsgruppen, verbunden mit der Sorge, kinderreiche Familien könnten sogar zu viel Bürgergeld in Anspruch nehmen, ist aber nicht nur herablassend, sondern auch kurzsichtig. Wenn es zukünftig noch ausreichend Arbeitskräfte, Fachkräfte und Beitragszahler:innen geben soll, muss Kindern aus genau diesen Familien auch der Weg dorthin ermöglicht werden.
Deswegen ist es nicht nur aus Gerechtigkeitsgründen richtig, wenn es mehr wohnortnähere Kitaplätze gibt, wenn die Suche danach mehrsprachig begleitet wird, wenn die Vergabe von Plätzen nicht an der Erwerbstätigkeit der Mütter hängt, zum Beispiel.
Wenn es zukünftig noch ausreichend Arbeitskräfte, Fachkräfte und Beitragszahler:innen geben soll, muss Kindern aus genau diesen Familien auch der Weg dorthin ermöglicht werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video