Antisemitismus in Brandenburg: Attacke auf Pfarrhaus

Im brandenburgischen Fürstenwalde sucht die Polizei nach Zeugen. Zum Schutz der Mieter soll es erst mal keine Israel-Solidaritäts-Aufrufe mehr geben.

Ein leerer Schaukasten vor einem Haus mit grüner Wand

Der Schaukasten bleibt leer: Vor dem Pfarrhaus in Fürstenwalde Foto: privat

BERLIN taz | „Dieser Schaukasten bleibt leer“ – mit dieser Aktion macht der evangelische Pfarrer Kevin Jessa auf mehrere antisemitische Attacken im brandenburgischen Fürstenwalde in den vergangenen Tagen aufmerksam. Am Montagabend flogen sieben Steine gegen das Pfarrhaus der evangelischen St. Marien-Domgemeinde Fürstenwalde/Spree. Ein Solidaritätsaufruf der Jüdischen Gemeinde zu Berlin mit der Aufschrift „Wir schützen jüdisches Leben“ und einem Davidstern wurde aus einem Schaukasten herausgerissen.

Nicht zum ersten Mal. Erst in der Nacht zu Samstag war die Scheibe des Schaukastens von Unbekannten mutwillig zerstört und der erste Soli-Aufruf entwendet worden. Pfarrer Kevin Jessa hatte den Appell zuvor auch anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht am 9. November 1938 vor dem Pfarrhaus angebracht.

Nach der zerstörten Scheibe flogen nun Steine. Drei große an die Wand, wie Jessa vermutet, vier kleinere an ein Fenster des Pfarrhauses. „Niemand kam zu Schaden“, sagt der evangelische Pfarrer. Aber: „Wenn der Aufruf nicht mehr hängen kann, ohne Menschen zu gefährden, dann hängen wir vorerst nichts mehr aus.“ Deshalb bleibt der Schaukasten leer. Auch um Ruhe reinzubringen, hofft Jessa. Wie ein Einknicken vor der Gewalt soll es aber nicht wirken.

Seit dem brutalen Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel am 7. Oktober wurden auch in Fürstenwalde im Landkreis Oder-Spree etliche propalästinensische Parolen gesichtet und antisemitische Attacken entdeckt. „Die Stimmung ist aufgeheizt derzeit, aber mit dieser Gewalt hätte ich nicht gerechnet“, sagte Jessa der taz. Der evangelische Pfarrer setzt sich seit Jahren für Toleranz und ein gutes Miteinander zwischen den Religionen ein. In einem Aufruf auf Social Media machte er am Dienstag auch klar: „Aber nicht vergessen: Synagogen sind die einzigen Gotteshäuser in unserem Land, die noch immer Schutz brauchen – und seit dem 7. Oktober noch dringlicher.“

Polizei sucht Zeu­g:in­nen

Auch die zweite Attacke hat Jessa sofort zur Anzeige bei der zuständigen Polizeidienststelle in Fürstenwalde gebracht und den Fall bei der Fachstelle Antisemitismus in Brandenburg gemeldet. Ermittelt werde zum Vorwurf der Sachbeschädigung und des Diebstahls im besonders schweren Fall gegen noch unbekannte Täter, heißt es seitens der Polizei in Fürstenwalde. Mögliche Zeu­g:innen des Geschehens sowie Personen, die auch ansonsten sachdienliche Hinweise zur Ergreifung der Täter liefern können, werden gebeten, sich umgehend bei der Polizei zu melden.

Am vergangenen Wochenende fanden anlässlich des Gedenkens an die Reichspogromnacht vor 85 Jahren etliche Veranstaltungen in Brandenburg statt. Zudem widmete sich die Fachstelle Antisemitismus in einer Aktionswoche jüdischem Leben in Brandenburg. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel beeinflusste die Veranstaltungen maßgeblich.

Sowohl Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) als auch die Forschungs- und Kulturministerin Manja Schüle (SPD) hatten Angriffe auf Jüdinnen und Juden oder jüdische Einrichtungen scharf verurteilt und die Bedeutung einer freien und aufgeklärten Gesellschaft betont. Die antisemitischen Attacken in Fürstenwalde sind auch dem brandenburgischen Innenministerium bekannt. Bis Redaktionsschluss lag jedoch noch keine Reaktion seitens des von Michael Stübgen (CDU) geführten Ministeriums der taz vor.

Pfarrer Kevin Jessa steht an diesem Dienstag noch immer unter Schock. Aber seine Haltung bleibt auch ohne Aushang im Schaukasten sichtbar, sagt er. „Wir schützen jüdisches Leben. Daran will ich weiter mitwirken, wo auch immer ich kann.“ Wie das angesichts der gewaltvollen Attacken auf sein Pfarrhaus in Fürstenwalde funktionieren kann, darauf hat Jessa derzeit noch keine Antwort.

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