Umgang mit Kriegsnachrichten: Kontrolliert euch!

Krieg, Zerstörung und Gewalt: Bilder davon begegnen uns ständig in Sozialen Medien. Eine Psychologin gibt fünf Tipps, wie wir besser damit umgehen.

Eine Person schaut in ein Smartphone.

Achtsamkeit ist angesagt, auch bei der Dosierung von Nachrichten Foto: Jaap Arriens/imago

Zerstörung, Leid, Tod. Via Social Media tragen verwackelte Handyvideos die Brutalität des Krieges in Israel und Palästina besonders unmittelbar an die Nut­ze­r:in­nen heran; sie zeigen verletzte, fliehende oder sterbende Menschen. Es ist eine schreckliche Zeit für Personen mit Familie in Palästina oder Israel und für Menschen, die von Rassismus oder Antisemitismus oder beidem betroffen sind. Die Bilder nehmen auch nicht direkt betroffene Menschen mit – wenn auch auf andere Weise. Christine Knaevelsrud, Psychologie-Professorin an der Freien Universität Berlin und am Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit, nennt Strategien, um mit den belastenden Eindrücken umzugehen.

1 Reaktion annehmen und ­Wirkung verstehen

„Schock, Trauer und Betroffenheit“, stellt die Psychologin klar, „sind normale Reaktionen auf die völlig unnormalen Ereignisse, mit denen wir gerade konfrontiert sind“. Es sei wichtig, diese Gefühle anzunehmen. „Man darf das alles fühlen, auch wenn die eigene Lebensrealität frei von Krieg ist. Dass wir permanent mit solchen grausamen Bildern und erdrückenden Informationen konfrontiert sind, löst Gefühle der Überforderung und Hilflosigkeit aus.“ Sie betont zudem: „Die auditiven und visuellen Reize, über die soziale Medien funktionieren, prägen sich besonders schnell ein. Dessen müssen wir uns bewusst sein.“

2 Eigene Intentionen hinterfragen

Gegen Gefühle der Überforderung und Machtlosigkeit empfiehlt Knaevelsrud, bewusst zu kontrollieren, ob und wie lange man die Bilder an sich heranlässt. Dafür gibt es technische Ansätze, voran gehe aber ein psychologischer Schritt. So könne man sich bewusst machen, warum man Content aus Israel und Palästina konsumiert. „Will ich mich informieren oder sehe ich mir die Bilder fast schon zur Unterhaltung an?“ Klar müsse sein: „Ich helfe niemandem damit, mir viele Stunden am Tag Grausamkeiten anzugucken. Und habe keine Verpflichtung dazu.“ Oft sei der Erkenntnisgewinn gerade bei Bildern auf Social Media, die sich häufig wiederholen, ohnehin gering. Dementsprechend könne es helfen, manche Medien für Informationsbeschaffung auszuschließen.

Um weniger Beiträge zum Krieg im Nahen Osten angezeigt zu bekommen, lässt sich auf Tiktok in den ­eingeschränkten Modus wechseln, in dem Inhalte, die „für ein breites ­Publikum nicht geeignet sind“, entfernt werden. Auch auf Instagram und Facebook gibt es die Option, weniger „sensible Inhalte“ angezeigt zu bekommen. Bei einzelnen Beiträgen können Use­r:in­nen der Plattformen direkt angeben, dass sie kein Interesse haben. Der Algorithmus passt sich entsprechend an.

3 Zeitfenster festlegen

Außerdem empfiehlt Knaevelsrud, konkrete Zeitfenster festzulegen, in denen Informationen zum Krieg eingeholt werden, und Benachrichtigungen für die anderen Zeiten zu deaktivieren. „Eine gute Zeit, um sich zu informieren, kann zum Beispiel vormittags für eine halbe Stunde sein. Es ist aber genauso okay, nur einmal pro Woche gezielt Nachrichten zum Thema anzusehen.“ Auch das helfe beim Wiederherstellen eines Gefühls von Kontrolle.

4 Abgrenzung vom Kriegs­geschehen

„Die Gleichzeitigkeit von unvorstellbarem Leid und dem eigenen banalen Alltag, die uns Social Media so deutlich vor Augen führt, ist schwer auszuhalten. Deshalb ist es wichtig, sich bewusst von den Bildern abzugrenzen“, erklärt Knaevelsrud. Wer in der eigenen Lebensrealität positive Gegenpole setze, bekomme die grausamen Bilder gut aus dem Kopf. Das können schöne Unternehmungen, Sport oder Filme sein. Was aber, wenn die Bilder trotzdem hängen bleiben? „Da hilft einfach abwarten. Wenn der Medienkonsum entsprechend reduziert wird, geht das vorbei“, so Knaevelsrud.

5 Austausch suchen

Als letzten Tipp empfiehlt die Psychologin Knaevelsrud, über Ängste zu sprechen. „Und zwar mit Freund:innen, die eine Art Gegengewicht bilden. Man sollte Sorgen der anderen ernst nehmen und mit den eigenen abgleichen, aber sich nicht gegenseitig hochschaukeln“, sagt sie. „Dabei ist es wichtig, die unterschiedliche Betroffenheit von Personen zu berücksichtigen. Für Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, Krieg selbst erlebt haben oder unter Angststörungen leiden, sind diese Bilder besonders schlimm.“ Hier helfe es, die aktuelle Situation vom erlebten Trauma abzugrenzen. „Sich also bewusst vor Augen führen, dass man selbst – sosehr einen das Leid der Menschen mitnimmt – hier in Sicherheit lebt.“

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