Kompetenzzentrum für Holzherkünfte: Die Zurückverfolger
Im Hamburger Kompetenzzentrum für Holzherkünfte prüfen Forschende die Herkunft von Hölzern aus aller Welt. Oft ist das Holz nicht richtig deklariert.
Unter anderem solche Fragen beantworten die Holzwissenschaftler*innen am Hamburger Thünen-Kompetenzzentrum für Holzherkünfte, das zum Thünen-Institut für Holzforschung gehört. Die Mitarbeiter*innen werden mit der Untersuchung von Hölzern beauftragt um herauszufinden, um welches Holz es sich handelt und ob es korrekt deklariert ist. Neben hoheitlichen Aufträgen des Bundes erreichen das Institut viele gewerbliche Anfragen von Holz-Importeuren, Holzhändlern und Privatpersonen.
All diese Kunden wollen sicherstellen, dass das Holz, das sie importieren, verarbeiten, verkaufen oder besitzen, eine legale Provenienz hat. Im dem idyllisch zwischen Bäumen gelegenen Institut in Hamburg-Bergedorf schauen die Forschenden detailliert in die Welt der Hölzer und auf die Holzabbaugebiete der Welt.
Gerald Koch ist Wissenschaftler an dem seit 2013 bestehenden Kompetenzzentrum. Er betrachtet gerade eine Sperrholzprobe. „Allein das Präparieren solcher Sperrholzmuster erfordert genaueste technische Arbeit“, sagt er. „Zunächst muss ein kleiner Abschnitt mit den gesamten Lagen herausgeschnitten werden, der dann gekocht wird, um das Holzgewebe weich zu machen. Anschließend werden Dünnschnitte von den Lagen hergestellt und auf Objektträger gelegt, um das Gewebe mikroskopisch zu untersuchen“, erklärt Koch. Dafür sind mehrere Mitarbeiter*innen angestellt, die die eingesandten Präparate in einem Labor vorbereiten.
Neben dem Labor schließt sich eine große Sammlung an, die Holzbibliothek (Xylothek). 35.000 Holzmuster von 11.500 Arten lagern dort, um mit eingesandten Proben abgeglichen werden zu können. Unter den eingereichten Objekten seien wertvolle Exponate und Kulturgüter mit am spannendsten, findet Koch. „Wir haben zum Beispiel ein Holzbauteil aus einer ägyptischen Pyramide für amerikanische Archäologen untersucht“, sagt er.
Auch auf die Bestimmung von Hölzern in Musikinstrumenten sei man im Institut spezialisiert. „Ein besonderes Highlight war die Untersuchung des Barjansky-Cellos aus der Manufaktur des legendären Geigenbaumeisters Antonio Stradivari. Solch wertvolle Instrumente dürfen nur sehr vorsichtig und zerstörungsfrei untersucht werden“, sagt Koch. In solchen Fällen arbeite man mit einem 3-D-Mikroskop, das nur auf die Objekte aufgelegt werde, um die Oberfläche zu scannen.
Unter einem Mikroskop im nächsten Raum zieht Koch einige Schubladen heraus. Knapp 50.000 Objektträger mit Dünnschnitten lagern hier, die als Vergleichsmuster dienen. Für die Bestimmung der Hölzer können bis zu 60 anatomische Strukturmerkmale verwendet werden. „Die Arbeit ist sehr kleinteilig. Gerade bei sehr verwandten Hölzern ist es teils nur möglich, deren Gattung oder Familie zu bestimmen. Doch in über 80 Prozent der Fälle kommen wir zu klaren Ergebnissen und können verlässlich sagen, um was für eine Art oder Handelssortiment es sich handelt und ob eine Deklaration stimmt.“
Basis der Arbeit hier sind Artenschutzabkommen, die Europäische Holzhandelsverordnung sowie die europäische Entwaldungsverordnung. Letztere trat 2013 in Kraft, um das Problem illegaler Holzverwendung einzugrenzen. Ihr zufolge durfte Holz aus illegalem Einschlag nicht mehr in die EU eingeführt werden. 2023 wurde sie von der strengeren EU Deforestation Regulation abgelöst, die neben Holz weitere Waren umfasst.
Andrea Olbrich forscht ebenfalls am Institut und befasst sich hauptsächlich mit der Holzartenbestimmung in Papier und Faserplatten. Nach Einführung der Entwaldungsverordnung hätten zunächst kaum Deklarationen dieser Fasermaterialien gestimmt. In den letzten Jahren sei das aber besser geworden, sagt sie. Papier, das aus Zellstoffen, also bereits verarbeitetem Holz gefertigt werde, habe einen langen Handelsweg und sei in der Untersuchung unter dem Mikroskop komplex, sagt Olbrich, während sie die Probe eines To-go-Becherdeckels untersucht.
In ihrer Arbeit widmet sie sich auch der Weiterentwicklung der Forschungsmethoden durch den Einsatz künstlicher Intelligenz. Dabei werde in einer Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik derzeit ein lernendes System trainiert, das Holzzellen digital automatisiert erkenne, sagt sie. Diese KI sollen künftig Forschungsinstitute weltweit nutzen können.
Um Wissen weiterzugeben, schult das Institut international auch Zöllner*innen für die Kontrolle von Holzimporten. Auch Mitarbeiter*innen von Forschungseinrichtungen in tropischen Holzerzeugerländern hat man bereits in der Holzartenbestimmung ausgebildet. „Das Problem der Entwaldung löst Deutschland nicht allein. Hierfür sind internationale Kooperationen insbesondere mit den Erzeugerländern erforderlich“, sagt Koch.
Einige wenige der Gutachten des Instituts haben auch direkte juristische Folgen: „Bei Artenschutzfällen müssen wir uns sehr sicher sein, denn da können auf Basis unserer Gutachten rechtliche Schritte ausgelöst werden. Das sind die sensiblen Fälle, die großer Sorgfalt und Erfahrung bedürfen“, sagt Koch.
Das besonders geschützte Tropenholz Rio-Palisander etwa wurde bereits in den 1990er-Jahren in den höchsten Artenschutz eingestuft. Es finde sich trotzdem in etlichen Möbeln, die inzwischen zum Vintage-Trend geworden seien. Dabei dürfe das Holz nur mit einer individuellen Vermarktungsgenehmigung verkauft werden, wenn die Produkte vor 1992 gefertigt worden seien. Diese besonderen Artenschutzrichtlinien erforderten eine zweifelsfreie Bestimmung und Aufklärung, um Strafen zu verhindern. „Da gerade viele solcher Möbel vererbt werden, ist der Rio-Palisander bei uns derzeit fast Tagesgeschäft“, sagt Koch.
Der Anteil an Gutachten, die in einem Strafbefehl mündeten, sei dennoch gering. „Wir sind nicht die Ankläger, sondern die Wissenschaftler, die dazu beitragen aufzuklären. Wir können sagen, ob die Hölzer und Holzprodukte richtig oder falsch deklariert sind. Ob ein Risiko besteht, dass das Holz aus illegalen Herkünften stammt oder die lokalen Gesetze gegen Entwaldung erfüllt, da sind wir vorsichtig in der Interpretation.“
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