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Weltmeisterin übers Schachboxen„Es sind immer mehr Frauen dabei“

Alina Rath ist amtierende Weltmeisterin im Schachboxen. Sie erzählt, was sie an der Sportart fasziniert und mit welcher Taktik sie gewinnt.

Freude über die Titelverteidigung: Alina Rath neben ihrem Trainer Robert Rolle Foto: privat
Interview von Rob Savelberg

taz: Frau Rath, herzlichen Glückwunsch! Sie haben gerade Ihren Titel als Schachboxweltmeisterin verteidigt. Vor drei Jahren haben Sie bereits die erste WM für Frauen gewonnen.

Alina Rath: Danke, ich muss das erst einmal verarbeiten. Es ist einfach surreal. Ich freue mich tierisch und ich bin total stolz. Ich habe lange trainiert und war auf Diät. Ich liebe Süßigkeiten und habe gelitten, weil ich keinen Kuchen essen durfte. Und man opfert viel Zeit.

Im Interview: Alina Rath

35, studierte BWL und ist Controllerin in der Reisebranche. 2010 wurde sie im Schach deutsche Blitzmeisterin, 2020 und 2023 Schachboxweltmeisterin.

Was ist Schachboxen überhaupt?

Eine Hybridsportart. Wir starten mit einer Schachrunde von drei Minuten, die eingefroren wird, wenn es noch kein Matt gibt. Es folgt nach einer kurzen Pause für das Anziehen der Handschuhe eine Boxrunde und so weiter. Aber nach der Boxrunde ist die körperlichen Belastung stark, dann passieren am Brett die meisten Fehler, weil der Puls hoch ist. Die Fokussierung ist schwierig, das macht es aber spannend. Jede KämpferIn hat beim Schach sechs Minuten Bedenkzeit. Bei der WM gab es maximal 4 Runden Schach und 3 Runden Boxen.

Wer erfand das?

Es war der Rotterdamer Künstler Iepe Rubingh. Der Wahlberliner benutzte ein Comic des Zeichners Enki Bilal, entwickelte daraus die Sportart mit realen Kämpfen. Er war sogar selbst der erste Schachboxweltmeister. Eine Ausnahmepersönlichkeit, er verbreitete den Sport weltweit und steckte sein Herzblut rein. Leider ist er 2020 viel zu früh verstorben.

Wie lief Ihr WM-Sieg? Gab es ein Knockout oder Schachmatt?

Meine Gegnerin Amina Akhmadulina aus dem Ural hat beim Schach bewusst das Spiel in die Länge gezogen, weil sie die Boxrunden aggressiv nutzen wollte. Ich wurde einmal angezählt. Auch ist zweimal unterbrochen worden, da meine Nase blutete. Aber ich machte meine Deckung zu und sie verlor schließlich auf Zeit, wegen meiner Stellung.

Wie haben Sie sich vorbereitet?

Mein tolles Team im Rücken war superwichtig. Mein Trainer Robert Rolle, ein ehemaliger Profiboxer, hat mich gut unterstützt. Sein dreizehnjähriger Sohn Arminius holte übrigens auch Gold.

Kämpfer des Chess Boxing Clubs Berlin und Chessboxing Cologne traten für Deutschland an. Wie war die Atmosphäre?

Die Organisation in Rimini war richtig toll. Es gab ein Rahmenprogramm und einen Yotube-Stream.

Der Chess Boxing Club Berlin wurde vor 20 Jahren gegründet, im selben Jahr, als der erste Wettkampf im Schachboxen ausgetragen wurde.

Ja, es ist ein besonderes Jubiläum. Es gibt hier eine echte Community mit immer mehr Frauen. Die Leute sind herzlich. Und als Frau ist man keinen blöden Sprüchen ausgesetzt.

Der erste Kampf 2003 fand auf einer Brache im Berliner Scheunenviertel statt. Wie ist der Entwicklungsstand des Schachboxens heute?

Mittlerweile gibt es Schachboxen auf allen Kontinenten. In Amerika kommen bis zu 10.000 Zuschauer in die Stadien und die Livestreams im Internet werden millionenfach geklickt. Die Gegensätze ziehen sich an. Das Klischee sagt, dass SchachspielerInnen unsportlich, aber clever sind, und BoxerInnen athletisch, aber dumm.

Gründer Iepe Rubingh erfand es als Kunstperformance. Ist es jetzt nur noch Sport?

Mittlerweile ist es Sport. Aber die Intellectual Fight Club Events in Frankreich sind eher Kunst.

Wie und warum kamen Sie zum Schachboxen?

Ich habe in Berlin darüber gelesen. Danach besuchte ich in einem leeren Kaufhaus in Mitte ein ausverkauftes Event mit jungen, hippen Leuten. Schauspieler Ben Becker moderierte im Ring. Das Wettkampfniveau war damals noch niedrig, aber alle hatten Spaß. Weil ich auch Mixed Martial Arts mache, dachte ich, dies könnte ein Herausforderung sein.

Was ist Ihre Taktik beim Schachboxen?

Ich versuche, meine Stärken im Schach auszuspielen. Bisher waren meine Gegnerinnen beim Schach zwar unterschiedlich stark. Aber auf dem Brett kann ich sie normalerweise schnell unter Druck setzen. Dann machen sie Fehler und müssen mich eine Runde später ausknocken.

Jetzt waren wieder RussInnen dabei, obwohl die international beim Schach und anderen Sportarten nicht oder nur ohne Fahne auftreten.

Das ist schwierig. Weil es geht um Sport, aber wir verschließen unsere Augen nicht vor dem Krieg.

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